Automatische Kupplung Ja oder Nein?

Wir sind nun am Schluss dieses Artikels angelangt. Wir haben in den vorherigen Abschnitten viel über die vielen unterschiedlichen automatischen Kupplungen erfahren. Es ist deshalb angebracht eine kleine Zusammenfassung zu machen und sich die Vor- und Nachteile dieser Kupplungen genauer anzusehen. Dazu sollen auch Vergleiche mit der zuvor erwähnten UIC-Schraubenkupplung gemacht werden, denn so veraltet diese erscheinen mag, sie hat Vorteile.

Wir wissen, dass sich in Europa die automatischen Kupplung schwer tut und, dass das nicht zwingend so sein müsste. Die USA und Russland zeigen heute deutlich, dass man mit automatischen Kupplungen arbeiten kann. Nur, warum ist das so? Warum schafft man es in Europa nicht auch? Es lohnt sich deshalb, wenn wir uns dazu ein paar Gedanken machen. So erkennen wir dann schnell, dass die automatische Kupplung nicht nur Vorteile bietet.

Wenn wir schnell die Vorteile der automatischen Kupplung ansehen, stellen wir schnell fest, dass sich diese bei der Zugkraft und bei den Unfällen deutlich zeigen. Diese Vorteile sind zum Beispiel der Grund, warum in den USA die Umstellung sehr früh erfolgte, denn so konnten die Unfallzahlen deutlich reduziert werden. Das hätte eine ähnliche Lösung auch in Europa ermöglicht. Gescheitert ist die schnelle Umstellung jedoch bei den zerstrittenen Bahngesellschaften von damals.

Die Nachteile der automatischen Kupplung können nicht verschwiegen werden. So kostet sie mehr und ist schwerer, als die Schraubenkupplung nach UIC. Das führt dazu, dass viele Bahngesellschaften grundsätzlich gegen jede Form der automatischen Kupplung sind. Hinzu kommt, dass es viele Systeme gibt, so dass eine freizügige Verwendung der Fahrzeuge nahezu ausgeschlossen wird. Doch damit haben wir auch hier gute Argumente. Schauen wir uns deshalb ein paar Punkte genauer an.

Wenn wir jedoch ehrlich sind, ist jetzt ein guter Zeitpunkt um sich an eine Umstellung zu machen. Die Bahnen in Europa trennten sich auf und so gab es Unternehmen im Güterverkehr und solche im Personenverkehr. Immer weniger Lokomotiven oder Wagen werden zwischen den Teilbereichen verschoben, so dass sich eine automatische Kupplung für den Güterverkehr entwickeln könnte. Die Kompatibilität mit dem Personenverkehr würde nebensächlich.

Lösungen für eine möglichst gute und problemlose Umstellung bot die Z-AK. Nach intensiven Versuchen, war es aber auch um die Z-AK geschehen und sie wurde wieder ausgebaut. War Europa wirklich nicht zu einer automatischen Kupplung fähig? Diese bot doch sehr viele Vorteile bei der Zugkraft. Daher wollen wir uns die Vergleiche bei der Zugkraft einmal ansehen. Wenn wir objektiv sein wollen, müssen wir gut informiert sein. Dabei verwende ich die C-AKv. Einfach als Muster für eine automatische Kupplung.

 

Zugkraftvergleich

Ich will hier nicht eine automatische Kupplung gegen einander Ausspielen. Vielmehr geht es bei diesem Vergleich um die automatische Kupplung im Vergleich mit der Schraubenkupplung nach UIC. Doch beginnen wir doch mit der Betrachtung dieser Unterschiede. Als Muster für die automatische Kupplung, verwende ich das Modell C-AKv, das über eine Gemischtkupplung verfügt und so realistisch gesehen eingeführt werden könnte.

Die befürchteten Probleme während der Umstellung können mit der bei dieser Kupplung vorhandenen Gemischtkupplung gelöst werden. Die anfänglich noch benötigten Puffer können nach der Umstellung entfernt werden, so dass das Gewicht für die Kupplung wieder in etwa den Werten von Schraubenkupplung und Puffer entsprechen würde. Hinzu kommt, dass man kompatible Systeme nach Osten hätte.

Dank der automatischen Kupplung können schwerere Züge gebildet werden. Gerade auf Strecken mit hohem Verkehrsaufkommen und grossen Steigungen sicherlich ein gewichtiger Vorteil, denn so könnte statt zwei Züge nur einer verkehren. Wenn ich eine solche Strecke suchen müsste, würde ich sie bei der Gotthardstrecke finden. Diese steile Strecke hat ein sehr hohes Verkehrsaufkommen und ist daher ideal für den Vergleich mit der Schraubenkupplung nach UIC.

Die Schraubenkupplung nach UIC gibt uns hier die Vergleichsdaten vor. Man könnte sagen, es handelt sich um den Ist-Zustand. Die maximale Zugkraft von 550 kN reicht auf den Steilstrecken des Gotthards für Züge bis 1‘400 Tonnen Anhängelast.

Da die Bruchlast von 850 kN noch nicht erreicht wurde, können schwerere Züge geführt werden. Jedoch wäre eine Beschleunigung kaum mehr möglich. Daher liegen wir bei 550 kN nicht zu hoch.

Die übertragbaren Zugkräfte bei der C-AKv betragen 1‘000 kN. So gesehen, ist das nur eine knappe Steigerung. In Zahlen am Gotthard würde das ungefähr für Züge bis 2‘500 Tonnen ausreichen.

Daher hätte man hier eine massive Steigerung bei der Zugkraft. Schliesslich haben heutige Züge am Gotthard kaum höhere Gewichte als 1‘700 Tonnen. Doch können diese Züge heute nur mit Hilfe von Schiebelokomotiven geführt werden. Daher blicken wir nun auf die Schubkräfte.

Die durch die Puffer beschränkten Kräfte liegen bei den Strecken der Gotthardbahn bei 110kN. Das reicht dazu aus, dass 300 Tonnen geschoben werden können.

So ergeben sich dann maximale Gewichte von 1‘700 Tonnen für die Steigungen am Gotthard. Die C-AKv würde solche Lokomotiven erübrigen. Wichtiger wird jedoch die Talfahrt, denn dort gelten für die Schraubenkupplung mit den Puffern, ebenfalls die 110 kN. 

So gesehen können heute mit den Nutzstrombremsen der Lokomotiven nur 300 Tonnen zurückgehalten werden. Da die C-AKv über eine Druckkraft von 2‘000 kN verfügt, liegt dieser Wert sogar über der möglichen Zugkraft. Der ganze Zug könnte mit der Nutzstrombremse der Lokomotive zurück gehalten werden. Sie sehen, wenn man so klar rechnet, ergeben sich gigantische Werte, die praktisch jedoch nie erreicht werden würden. Denn die Puffer und die Kupplung sind nur ein Teil der Rechnung.

Gerade die Schubkraft an den Puffern liegt eigentlich bei 240 kN. Dieser Wert musste am Gotthard auf 110 kN reduziert werden, weil es bei den Wagen Probleme mit den Achslasten gab. Man bewegte sich sehr nahe an Entgleisungen. Gerade diese Kräfte lassen sich jedoch mit der C-AKv nicht reduzieren, so dass ein grosser Teil der möglichen Schubkraft nutzlos würde. Man würde auf der Talfahrt somit nicht viel erreichen.

Wie sich die grösseren Zugkräfte in den engen Kurven auf die Führungskräfte der Wagen auswirken, kann man nicht vergleichen, denn die Schraubenkupplung macht das nicht mit. Hier bietet sich jedoch ein Vergleich auf der Modellbahn. Dort können lange und schwere Züge in extrem engen Kurven verkehren. Hat man nach den Lokomotiven leichte Wagen eingereiht, kippen diese in den engen Kurven zur Innenseite. Mit solchen Gefahren müsste man eventuell auch bei der C-AKv rechnen.

Wir kommen daher von diesen gigantischen Werten weg. Züge mit 1‘700 Tonnen Anhängelast könnten jedoch mit der C-AKv ohne Schiebelokomotive verkehren. Man könnte die Personalkosten reduzieren. Eine viel grössere Produktivität scheitert jedoch an den Führungskräften der Räder. So gesehen bietet die C-AKv keine grossen Vorteile auf engen steilen Strecken, wo man solche Zug- und Stosskräfte gebrauchen könnte.

Ein Nachteil, den die Bahnen aber ins Feld schickten, sind die Kosten und das Gewicht. Automatische Kupplungen sind viel teurer als herkömmliche Kupplungen, denn die sind hier wirklich unschlagbar. Das ist bei modernen Bahngesellschaften, die auf jeden kleinsten Betrag achten müssen, sicherlich ein gewichtiges Argument. Man kann sich mittlerweile kaum mehr zusätzliche Kosten für die Umrüstung auf neue Kupplungssysteme leisten. Zumal wir wissen, dass die Produktivität kaum gesteigert werden würde.

Wenn wir schon bei den Kosten sind, dann muss man erwähnen, dass viele Bahnen das Rangierpersonal abgebaut haben und die Aufgaben dem Lokomotivpersonal übertrugen. Dadurch konnten die Kosten beim Personal reduziert werden. Aber genau hier liegt das Problem, denn mit der automatischen Kupplung könnte auch dieses wieder vermehrt auf den Lokomotiven eingesetzt werden, da der Zug schneller entkuppelt ist.

Waren es vor Jahren noch die wenigen Staatsbahnen, die sich bei der Umstellung weigerten, kommen heute immer mehr EVU auf den Markt. Diese sind oft so klein, dass die Lokomotiven gemietet werden müssen. Hier Geld für eine Umrüstaktion zu bekommen, scheitert schon bevor sie begonnen hat, denn diese Unternehmen haben absolut kein Interesse an automatischen Kupplungen. Die Schraubenkupplung reicht diesen Unternehmen daher nur schon finanziell.

Sie sehen, man kann viele Argumente ins Rennen um die automatische Kupplung werfen. Dabei vergisst man aber häufig, dass gerade automatische Kupplungen gigantische Züge ermöglichen und so noch mehr Kosten gespart werden könnten. So gerechnet würde sich wohl eine automatische Kupplung schnell rentieren. Nur, in vielen Ländern gelten Arbeitskräfte als billig und so wird es dort kaum eine Umstellung geben.

 

Systemvergleich

Nun wollen wir einen Systemvergleich anstellen. Auch jetzt kommen wieder die automatischen Kupplungen im Vergleich zur Schraubenkupplung zum Einsatz. Dabei haben wir gleich einen ersten Nachteil der automatischen Kupplungen kennen gelernt, denn es gibt viele unterschiedliche Systeme, die in den seltensten Fällen kombiniert werden könnten. Dabei ist hier die Schraubenkupplung wesentlich im Vorteil, denn die passt immer.

Es ist unmöglich die Kupplungen von Schwab und Scharfenberg zu kombinieren. Noch schlimmer sähe das bei einer C-AKv aus. Doch gerade das muss mit einer automatischen Kupplung möglich sein, die generell eingeführt werden soll. Da darf es zwischen den einzelnen Herstellern keinen Unterschied geben. Die Kupplung muss identisch sein und kombiniert werden können. Davon sind aber die vielen, heute mit automatischen Kupplungen versehenen Fahrzeuge, meilenweit entfernt.

Diese mechanische Verbindung wird dann oft mit den Luftleitungen ergänzt. Diese bestehen meist aus zwei getrennten Leitungen und sollten dicht gekuppelt werden. Deshalb sind genaue Zentrierungen der Köpfe dringend nötig. In vielen Fällen wird die Leitung nach dem Kuppeln automatisch geöffnet. Es gibt aber auch Modelle, bei denen die Luftleitung manuell geöffnet werden muss. Ein Problem, das gelöst werden müsste.

Optional können diese Kupplungen auch mit elektrischen Kontakten versehen sein. So werden über die automatische Kupplung spezielle Signale übertragen, die zur Vielfachsteuerung genutzt werden. Die elektrische Heizleitung wird hingegen nicht über die automatische Kupplung geleitet, da die hier vorhandenen Spannungen und Ströme sehr hoch sind. So verhindern die automatischen Kupplungen das Kuppeln der Heizleitung nicht. Was bei mit Lokomotiven bespannten Zügen ein Nachteil ist.

All diese Probleme gibt es bei der UIC-Schraubenkupplung nicht, denn diese kuppelt man mit genormten Teilen. Doch gerade hier hat die Schraubenkupplung einen Nachteil, der für die automatische Kupplung spricht. Der Bereich zwischen den Puffern ist gefährlich. Hier kommt es oft zu besonders schweren Unfällen, denn wer nicht aufpasst, könnte zwischen die Puffer geraten. Die Folgen sind schwerste Verletzungen.

Die automatische Kupplung verhindert viele schwere Unfälle im Rangierdienst. Die Personen, welche die Wagen verbinden müssen, können sich ausserhalb der gefährlichen Zone aufhalten und geraten so weniger in Gefahr zwischen die Puffer zu geraten. Die Unfallzahlen können also mit einer automatischen Kupplung massiv reduziert werden. Zudem wären es die schweren Unfälle, die verhindert werden könnten. Erfahrungen diesbezüglich gibt es aus den USA.

Andererseits haben wir aber erfahren, dass auch automatische Kupplungen nicht ohne jeden Zweifel sind. Hier muss man sicherlich erwähnen, dass es kaum je möglich sein wird, dass alle Fahrzeuge mit der gleichen Kupplung ausgerüstet werden. Gerade die Triebzüge stellen komplett andere Anforderungen, als die schweren Güterzüge. Eine gute Kombination dieser Kupplungen ist noch nicht serienreif und wird noch Jahre auf sich warten lassen.

Im Gegensatz zu den Schraubenkupplungen müssten Züge mit automatischen Kupplungen zumindest während der Umstellung noch locker gekuppelt werden. Das ergibt innerhalb des Zuges Zerrungen. Diese zeigen sich in ruckartigen Bewegungen und so in einem für europäische Normen ungemütlichen Verlauf der Fahrt. Hier sind die straff gekuppelten Züge mit Schraubenkupplung deutlich im Vorteil. Diese Werte erreichen automatische Kupplungen nie.

Aber gerade die Schraubenkupplung hat grosse Probleme. Die Arbeit damit ist gefährlich, sie lässt nur geringe Zugkräfte zu und die Puffer sind zu schwach um auch hohe Stosskräfte zu beherrschen. Nur ist gerade hier der grösste Vorteil der automatischen Kupplung zu finden. Die viel höheren Zug- und Stosskräfte könnten sich im Gebirge schnell bezahlt machen, da kaum mehr Schiebeleistungen benötigt werden.

Es ist deshalb sicherlich angebracht, sich ein paar Gedanken über Sinn und Zweck zu machen. Diese weiteren Gedanken überlasse ich aber nun Ihnen, denn jeder, der sich damit auseinander setzt wird feststellen. Ja und Nein, kann man so nicht sagen, denn es ist immer ein aber beizufügen. Ein goldenes Ei sind auch die automatischen Kupplungen nicht. Deutlich besser als ein über 100 Jahre altes System, das immer noch verwendet wird, kann eine automatische Kupplung aber immer noch sein.

 

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