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Die Ae 4/6 als kompletten Reinfall zu bezeichnen wäre sicherlich falsch. Sie aber als gelungen zu bezeichnen wäre ebenso falsch, denn ein Ruhmesblatt für die Lokomotivbauer der Schweiz war sie sicher nicht. Versagt hatte bei der Ae 4/6 der mechanische Teil und die Vielfachsteuerung. Elektrisch konnte die Lok überzeugen, aber mit dem war es nun mal nicht getan.

Eigentlich wäre sie für einen Platz im Verkehrshaus der Schweiz berechtigt gewesen, aber die Verantwortlichen der SBB konnten sich nicht schnell genug von der ungeliebten Lok verabschieden. Sie fände im Museum sicher besser Platz als die grosse Ae 8/14. Nur gegen die stärkste Lokomotive der Welt hatte die Ae 4/6 keine Chance.

Nun, viele trauern, dass keine betriebfähige Maschine erhalten geblieben ist. Dazu müsste man die letzten verbliebenen Maschinen genauer betrachten. Die 10'811 kam nicht in Frage, weil ihr der SLM-Universalantrieb entfernt worden war. Es blieb somit nur noch die 10'805, die noch mit den ursprünglichen Antrieben unterwegs war. Nur, hätte man hier sicherlich hinweg sehen können.

Andererseits war die Ae 4/6 zeit ihres Lebens ein häufiger Gast in der Hauptwerkstätte Bellinzona. Dabei waren die Triebachsen immer wieder das grösste Problem. Die Probleme ging im Lärm, der um den Lärm gemacht wurde schlicht unter. Die Probleme waren aber ebenso schwerwiegend wie der ungeheuerliche Lärm.

Die Ae 4/6 neigten zu Achsbrüchen und Lagerschäden. Die Gefahr von Achsbrüchen hätte für die historische Lokomotive somit weiterhin bestanden. Wäre der im ungünstigsten Moment aufgetreten, wäre es um das Museumsstück schnell geschehen gewesen. Eine gebrochene Achse kann ein Unglück verursachen aber zumindest den Schaden so gross werden lassen, dass die Lok nicht mehr hergerichtet werden kann. Klar, kann man das Risiko mit modernen Mitteln eindämmen.

Die Ae 4/6 war, wie schon erwähnt, kein ruhmvolles Kapitel des schweizerischen Lokomotivbaus. Trotzdem muss der Lokomotive auch Gutes zugesprochen werden. Mit einem Gewicht von nicht ganz 19 Kilogramm pro PS wurde ein Wert erreicht, der weit unter den bisher üblichen Werten von 38 Kilogramm pro PS lag. Zum Vergleich sei hier mit 8.6 Kilogramm pro PS die Re 465 der BLS erwähnt. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Grenzleistungslokomotive gesprochen.

Die Stundenleistung von 5'500 PS bei 85 km/h machte die Lokomotive recht rassig. Die Maschine liess bei der Beschleunigung alles andere stehen. Die Lokomotive konnte diese grosse Kraft aber trotz des Adhäsionsvermehrers nie so richtig auf die Schienen bringen. Die Lok neigte sehr schnell zum schleudern. Hier sollte man eine Re 6/6 mit 10'600 PS herbei ziehen. Diese Lok mit fast gleichem Gewicht kann die Kraft der doppelten Leistung auf die Schienen bringen. Hier zeigt sich deutlich der Vorteil der Tiefzugvorrichtung.

Die elektrische Rekuperationsbremse war leistungsfähig und erlaubte auf den starken Gefällen nicht nur die Abbremsung des Lokomotivgewichts, sondern auch noch eines erheblichen Teils der Anhängelast. Die Serien Ae 6/6 und die Re 4/4 II waren die nächsten Lokomotiven mit ebenso starken elektrischen Bremsen. Dabei kam die gleiche Schaltung, wie bei der Ae 4/6 zu Anwendung.

Moderne Lokomotiven werden in diesem Zusammenhang durch die erlaubten Kräfte am Puffer beschränkt. Man darf jedoch moderne Lokomotiven mit Drehstrommotoren nicht mit den Seriemotoren der Ae 4/6 vergleichen. Hier hat die Eigenschaft der Motoren viele Vorteile gebracht, nur im Jahre 1941 hatte man die technischen Mittel dazu gar nicht.

Doch auch diese Medaille hatte ihre Kehrseite. Die grosse Leistung der Ae 4/6 war nur bei trockenen Schienen einigermassen auszunützen. Sobald die Adhäsionsverhältnisse nicht mehr gut waren, begann die Lokomotive stark zu schleudern und dann war es mit der grossen Leistung aus. Hier kann man erkennen, dass auch hohe installierte Leistung nutzlos ist, wenn der mechanische Teil nicht funktioniert. Die Ae 4/6 ist dazu ein wunderbares Beispiel.

Nachfolgende Lokomotiven behalfen sich, wie schon erwähnt mit der Tiefzugvorrichtung um noch höhere Kräfte zu übertragen. Eine Einrichtung, die die Ae 4/6 nicht hatte. Was die Tiefzuganlenkung brachte zeigt die Tatsache, dass moderne vierachsige Lokomotiven mit 700 Tonnen Anhängelast über den Gotthard fahren. Werte die nahezu doppelt so hoch sind wie bei der Ae 4/6.

Die Ae 4/6 konnten den ihnen zugedachten Verwendungszweck nur zum Teil erfüllen. Die vorgesehenen 125 km/h konnten nie gefahren werden. Die maximale Anhängelast am Gotthard blieb auf 385 Tonnen beschränkt. Zum Vergleich, die Ae 4/7 hatte für dieselbe Strecke eine Anhängelast von 320 Tonnen zugestanden bekommen. Die Anzahl der Vorspannleistungen konnte dadurch nicht wesentlich reduziert werden.

Es zeigte sich auch, dass mit Rahmenlokomotiven kaum je schneller als 110 km/h gefahren werden konnte. Die hohen Geschwindigkeiten konnten nur mit Drehgestellen erreicht werden, die die Führungskräfte im Gleis reduzierten und so auch die Zulassung zur Zugreihe R erreichen konnten. Die Ae 4/6 hatte dazu einfach nicht das notwendige Rüstzeug erhalten.

Die Möglichkeit der Vielfachsteuerung konnten wegen den Problemen nur sehr beschränkt ausgenützt werden. Trotzdem halfen die Erfahrungen mit den Ae 4/6 um die Vielfachsteuerung zu optimieren und letztendlich mit dem System IIId erfolgreich einzusetzen. Heute gehört die Vielfachsteuerung zum Standard einer Lokomotive. Zur Zeit der Ae 4/6 musste man noch viel Pionierarbeit leisten. Was die Pioniere von damals erfuhren, floss in die Entwicklung neuer Systeme ein.

Die Re 460 bekamen letztendlich eine Vielfachsteuerung, die sogar ein kuppeln bei eingeschalteter Lokomotive ermöglichte. Noch weiter ging man letztlich bei der Re 465, die konnte Lokomotiven mit drei unterschiedlichen Systemen verbinden und steuern. Bei den Ae 4/6 klappte das nur bedingt und auch nur, wenn die Loks richtig standen und die richtigen Kabel benutzt wurden.

Die Maschinen, die am Gotthard im strengen Dienst arbeiten mussten, erforderten schon immer einen grossen Unterhaltsaufwand. Dabei waren die mechanischen Elemente, namentlich die Triebachslager und die Triebachsen selber das grösste Sorgenkind. Mit den Ae 4/6 wurde der Rahmenbau bei Streckenlokomotiven endgültig aufgegeben und die ersten Ansätze für die auf Drehgestellen stehende Ae 4/4 der BLS waren vorhanden.

Eisenbahnfreunde, die die Lokomotive fotografierten, mögen sicherlich das Verschwinden dieser Lok bedauern. Jene, die diese Lok bedienen und unterhalten mussten, verabschiedeten sich jedoch von der Lok mit Freude. Viele meiner älteren Berufskollegen haben sicherlich kein Verständnis für das bedauern der Fotografen. Einige meinten sogar wenn wir Jungen von lauten Re 4/4 II und Re 6/6 sprachen, dass wir froh sein sollten, dass wir die Ae 4/6 nicht mehr haben.

Gerade der ungeheuerliche Lärm der Maschinen war ein Problem. Das Personal litt unter der Belastung und wenn sich daraus Gehörschäden entwickeln muss klar gesagt werden, dass so eine Lokomotiven nicht mehr eingesetzt werden darf. Das gilt selbstverständlich auch für eine Museumslokomotive und mag sie die ganze Welt noch so sehr. Die Gesundheit des Lokomotivpersonals ist auch für dessen korrekte Arbeit wichtig. Wenn die Lok dann lärmt, schwindet die Sicherheit.

Sind wir ehrlich, wer möchte eine Lokomotive hoch loben, wenn er weiss, dass es Lokführer gab, die wegen des SLM-Universalantriebes bleibende Gehörschäden hatten. Lokführer, die nie mehr Ruhe fanden, weil die Ae 4/6 dauernd in ihren Köpfen unterwegs ist. Der aussen unverkennbare Sound, ist in der Lokomotive schlicht und einfach nur höllischer Lärm. Da finden sich keine Freunde beim fahrenden Personal.

Bleibt deshalb noch zu erwähnen, dass die niederländische Serie 1000 ebenfalls nach dem Muster der Ae 4/6 gebaut wurde und auch nicht zu überzeugen vermochte. Auch hier waren der SLM-Universalantrieb und die Achsen das grosse Problem. Gerade der Universalantrieb der Ae 4/6 trug viel zum schlechten Ruf der Lokomotiven bei.

Der SLM-Universalantrieb war in vielen Punkten zweifelhaft, doch beim Lärm war er schlicht unschlagbar. Glücklicherweise blieb es für das europäische Lokomotivpersonal bei den insgesamt 24 Lokomotiven, von denen keine mehr betriebsfähig ist. Das fahrende Personal ist froh, dass es so gekommen ist. Die Fans trauern den Luftheulern nach, letztlich kann man das aber heute nicht mehr rückgängig machen.

Wir können nun endgültig einen Schlussstrich ziehen. Die Bücher der Ae 4/6 wurden bereits vor Jahren geschlossen und auch hier soll die Ae 4/6 abgeschlossen werden. Nur machen wir das mit Buchstaben und nicht mit Worten, denn auf den Ae 4/6 verständigte man sich ja mit Handzeichen. Die Welt ist ohne Ae 4/6 ein wenig ruhiger geworden, zumindest die Welt der Lokomotivführer.

 

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