Entwicklung und Beschaffung

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Bei der ersten Beschaffung ging das Unternehmen in Meyrin schlicht leer aus. Die Gründe dafür waren vielfältig, denn von der Grösse her, wäre es dem Unternehmen nicht möglich gewesen einen solchen Auftrag zu stemmen. Der Besteller verlangte extrem kurze Lieferfristen und um diese zu halten, war damals sehr viel Personal erforderlich. Aus diesem Grund musste das Unternehmen am Genfersee zuerst grösser werden.

Zudem fehlte der Werkstatt schlicht das erforderliche Wissen mit Wechsel-strom. Bisher hatte man sich auf Gleichstrom konzentriert. Hinzu kam auch, dass sowohl die MFO, als auch die BBC, bei der BLS-Gruppe bereits erfolgreich war.

Es waren daher für die ersten Maschinen erfahrene Hersteller ausgesucht worden. Ein Punkt, der zwingend war, wollte man so schnell wie möglich mit elektrischen Lokomotiven arbeiten.

In Meyrin hatte man schon beim Bau von elektrischen Anlagen für mit Gleichstrom betriebene Bahnen gesammelt. Man war also nicht unerfahren und wusste mit der neuen Technologie umzugehen.

Daher war klar, dass man bei den Fahrzeugen für Wechselstrom auf diesem Wissen aufbauen konnte. Trotzdem, so leicht das klingen mag, der Schritt in diesen neuen Bereich der Elektrotechnik war mit sehr vielen Stolpersteinen versehen.

Die Grundtypen kamen zwar aus Oerlikon und Münchenstein, aber das sollte nicht bedeuten, dass nicht auch Lokomotiven aus Meyrin zu den Schweiz-erischen Bundesbahnen SBB kommen sollten. Ausser ein paar Ideen hatte man in der westlichsten Ecke der Schweiz noch nicht viel in der Hand. Trotzdem nahm man mit den Staatsbahnen in Bern Kontakt auf und bot sich als Lieferant für neue elektrische Lokomotiven an.

Die Begeisterung bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB war wohl geteilt um nicht zu sagen, abneigend. Nach den Jahren mit vielen unterschiedlichen Baureihen bei den Dampflokomotiven, wollte man bei den neuen elektrischen Lokomotiven einheitlicher werden. Dabei wollte man sich eigentlich auf einen Typ für Schnellzüge und eine Bauart für Güterzüge beschränken. Zwei unterschiedliche Lokomotiven reichten aus.

Das erleichterte den Unterhalt und senkte so auch den Aufwand bei der Lagerung der Ersatzteile.

Andererseits war abzusehen, dass die MFO und die BBC nicht in der Lage sein würden, die Lokomotiven in genügender Zahl rechtzeitig bereit zu stellen.

Das war bei den zu erwar-tenden Problemen beim ge-mischten Betrieb nicht von Vor-teil. Eine breiter abgestützte Lieferung sollte erlauben, das Tempo bei der Elektrifikation hoch zu halten.

So beschloss man in Bern auf das Angebot aus Genève einzugehen und schickte das leicht angepasste Pflichtenheft der Lokomotive Fb 2x 2/3 (Be 4/6) nach Meyrin. Man war in Genève also dem Ziel schon sehr nahe, man konnte Lokomotiven an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB liefern und man war bei einer der ersten Bestellungen dabei, was ein guter Start war. Eher für den Stolz war, dass man eine Maschine für Reisezüge bauen konnte.

Grundsätzlich stand in diesem Pflichtenheft nicht viel, was wir nicht schon vom Modell der BBC her kennen würden. Die Lokomotive sollte ebenfalls vier Triebachsen erhalten und über eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h verfügen. Man kann erkennen, dass die Schweizerischen Bundesbahnen SBB in diesem Punkt für die Schnellzüge maximal 75 km/h vorsahen. Eine damals für den Gotthard durchaus angemessene Geschwindigkeit.

Ans Flachland dachte man bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB noch nicht. Auf den Steigungen wurde jedoch wesentlich langsamer gefahren. Sollte dann das Flachland ebenfalls mit einer Fahrleitung versehen werden, müsste man sich so oder so um neue Entwicklungen bemühen, denn nur so konnte man von den Fortschritten profitieren. Mit drei Herstellern im Land für den elektrischen Teil konnte auch ein Wettbewerb entstehen.

Bei der Wahl der vorhandenen Leist-ung waren auch für diese Lokomo-tiven die Vorgaben der Baureihe Fb 2x 2/3 zu erfüllen. Das bedeutete, dass auf 26‰ Steigung eine Anhängelast von 300 Tonnen mit 50 km/h zu befördern war.

Die Beschleunigung auf diese Ge-schwindigkeit hatte innerhalb von vier Minuten zu erfolgen. Auch die enorme Tagesleistung des Musters mit 1 360 km innerhalb von 24 Stunden galt auch für die Lokomotive aus Meyrin.

Waren diese Vorgaben für erfahrende Firmen, wie die MFO schon recht schwer zu verwirklichen. Galt das erst recht für eine neu in diesem Bereich arbeitende Firma.

Man hatte ja keine Erfahrungen und auch die notwendigen Testfahrten, konnte man nicht im Bereich des Werksgeländes durchführen, denn es gab keine passende Strecke.

Gut, hier hatte die BBC sicherlich mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Trotzdem waren bei der SAAS noch sprachliche Probleme zu lösen.

Sie fragen sich vielleicht, was sprachliche Probleme für eine Ursachen haben können. So werden die Anweisungen des Herstellers in französischer Sprache geschrieben. Die neue Maschine kam jedoch in eine Gegend, wo Deutsch und Italienisch gesprochen wurde. Daher kamen die Rückmeldungen von dort in einer dieser Sprache. Es musste daher jedes Dokument übersetzt werden und das war nicht leicht, weil Leute, die alle drei Sprachen beherrschten, damals selten waren.

In den Büros in Meyrin wurde nun gerechnet und gezeichnet, was man nur konnte, denn die Zeit drängte und man wollte den Fortschritt, der BBC und der MFO, die schon am bauen waren, einholen und nach Möglichkeit noch gleichziehen. Zudem mussten auch die Unterlagen erstellt werden, was hier zusätzlich bedeutete, dass diese in Deutsch erstellt werden mussten, denn dort, wo die Lokomotiven eingesetzt wurden, sprach kaum jemand Französisch.

Als Vorteil erachtete man in Meyrin den neuartigen Antrieb, den man aus den USA bezog und deren Rechte man sich für die Schweiz sichern konnte. Dieser in der Schweiz als Westinghouseantrieb bezeichnete Antrieb ist an anderen Orten eher unter dem Namen Federtopfantrieb bekannt geworden.

Somit fiel hier die Wahl auf eine Lokomotive mit Einzelachsantrieb. Solche Antriebe gab es bisher bei Triebwagen mit geringen Leistungen, jedoch nicht bei Lokomotiven.

Noch ahnte man vermutlich bei der SAAS nicht, wie weit man in Meyrin der Zeit voraus war, denn die von den anderen Herstellern bevorzugten Stan-genantriebe aus der Zeit der Dampflokomotiven waren altertümlich und passten nicht so recht zu den modernen elektrischen Lokomotiven.

Zudem zeigte die Baureihe Fb 5/7 der BLS-Gruppe, dass auch beim bewährten Stangenantrieb mit sehr grossen Problemen zu rechnen war.

Die deutlich höheren Leistungen der elektrischen Lokomotiven konnte man mit den Triebwerken nicht mehr beherrschen. Aus diesem Grund entschieden sich die anderen Hersteller für die Lösung mit zwei Drehgestellen.

Durch die Wahl des neuartigen Antriebs konnte man in der Westschweiz je-doch etwas erreichen, was der Lokomotive einen Vorteil gegenüber den anderen Maschinen bringen sollte. Nur noch bestand das Modell erst auf dem Papier.

Die Höchstgeschwindigkeit wurde auch bei dieser Lokomotive auf 75 km/h festgelegt, hätte aber auch deutlich höher angesetzt werden können. Damit war die Maschine theoretisch die schnellste aller Lokomotiven dieser ersten Generation. So unbedeutend das sein mag, es war gemäss den Ver-antwortlichen in Meyrin, ein wichtiger Punkt. Dass man diesen natürlich besonders hervorheben wollte, versteht sich von selber.

Einfach war das Pflichtenheft jedoch nicht. Die hohen Zugkräfte, die ausdauernde Fahrt mit hohen Kräften und nicht zu letzt die Beschleunigung mit diesen Lasten waren für einen jungen Hersteller in Meyrin eine Herausforderung. Doch, man muss wissen, bei der SAAS waren kluge und sehr gute Köpfe am Werk und so sah man sich dem Problem gewachsen. Die Lösung war dann so überraschend, dass selbst die wenigen Fachleute staunten.

Zuerst war die Lokomotive aus Genf nicht komplett anders aufgebaut, als jene aus den anderen Orten, man hatte nur einen anderen Antrieb und diesen nutzte man. Dabei war man in Genf durchaus weiter, als an den anderen Orten, denn die Lokomotive hatte eine Leistung von nahezu 500 kW pro Achse. Klar, dieser Wert wurde nur kurze Zeit übertroffen, aber jetzt war man damit vor der Konkurrenz aus Münchenstein.

Ja, man war sogar nahezu auf gleicher Höhe, wie die Güterzugslokomotive Fc 2x 3/4 aus Oerlikon. Einziger Nachteil, den man dabei in Kauf nehmen musste, war die Tatsache, dass die Lokomotive für vier Triebachsen mit zwei Laufachsen analog der Reihe Fb 2x 2/3 schlicht zu schwer wurde. Mit 111 Tonnen lag die durchschnittliche Achslast somit bei stolzen 18.5 Tonnen. Für die Gotthardstrecke war das schlicht zu viel des Guten.

Man hatte also ein Problem zu lösen, denn hier durfte man die Vorgaben nicht überschreiten. Das waren Vorgaben der Strecke und die musste man einhalten, wollte man die Lokomotiven gebrauchen. Damit man die erlaubten Achslasten einhalten konnte, musste man sich also mit einer zusätzlichen Laufachse behelfen. Diese zusätzliche Laufachse setzte man um die Achslasten besser zu verteilen in die Mitte der Lokomotive.

Somit ergab das für die Lokomotive eine geänderte und eher komisch anmutende Achsfolge von 1'Bo1') (Bo1'). Daher sollte die neue Lokomotive aus Meyrin mit der Bezeichnung Fb 2/4 + 2/3 wirklich schwer zu verstehen sein.

Es kann jedoch erwähnt werden, dass diese Lokomotiven nie so bezeichnet werden sollten. Es waren die ersten Modelle, die mit der neu eingeführten Bezeichnung Be 4/7 ausgeliefert werden sollten.

Der mechanische Teil sollte auch hier die SLM aus Winterthur liefern. Somit stammte dieser Bereich bei sämtlichen elektrischen Lokomotiven für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB aus Winterthur. Keiner der drei Elektriker sollte sich dem mechanischen Teil annehmen. Zumindest bei den Lokomotiven für die Staatsbahn stammte dieser Teil aus Winterthur. Der erste Grundstein für die vier grossen Lokomotivbauer in der Schweiz wurde nun gelegt.

Die Lokomotive war so weit entwickelt worden und man konnte die Pläne den Schweizerischen Bundesbahnen SBB in Bern präsentieren. Jetzt fehlte nur noch die Bestellung. Diese erfolgte noch im Jahre 1918 für vorerst sechs Maschinen. Jedoch wurden gleichzeitig mit der zweiten Serie auch weitere Lokomotiven Be 4/6 aus Münchenstein beschafft. Die SAAS sollte daher immer die zweite Geige spielen, die Hauptlast trug bereits die BBC.

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB reihten diese Lokomotiven von den Nummern her analog den anderen Maschinen ein. Dabei war klar, dass die Reihe Be 4/7 in der Nummerngruppe 12 000 angesiedelt werden würden. Auch wenn im Lauf der Jahre neue Nummern bestimmt wurden, die Lokomotiven hatten in der ganzen Zeit immer die Nummern 12 501 bis 12 506 behalten. Trotzdem die Reihe Be 4/7 war eine der bekannten Schnellzugslokomotiven.

Man war in Meyrin also an einem wichtigen Ziel angelangt, der erhoffte Auftrag der Schweizerischen Bundesbahnen SBB war da. Noch hoffte man, dass die Bestellung erweitert würde, denn schliesslich begann man bei der Baureihe Be 4/6 auch mit zehn Lokomotiven.

Die Maschine musste einfach überzeugen und dann würde das schon noch klappen. Letztlich folgte jedoch keine Anschluss-bestellung mehr, so dass es bei diesen sechs Modellen blieb.

Dabei war die Lokomotive, wie wir noch erfahren werden nicht so schlecht, wie man nun meinen könnte.

Das Problem der Maschine war, dass mit der Bestellung dieser Lokomotive auch ein spez-ieller Versuchsträger der Reihe Ae 4/8 be-stellt wurde. Dort wurden neuartige Einzel-achsantriebe getestet und so galt der Westinghouseantrieb der SAAS schon bald als veraltet. Dies obwohl die SAAS später noch einen neuen Versuch mit diesem Antrieb wagte.

Gerade hier zeigt sich deutlich, wie rasend schnell sich hier die Technik in jener Zeit entwickelte. Galt die Baureihe Be 4/7 mit ihrem Einzelachsantrieb im Jahre 1918 noch als fortschrittlich, war das nur drei Jahre später anders und die Entwicklung aus Meyrin galt bereits wieder als veraltet. Dazu beigetragen hatte sicherlich der geniale Konstrukteur Buchli, der den Lokomotivbau in der Schweiz nachhaltig verändern sollte.

Trotzdem gehörte die Reihe Be 4/7 der SAAS zu den ersten elektrischen Lokomotiven am Gotthard. Auch sie trugen dazu bei, dass die alten Dampflokomotiven in der Schweiz das Nachsehen hatten. Das Problem war eigentlich nur, dass sie von Beginn weg im Schatten der etwas eher abgelieferten Baureihen Be 4/6 und Ce 6/8 II stand. Zudem wurde sie schnell vom Gotthard abgezogen und anschliessend in die Westschweiz verschoben.

Daher fehlte in vielen Köpfen die Baureihe Be 4/7 bei den Gotthardlokomotiven. Nur, es war eine und es gab Leute, die der Lokomotive sogar Vorteile zusprachen. Nur eben, am Gotthard war sie sehr schnell weg. Hier soll dieser Fehler nun nicht gemacht werden. Ich behandle die dritte und letzte der ersten elektrischen Lokomotiven für den Gotthard ebenbürtig. Beginnen wir die Betrachtung mit dem mechanischen Teil.

 

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