Persönliche Erfahrungen mit den RBe 540

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Wenn man in den frühen 80er Jahren an einer Nebenlinie aufgewachsen ist, hatte man von RBe 4/4 nicht die grosse Ahnung. Noch gehörte die Bahnlinie vor meiner Haustüre zum Einsatzgebiet der BDe 4/4 und Ae 3/6 I. Doch auch die Reise in die benachbarte Hauptstadt offenbarte kaum RBe 4/4. Dort verkehrten Re 4/4 II mit Kompositionen, aber fast keine Pendelzüge mit RBe 4/4. Nur, man blieb ja nicht immer zu Hause und dann sah man immer wieder einen RBe 4/4, der einen Zug schob oder zog.

Mit dem Beginn der Ausbildung zum Lokführer änderte das eigentlich auch nicht gross, denn am Gotthard waren Re 4/4 I mit ihren Pendelzügen im Einsatz. Trotzdem, das Reglement mit der Nummer 431.14 wurde zusammen mit vielen anderen blauen Büchern gefasst. Der Titel war klar: Elektrische Triebwagen RBe 4/4 1401 – 1482. Der Inhalt auch, denn hier standen die Angaben, die ein Lokführer kennen musste.

Damit hatte es sich eigentlich auch schon. Als die Triebfahrzeuge geschult wurden, ging es nie um den RBe 4/4, da war die Re 4/4 II, die sich als Re 4/4 III entpuppte und die Re 6/6, jedoch kein RBe 4/4. Diesen mussten wir aus eigenen Stücken lernen und beherrschen lernen, denn eine Instruktion war nicht vorgesehen. Das war so gesehen schon eine Herausforderung für die angehenden Lokführer. Nur warum war das so vorgesehen? Ganz einfach, wer wusste, wie eine Re 4/4 II funktionierte, musste auf dem RBe 4/4 nur noch nachsehen, wo er die entsprechenden Teile fand.

So lasen wir in dem Reglement, was wo und wie zu finden ist. Schön wäre da jedoch ein praktisches Modell im Massstab 1 : 1 gewesen. Dort hätte man Tore öffnen können und hätte dann gesehen, die Angaben im blauen Buch stimmen und der Heizhüpfer kann nur von aussen kontrolliert werden. So musste das theoretisch verinnerlicht werden. Die praktische Möglichkeit fehlte, man hoffte nur, dass man diese Aktion nie vor Kunden machen muss.

Die RBe 4/4, die nun auch am Gotthard eingesetzt wurden, hatten in Erstfeld kaum ein Stilllager, wo man sich um die Technik kümmern konnte. War dann trotzdem einer da, musste man sich mit den Kollegen arrangieren, denn man war nicht allein, der praktisch einen Heizhüpfer suchte. So endete die Ausbildung am RBe 4/4 mit einem etwas flauen Gefühl im Magen. Aber wir waren jung und da kommt schon alles gut.

Etwas leichtsinnig mag das wirken, das gebe ich zu, aber so ging man ans Werk. Man wusste theoretisch, wo der Heizhüpfer war und wo ein Trennhüpfer spinnen konnte. Man kannte jede Ecke des Triebwagens. Nur praktisch gesehen hatte man das noch nie. Aber nach Jahren mit diversen Fahrten auf dem RBe 4/4 kann ich Ihnen versichern, es kam gut, denn auch nach 20 Jahren musste ich keinen Heizhüpfer suchen.

Es kam schliesslich kurz vor Ende der Ausbildung die Begleitfahrt mit dem Oberlokführer. Damals durchaus eine Angst einflössende Personen, konnte sie doch über sein oder nicht sein entscheiden. Mit dieser Fahrt wollte er sehen, ob wir bereit für die Prüfung sind. Dazu wählte er sein eigenes Programm. So konnte er schon vor der Prüfung erkennen, ob man einen bestimmten Fahrzeugtyp beherrschte und ob man eine Strecke kannte. Die Prüfung konnte dann auf anderen Strecken stattfinden.

Das führte dazu, dass ich an diesem Tag einen doppelten RBe 4/4 Pendel von Zürich über Affoltern nach Zug führen durfte. Erfahrung damit, Denkste, die hatte ich natürlich nicht, denn bei den Schulungen der Strecke und der Züge, hatte ich immer nur einen einzelnen Zug. Nur, ob ein oder zwei RBe 4/4 konnte ja nicht so schlimm sein. Der Zug ist einfach etwas länger, aber Beschleunigung und Verzögerung änderte sich sicherlich nicht gross.

Die Fahrt erfolgte dann schon mit einem etwas erhöhten Puls. Der Chef sitzt daneben, der Zug ist so konfiguriert, dass man ihn noch nie in den Fingern hatte und die Strecke kannte man mehr schlecht als Recht. Wunderbare Voraussetzung um zu versagen. Zu allem Elend, hatte ich noch einen Zugsassistent erwischt, der es mit den Abfahrzeiten nicht so genau nahm und immer wieder zu früh abfertigte. Ich durfte dann bei leuchtendem Abfahrbefehl warten und dem Chef erklären, dass es halt noch nicht Zeit ist.

Die Fahrt war gelungen, wenn auch nicht optimal. Die Prüfung stand an. Natürlich durfte nun der RBe 4/4 nicht fehlen. Mit dem kurzen Regionalzug von Luzern nach Erstfeld hatte ich weniger Mühe, ich kannte die Strecke gut und der Prototyp schüttelte und rüttelte am anderen Ende des Zugs. Zudem im Steuerwagen konnten keine blöden Gaffer ihre Kommentare im Rücken absetzen. Nur, der Chef kontrollierte natürlich genaustens, ob ich den Zug im Griff habe.

Mit der erfolgreichen Prüfung kamen dann die Regionalzüge. Diese fuhr ich immer wieder und kam so mit den RBe 4/4 nach Göschenen und Luzern. Dabei waren es meistens die Prototypen, die aus dem Seetal kamen und am Gotthard die Batterien aufluden. Ergänzt wurden sie mit einem endlos langen DZt Steuerwagen, der zu einem Dt umbenannt wurde. An der Länge von fast 26 Metern änderte das natürlich nicht. Die Leute schauten dabei nicht schlecht, wenn sie vor dem Packwagen warteten.

In Göschenen fand dann der Wechsel der Fahrrichtung statt, denn ein RBe 4/4 im Tessin, war unvorstellbar. Nur war da nicht einmal die Idee. Genau die Idee vor der Ablieferung, die aber auch 1993 nicht umgesetzt wurde. Ein RBe 4/4 im Tessin gab es wohl bis dahin noch nie. Für die Talfahrt setzte ich mich in den Triebwagen, der etwas enger war als der Steuerwagen. Der Grund war simpel, beim Steuerwagen hatte man die Türe und den Durchgang entfernt, da gab zumindest optisch mehr Platz.

Meistens, kurz bevor es mit der Fahrt den Gotthard runter losging, füllten sich der Zug und so der Triebwagen. Der Zug musste kräftig gefüllt sein und die Frequenzen mit Reisenden gigantisch, denn die Leute mussten sogar immer wieder auf der Plattform hinter mir stehen. Natürlich war der Zug halbleer um nicht zu sagen leer. Die Leute wollten nur etwas vom Hauch des Gotthards einatmen. Es gab ja sogar spezielle Führer, die solche Züge aufgelistet hatten.

Sie konnten von der Plattform aus durch die vorhandenen Glasscheiben die Arbeit des Lokführers beobachten und daher gingen sie nicht ins Abteil. Klar die Leute wollten die Nordrampe bewundern und nicht mich kontrollieren. Dumm für sie War meistens die Fahrt, wenn einer einen dummen Kommentar abgab. Dank dem, das die Trennscheibe nicht bis oben reichte, hörte der Lokführer jedes Wort. Die Kommentare blieben dann meist nicht ohne bissige Bemerkung.

Gewisse Lokführer, so auch ich, erlaubten den Zuschauern sogar auf der Bank daneben Platz zu nehmen. Sie waren dann friedlicher und es gab keine Kommentare zu hören. Ein Anrecht darauf bestand aber nicht, da die Sitzbank eigentlich für die Führergehilfen gedacht war und auch so genutzt wurde. Wer höflich fragte, wurde eher herein gelassen, als jener, der es fast verlangte. Lokführer waren auch nur Menschen und hier konnten sie sich so richtig durchsetzen.

Nur, die Türe wurde, wenn die Reisenden nach vorne gebeten wurden, wieder zur Plattform geschlossen. In der engen Kabine abgeschottet arbeiten, wollte ich auch wieder nicht. Wäre dann mein Pech gewesen, wenn einer das Messer gezückt, und den Zug entführt hätte. Die Leute hatten ihr Erlebnis und ich glücklich Kunden, auch wenn der RBe 4/4 beim Bremsen gerne schüttelte und rüttelte. Man konnte machen, was man wollte, es war ihm einfach nicht auszutreiben.

Im Gegensatz zu den Re 4/4 I waren die Triebwagen angenehm zu bedienen. Einzig das Schütteln der Fahrzeuge vor dem Halt warf kein gutes Licht auf die Lokführer. Jedoch konnten sie beim besten Willen dagegen nichts machen. Abschätzige und leider zu selten positive Kommentare wurden im Führerstand gehört und eine Reaktion liess meistens nicht lange auf sich warten. Erst die Thyristor-Lastschalter der RBe 540 brachten eine Verbesserung der Situation.

Eine Entgleisung mit grossem Schaden in Wassen, brachte die Fahrzeugstellung am Gotthard richtig durcheinander. Die Züge waren entweder im Tessin gefangen oder standen durch Umstellungen irgendwo, nur nicht dort wo sie sollten. So kam es, dass ein Dispozug von Zürich nach Erstfeld eingesetzt wurde. Die Beschleunigung mit diesem Zug war, dank zwei Triebwagen, hervorragend. Die Fahrzeit der Schnellzüge konnte problemlos eingehalten werden.

Ungewohnt war jedoch, dass im Bereich von Fahrleitungsschutzstrecken mit dem erneuten Einschalten gewartet werden musste, bis auch der zweite Triebwagen die Stelle passiert hatte. Ebenso komisch war die Tatsache, dass die Fahrgäste bei einem Schnellzug neben dem Lokführer Platz nehmen konnten. Dabei freuten sie sich wie kleine Kinder und waren glücklich über den Umstand, dass sie Lokführer spielen durften. Der Lokführer kämpfte hingegen daneben mit dem Triebwagen am Schluss und den Schutzstrecken.

Da die Regionalzüge bis Erstfeld mit RBDe 560 Triebwagen geführt wurden, blieb es nach der Einstellung des Regionalverkehrs zwischen Erstfeld und Göschenen ruhig mit den RBe 540. Die waren im Raum Zürich und dort machte ein Lokführer aus Erstfeld kaum Dispozüge. Erst ein Umbau mit Sanierung der Tunnel auf der Strecke Brunnen – Flüelen brachte einige Umstellungen. So wurde zwischen Zug und Erstfeld neben einem RBDe 560 auch ein RBe 540 eingesetzt. So kam es, dass der Triebwagen nie ganz vergessen ging. Die hohe Leistung und die Sicherheitseinrichtungen des Triebwagens führten immer wieder zu ungewollten Auslösungen der Trennhüpfer, aber was konnte man von einem Cargo-Lokführer schon erwarten.

Eine weitere neue Leistung mit RBe 540 stellte der morgendliche Regionalzug nach Zug dar, der dann dort mit dem gleichen Lokführer für einen Einschaltzug über Affoltern am Albis genutzt wurde. Bei diesen Zügen kamen aber immer wieder Re 4/4 II oder zwei RBe 540 zum Einsatz, so dass der Lokführer die Strecke, die er nicht mehr so gut kannte, erfolgreich befahren konnte. Meist brachte der Erstfelder den vorausfahrenden Re 450-Pendel ins Schwitzen.

Am Abend fuhr die Komposition dann von Zug über Arth-Goldau nach Erstfeld. Der schwere Pendelzug vermochte aber die Fahrzeiten der auf die RABe 523 (FLIRT) und RBDe 560 (NPZ) abgestimmten Fahrordnungen nicht zu halten. Das gab dann immer wieder Anlass zu Diskussionen mit dem Fahrdienstleiter. War dumm, dass wir auch mit dem 150 Meter langen RBe 540 anhalten mussten. Zudem, was konnte ich dafür, wenn die Leute nur eine Türe am Zug fanden.

Trotzdem erreichte der Zug kurz vor oder nach Mitternacht Erstfeld, wo er dann für die morgendliche Leistung abgestellt wurde und sein Nachtlager neben all den Ae 6/6, Re 6/6, Re 4/4 III und RABe 523 verbrachte. Meistens ging auch der Lokführer danach ins Bett, hatte er doch Feierabend. Im Winter natürlich erst, wenn er alle Lastschalter in einem der Schränke gefunden hatte. Glücklicherweise waren die erfahrenen Kollegen aus Zürich so gnädig und hatten die Schalter mit Kreuzen markiert.

An diesem Einsatz hatte sich bis zum Fahrplanwechsel 2007 nichts geändert. Mit dem Fahrplanwechsel entfiel das durch diese Komposition gefahrene Zugpaar auf der Strecke Zug – Affoltern am Albis – Zürich Wollishofen. Es war zu erwarten, dass der Einsatz von Cargo-Lokführern auf den RBe 540 besiegelt sein würde. Schliesslich wurde die S2 von Zug nach Erstfeld mit RABe 523 gefahren. Die langen RBe 540 Züge blieben endgültig im Raum Zürich und waren nichts mehr für die Lokführer von SBB Cargo.

Trotzdem hielten sich die RBe 540 noch hartnäckig, die bisherigen Leistungen zwischen Zug und Erstfeld blieben auch nach dem Fahrplanwechsel bestehen, jedoch wurde der Zug am Morgen auf direktem Weg von Zug nach Zürich geschickt, so dass es mit dem ersten Zug am Morgen möglich war, ohne umsteigen von Erstfeld nach Zürich HB im RBe 540 Komfort zu reisen. Den Komfort genoss auch der Lokführer von SBB Cargo. Geflucht wurde wohl nur innerlich.

Der Zug, der auch 2011 wieder verkehrte, wurde durch einen Pendelzug mit Re 4/4 II ersetzt. Die Leistungen ab Erstfeld auf RBe 540 waren scheinbar endgültig verschwunden. Nur, die RBe 540 waren zäh, denn immer wieder kam ein Pendelzug mit RBe 540 nach Erstfeld und fuhr dann am nächsten Morgen wieder nach Zürich. Neben den RABe 523 ist der Oldtimer wirklich eine Herausforderung für die jungen Lokführer. Nur, wer auf den Re 4/4 I lernte, weiss, es geht noch viel schlimmer und mühsamer. Der RBe 4/4 war für uns schon ein Traumfahrzeug.

 

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