Der Traktionsstromkreis

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Die Lokomotiven der Baureihen Re 4/4 II und Re 4/4 III wurden für einen Einsatz unter Fahrleitungen mit 15 000 Volt und 16 2/3 Hertz Wechselstrom ausgelegt. Einen Einsatz unter anderen Stromsystemen war hingegen nicht vorgesehen. Daher handelte es sich um eine einfache Einsystemmaschine. Bei der Vorstellung ist sie jedoch nicht ganz so einfach, wie man meinen könnte, denn es gab Unterschiede und das nicht nur unter den Baureihen.

Die aus der Fahrleitung bezogene Spannung von 15 000 Volt wurde über den gehobenen Stromabnehmer auf die Lokomotive übertragen. Damit hätten wir in diesem Bereich bereits die Gemeinsamkeiten der Lokomotive erfahren, denn die Maschinen hatten durchaus unterschiedliche Stromabnehmer auf dem Dach bekommen. Daher müssen wir uns die Lokomotiven getrennt ansehen und so beginne ich mit den ältesten Maschinen.

Auf den Prototypen und den Lokomotiven bis zur Nummer 11 155 wurde, wie bei der Lokomotive der Südostbahn SOB, ein einzelner Stromabnehmer aufgebaut.

Dabei wurde ein von den Maschinen der Baureihe Ae 6/6 übernommener und daher erprobter Sche-renstromabnehmer verwendet.

Wegen der kurzen Bauweise der Lokomotive war es schlicht nicht möglich zwei solche Scheren-stromabnehmer auf dem Dach zu montieren.

Es wird oft darüber spekuliert, dass die Lokomoti-ven der BLS einen Einfluss gehabt hätten. Das stimmt so nicht, denn es war schlicht nicht möglich auf einer lediglich 14 800 mm langen Lokomotive zwei Scherenstromabnehmer und die Dachausrüst-ung zu montieren.

So musste man notgedrungen auf den zweiten Bügel verzichten. Dieses Manko konnte erst eliminiert werden, als neuartige Stromabnehmer zur Verfügung standen.

Ab der Lokomotive mit der Nummer 11 156 konnte man auf neu entwickelte und erprobte Einholmpantografen zurückgreifen. Diese Stromabnehmer benötigten gegenüber den bisherigen Scherenstromabnehmer sehr viel weniger Platz auf dem Dach. Daher war es nun möglich die gewünschten zwei Stromabnehmer zu montieren. Ein Unterschied, der deutlich zu erkennen war und der dafür sorgte, dass die Zuteilung immer wieder fehlerhaft erfolgte.

Die Funktion des Einholmpantografen bestach durch den nur mit einem Hauptrohr ausgeführten unteren Holm. Im Gelenk teilte sich der Stromabnehmer in zwei Holme auf, die dann das Schleifstück trugen. Durch spezielle Stangen wurde der Stromabnehmer in seiner Form stabilisiert. Neben dem geringeren Platzbedarf war der neue Stromabnehmer insgesamt leichter. Daher blieb das Gewicht der Lokomotive trotz zwei Stromabnehmer identisch.

Bei allen Lokomotiven wurden Schleifstücke mit einer Breite von 1 450 mm verwendet. Die Wippe war dabei mit zwei Schleifleisten aus Kohle bestückt worden.

Diese Schleifleisten hatten sich auf den Maschinen der Baureihe Ae 6/6 be-währt, so dass sie nun ganzjährig verwendet werden konnten. Daher gab es hier keine unterschiedlichen Schleifstücke mehr und es wurde in der Regel immer der hintere Bügel gehoben.

Angesteuert wurden die Stromabnehmer unabhängig der Bauart mit Druckluft. Diese Druckluft bewirkte, dass die Kraft der Senkfeder aufgehoben wurde. Dadurch konnte sich die Kraft der Hubfeder entfalten und der Stromabnehmer wurde gehoben.

Das erfolgte bis zum Anschlag oder bis zum Fahrdraht der Fahrleitung. Es wurde dabei sogar noch ein Anpressdruck von sechs Kilogramm erzeugt. Bei den Lokomotiven mit zwei Einholmpantografen war im Maschinenraum ein Wählschalter vorhanden.

Wollte man den Stromabnehmer wieder senken, wurde die Druckluft im Zylinder schlagartig entlassen. Dadurch entstand kurzzeitig ein Unterdruck und das Schleifstück wurde regelrecht vom Fahrdraht weggerissen. Danach senkte sich der Stromabnehmer mit der Kraft der Senkfeder und wurde in der Tieflage gehalten. Diese Lösung hatte sich schon seit langer Zeit bewährt und wurde daher auch hier umgesetzt.

Die Fahrleitungsspannung wurde vom gehobenen Stromabnehmer über eine Dachleitung dem Hauptschalter und dem parallel dazu montierten Erdungsschalter zugeführt. Auch hier gab es auf Grund der unterschiedlichen Anzahl von Stromabnehmer leichte Unterschiede. Schliesslich muss man nur bei zwei Stromabnehmern eine Verbindung derselben einbauen. Bei einem Bügel wäre das nur unnötiges Gewicht.

Bei allen Maschinen gleich waren die vorhandenen Trennlitzen. Diese ermöglichten die Demontage eines Dachteils oder eines Stromabnehmers ohne, dass die ganze Dachleitung ausgebaut werden musste. Jedoch musste man auf das Dach steigen, wenn ein defekter Stromabnehmer abgetrennt werden musste. Wobei hier natürlich auch nur die Modelle mit zwei Stromabnehmern betroffen waren. Bei nur einem Stromabnehmer konnte nicht mehr gefahren werden.

Als Hauptschalter wurde ein Modell aus dem Hause BBC verwendet. Dieser war auf mehreren Triebfahrzeugen bereits in grosser Stückzahl im Einsatz und bewährte sich hervorragend.

Dabei handelte es sich um einen Drucklufthauptschalter des Typs DBTF. Er ermöglichte auf der Lokomotive auch die Abschaltung von hohen Kurzschluss-strömen. Der Nachteil lag bei diesem Hauptschalter in der benötigten Nieder-druckblockierung.

Das öffnen des Hauptschalters geschah in mehreren Schritten. Zuerst wurde innerhalb des Schalters ein mit Platin beschichteter Kontakt geöffnet und der dabei entstehende Lichtbogen mit Druckluft ausgeblasen.

Erst jetzt wurde das Trennmesser der Verbindung geöffnet. Der eigentliche Schaltkontakt wurde deshalb immer spannungslos ausgeschaltet. Beim Ein-schalten schloss sich jedoch direkt dieser Kontakt.

Um die Hochspannungsbereiche der Lokomotive zu erden, war parallel zum Hauptschalter ein Erdungsschalter montiert worden. Dieser konnte vom Ma-schinenraum aus bedient werden.

Der Schalter sorgte dafür, dass die gesamte elektrische Hochspannungsausrüstung mit der Erde verbunden wurde. So war ein gefahrloses arbeiten in diesen Bereichen möglich. Ein spezieller Schlüssel verhinderte, dass die Lokomotive bei gehobenem Stromabnehmer geerdet werden konnte.

Die Spannung der Fahrleitung wurde nach dem Hauptschalter über eine kurze Dachleitung der Durchführung zugeführt und damit ins Innere der Lokomotive geleitet. In dieser Leitung war der Überspannungsableiter montiert worden. Zudem erfolgte hier auch die Messung des aus der Fahrleitung bezogenen Stromes. Die Ergebnisse der Messung wurden jedoch nicht mehr angezeigt, sondern nur einem Relais zugeführt.

Im Maschinenraum wurde die Spannung aus der Fahrleitung der Regulierwicklung zugeführt. Diese war mit Hilfe der vier vorhandenen Erdungsbürsten an den Achsen mit der Erde verbunden.

Dank der unterschiedlichen Länge dieser Bürsten war immer ein sicherer Kontakt zur Erde vorhanden. Durch die damit erfolgte Verbindung zum Kraftwerk entstand ein geschlossener Stromkreis so dass Leistung übertragen werden konnte.

An der Regulierwicklung des Transformators waren insgesamt 32 Anzapf-ungen vorhanden, die nun dem Stufenschalter zugeführt wurden. Diese Lösung mit einem an Hochspannung betriebenen Stufenwähler hatte sich schon bei den Lokomotiven der Baureihe Ae 6/6 bewährt und wurde daher auch hier angewendet. Dadurch musste der Stufenschalter jedoch direkt am Gehäuse des Transformators montiert werden.

Anstelle eines konventionellen Stufenschalters wurde auf den Lokomotiven der Baureihe Re 4/4 II ein Stufenwähler eingebaut. Dieser wurde mit Hoch-spannung betrieben um die zu schaltenden Ströme zu reduzieren.

Deshalb wurde der Stufenwähler vor der eigentlichen Umwandlung der Spannung eingebaut. Die im Gehäuse angebrachten Kontakte wurden durch einen mit einem Luftmotor betriebenen Kontakt verbunden.

Um beim Schalten der einzelnen Fahrstufen kein Abfall der Zugkraft zu er-reichen, war ein Überschaltwiderstand vorhanden. Dieser wurde kurzfristig eingeschaltet und war überwacht.

Diese Überwachung sorgte dafür, dass die Maschine bei zu langer Belastung dieses Widerstandes automatisch ausgeschaltet wurde. So konnte dieser Widerstand relativ schwach ausgeführt werden, weil er ja nur sehr kurz belastet wurde. Jedoch entstand so eine unterbruchsfreie Versorgung der Fahrmotoren.

Die vom Stufenwähler kommende und über die vier Lastschalter geschaltete Spannung wurde anschliessend der Oberspannungswicklung des Transformators zugeführt. Galvanisch getrennt war schliesslich die Niederspannungswicklung vorhanden.

Diese sorgte letztlich dafür, dass die Fahrmotoren mit der korrekten Spannung versorgt wurden. Damit haben wir nun eine veränderliche und passende Spannung erhalten.

Für die Wahl der Fahrrichtung stand pro Drehgestell je ein Wendeschalter zur Verfügung. Diese Wendeschalter polten die Wendepolwicklung der Fahrmotoren richtig um. Sie stellten aber auch die Schaltungen für die später noch vorgestellte elektrische Bremse her.

Gesteuert wurden diese Wendeschalter einerseits mit dem Fahrrichtungsschalter im Führerstand aber auch mit dem Fahrschalter. Für die Schaltung wurde hingegen Druckluft verwendet.

Bei Störungen konnten die Wendeschalter jedoch auch von Hand umgelegt werden. Dazu wurde eine Verlängerung in den Nocken der Stellungsanzeige gesteckt. Anschliessend konnte die gewünschte Stellung manuell eingestellt werden.

So war ein Notbetrieb auch bei defekter pneumatischer Steuerung möglich, was die Wendeschalter zu sehr zuverlässigen Baugruppen machte. Bei einem totalen Ausfall war jedoch nur noch die halbe Lokomotive einsatzfähig.

Jedem Wendeschalter waren zwei parallel geschaltete Fahrmotoren zugewiesen worden. Sie wurden über die Trennhüpfer angeschlossen. Bei einem defekten Motor wurde einfach die Schaltung des Trennhüpfers verhindert.

Konnte dieser jedoch nicht geöffnet werden, standen noch Trennmesser zur Verfügung, die ebenfalls eine Trennung der Fahrmotoren ermöglichte. Es war so möglich jeden Fahrmotor einzeln abzutrennen.

Die vier Fahrmotoren, die als gewöhnliche Seriemotoren konzipiert wurden, konnten maxi-mal mit 550 Volt Spannung versorgt werden. Diese Motoren waren zudem sehr restistent gegen die Stösse, die im Rangierdienst bei leichten Anprällen entstehen konnten.

Bei einem maximalen Fahrmotorstrom von 3 400 Ampère ergab das an den Rädern eine Anfahrzugkraft für die Baureihe Re 4/4 II von 255 kN. Durch die geänderten Getriebe erreichten die Lokomotiven der Reihe Re 4/4 III hier jedoch einen Wert von 280 kN. Sie sehen, wie ein Getriebe durchaus Einfluss auf die Zugkraft haben kann.

Die Leistungsgrenze lag bei der Baureihe Re 4/4 II bei einer Geschwindigkeit von 104 km/h. Jetzt stand noch eine Zugkraft von 167 kN zur Verfügung. Bei der maximal erlaubten Geschwindigkeit blieb noch eine Restzugkraft von 88 kN übrig. Die Dauer, bei der diese Zugkräfte aufgebaut werden konnten wurde auf eine Stunde festgelegt. Daher resultierte für die Lokomotive dieser Reihe eine Leistung von 4 700 kW. 

Bei den Lokomotiven der Baureihe Re 4/4 III war die maximale Leistung schon bei 85 km/h erreicht. Auch jetzt stand eine Stundenleistung von 4 700 kW zur Verfügung. Jedoch konnte nun eine Zugkraft von 197 kN erzeugt werden. Auch bei der Restzugkraft war die Lokomotive bei einer Geschwindigkeit von 125 km/h mit 103 kN leicht höher, als die schnelleren Maschinen. Sie sehen, dass die höheren Werte alleine durch die Übersetzung ermöglicht wurden.

Die Lokomotive verfügte über eine elektrische Nutzstrom-bremse, die in Gefällen von 26‰ neben dem Gewicht der Lokomotive auch in der Lage war, rund 400 Tonnen eines Zuges in Beharrung zu halten.

Die dabei zugelassenen Bremskräfte betrugen bei den Lokomotiven der Baureihe Re 4/4 II rund 100 kN. Kurz-fristig konnten Werte bis zu 125 kN erreicht werden. Für die Baureihe Re 4/4 III wurden 103 kN, beziehungsweise 128 kN angegeben.

Es wurde bei der Lokomotive eine elektrische Bremse nach dem Muster der Baureihe Ae 6/6 eingebaut. Diese arbeitete mit der Erregermotorschaltung, bei der ein Fahrmotor über einen Erregertransformator zum Erreger der restlichen Fahrmotoren wurde.

Diese leistungsfähige elektrische Bremse war letztlich auch der Grund für die klassische Schaltung der Lo-komotive, denn Widerstandsbremsen hätten damals diese Werte nie erreichen können.

Der vierte Fahrmotor diente dabei als Erreger für die restlichen im Bremsbetrieb arbeitenden Fahrmotoren. Diese erzeugten letztlich die Energie, die über den Transformator und den Stufenschalter an die Fahrleitung abgegeben wurde. Diese Schaltung hatte jedoch den Nachteil, dass die vier Fahrmotoren nicht genau gleich ausgelastet waren. Es entstanden daher leichte Stromdifferenzen zwischen den einzelnen Fahrmotoren.

Musste ein Fahrmotor wegen eines Defektes ausgeschaltet werden, war die elektrische Bremse durch die spezielle Beschaltung der Erregerwicklungen unbrauchbar und konnte daher nicht mehr genutzt werden. Aus diesem Grund durfte die elektrische Bremse der Lokomotive nicht zur Bestimmung der Bremskraft angerechnet werden. Ein Problem, das jedoch mit den klassischen Schaltungen nicht gelöst werden konnte.

 

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