Steuerung der Lokomotive

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Die Steuerung der Lokomotive erfolgte, wie bei allen SBB-Lokomotiven der damaligen Zeit mit Gleichstrom niedriger Spannung. Die Spannung betrug 36 Volt und war schon länger bei dieser Spannung standardisiert worden. So konnten auch hier die gängigen Bauteile verwendet werden, was gerade die Vorhaltung häufig benötigter Ersatzteile, wie Glühbirnen, vereinfachte.

Gestützt wurde das Bordnetz der Lokomotive mit einer Batterie. Hier kamen die üblichen Bleibatterien zum Einsatz. Diese wurden innerhalb der Lokomotive im Kasten eingebaut. Die Bauweise der Lokomotive lies kaum eine andere Positionierung der Batterien zu. Dank den Batterien war die Steuerung auch aktiviert, wenn die Lokomotive noch abgebügelt war. Dies ist letztlich eine Bedingung zum einschalten der Lokomotive, dies obwohl bei der Ae 4/6 immer wieder zum Besen gegriffen werden musste.

Stand die Lokomotive in Betrieb erfolgte die Versorgung des Bordnetzes über einen einfachen Gleichrichter direkt ab der Hilfsbetriebewicklung. Der Gleichrichter war einfacher im Aufbau und leichter als eine vollwertige Umformergruppe. Dabei sollte er den gleichen Effekt haben. Die Idee dabei war, dass so einfacher Gleichstrom erzeugt werden kann. Dabei berücksichtige man die Schwankungen der Fahrleitungsspannung jedoch nicht.

Eine besondere Neuerung der Ae 4/6 war der Führerstand. Nicht dass seine Bedienung besonders abweichend von anderen Modellen erfolgte. Neu war, dass der Lokführer seinen Arbeitsplatz auf der linken Seite der Lokomotive vorfand. Diese Position war beim Linksbetrieb der SBB grundsätzlich vorteilhaft und es verwundert eigentlich, dass man diesen Schritt nicht schon früher wagte.

Hier war die Ae 4/6 sicherlich wegweisend, denn alle weiteren Lokomotiven wurden mit einem links angeordneten Führertisch abgeliefert. Erst mit der aus Deutschland stammenden Re 482 wurde diese Anordnung wieder verlassen. Dabei muss man aber wissen, dass die Anordnung des Führertisches bei elektrischen Lokomotiven nur eine untergeordnete Rolle spielt. Der Wechsel war einfach eine grosse Überraschung für das betroffene Personal.

Da bei Dampflokomotiven noch die Händigkeit des Personals ausschlaggebend war, bedeutete diese Tatsache bei den elektrischen Lokomotiven keine Rolle mehr. Die Bedienelemente konnten beliebig um den Lokführer herum angeordnet werden, und mussten nicht mehr einem Kessel und einer Feuerbüchse angepasst werden. Die Ae 4/6 läutete einfach 1940 den Wechsel auf die linke Seite ein. Dabei war das damals sicher eine kleine Attraktion und erschwerte einige gewohnte Abläufe.

Hingegen wurde bei den Ae 4/6 eine grundlegende Bedienform der Lokomotiven beibehalten. Der Lokführer verrichtete seine Arbeit auch bei diesen Lokomotiven stehend. Eine Sitzgelegenheit war zwar vorhanden, durfte aber nicht auf der Fahrt benutzt werden. War bis jetzt meistens der Platz das Problem, war dieser bei den Ae 4/6 vorhanden. Man beliess einfach die stehende Bedienung, weil das so üblich war und man bei der sitzenden Bedienung keinen Vorteil sah.

Der Lokführer fand vor sich das durch den Durchgang zur Türe in der Front und die Seitenwand beschränkte Führerpult vor. Dabei erinnerte es stark an die älteren Lokomotiven und man erkannte hier keine Verwandtschaft zu den Ae 8/14. Die komplizierte mit einem Automat versehende Steuerung des Stufenschalters, der Ae 8/14 wurde hier wieder zu Gunsten einer klassischen Steuerung mit Steuerkontroller aufgegeben.

Die Ae 4/6 erheilten einen einfachen Stufenkontroller. Speziell war hingegen, dass das Handrad, das mit einem Griff versehen wurde und abgezogen werden konnte. Gerade der Griff war nicht immer beliebt, denn das Personal war sich Steuerkontroller ohne einen solchen Griff gewohnt. Die Arbeitsmappe konnte so nur schwer auf dem Steuerkontroller abgestellt werden, das war aber so üblich, wenn der Lokführer sich vor der Fahrt die Fahrpläne zu Recht legte.

Auch neu war, dass das Handrad abgezogen werden konnte. Es musste beim Führerraumwechsel mitgenommen werden. Üblich war das normalerweise nicht und bot für manchen Lokführer die Gelegenheit, sich einen Scherz damit zu erlauben. Dumm war dabei nur, wenn dann der Steuerkontroller irgendwo in der weiten Urner Bergwelt verschwunden war und die Lokomotive nicht mehr bedient werden konnte. Eiligst wurde das fehlende Teil in Erstfeld zum Schnellzug gebracht.

Drehte der Lokführer das Handrad aus der 0-Stellung im Uhrzeigersinn, wurden die Fahrstufen aufgeschaltet. Diese 0-Stellung fand sich überraschenderweise nicht oben in der Mitte. Damit der Lokführer die eingestellte Stufe erkennen konnte, war am Steuerkontroller eine Stellungsanzeige vorhanden. Die Bedienung war hingegen recht leicht, da der Stufenkontroller leicht gängig war. So war er eher wie ein Steuerkontroller der Lokomotiven mit Hüpfersteuerung zu bedienen.

Zuerst hörte der Lokführer die elektropneumatisch eingeschalteten Trennhüpfer. Danach wurden zwei nicht erkennbare Vorstufen geschaltet. Erst dann erfolgte die Schaltung der ersten, der 26 Fahrstufen. Das heisst, stellte der Lokführer die erste Stufe ein, schaltete der Stufenschalter bereits drei Stufen. Danach arbeitete der Steuerkontroller in üblicher weise in einer direkten Steuerung.

Der Stufenschalter arbeitete mit der durch die Konstruktion bedingten Geschwindigkeit. Diese deckte sich aber selten mit der Geschwindigkeit des Lokführers. Der Lokführer konnte so bereits eine höhere Fahrstufe vorwählen. Der Stufenschalter folgte dann automatisch, bis er die Stufe auch erreichte. Dabei war aber keine Beschränkung des maximalen Fahrmotorstroms vorhanden. Zu offensive Lokführer wurden mit der Auslösung Maximalstromrelais der Fahrmotor bestraft und durften wieder bei 0 beginnen.

So oblag es dem Lokführer die zulässigen Stromwerte für Fahrmotor und Primärstrom zu prüfen. Eine Lösung, die oft verwirklicht wurde. Erst mit den RBe 4/4 beendete man diese Art der Loksteuerung. Trotzdem war die Ae 4/6 mit ihren 26 Fahrstufen sehr sportlich und feinfühlig zu bedienen. Eine Eigenart, die der Lok einen zweifelhaften Job bescheren sollte. Eine Aufgabe, die zu einer Hochleistungslokomotive passte, wie die Faust aufs Auge.

Die Geschwindigkeit wurde durch den Lokführer geregelt, der mit Hilfe seiner Erfahrung die benötigte Fahrstufe einstellte. Wollte der Lokführer die Zugkraft reduzieren, drehte er das Handrad gegen den Uhrzeigersinn. Musste die Zugkraft schnell abgebaut werden, konnte das Handrad in die 0-Stellung verbracht werden. Dadurch wurden die Trennhüpfer zu den Fahrmotoren geöffnet und der Stufenschalter schaltete stromlos ab.

Wollte der Lokführer die elektrische Bremse aktivieren, drehte er das Handrad auf 0, öffnete die Hüpfer und betätigte den Steuergriff zum Wendeschalter so, dass dieser in die Stellung „Bremsen vorwärts“ wechselte. Die Wendeschalter der Fahrmotorgruppen wurden nun umgruppiert. Die elektrische Bremse stand nun bereit und der Lokführer konnte den Steuerkontroller in gewohnter weise schalten. Das heisst, er benutzte für die elektrische Bremse die genau gleichen Stellungen, wie für die Fahrt.

Im Störungsfall konnte der Stufenschalter auch von Hand bedient werden. Dabei wurden am Steuerkontroller nur die Trennhüpfer eingeschaltet. Die einzelnen Fahrstufen wurden mit einem zusätzlichen Handrad geschaltet. Dabei war eine Umdrehung pro Stufe nötig. Musste eine Schnellabschaltung erfolgen, konnten also immer noch die Trennhüpfer mit dem Steuerkontroller geöffnet werden.

Links vom Steuerkontroller wurden das Führerbremsventil für die automatische Bremse und das Reglerrad für die Regulierbremse angeordnet. Das war ungewohnt, denn bisher fand der Lokführer diese Elemente immer an der rechten Seite vor. Das heisst, die Ventile mussten neu mit der linken Hand bedient werden. Kam bei der Regulierbremse noch das bewährte Regulierventil W2 aus dem Hause Westinghouse zu Anwendung, wählte man beim Führerbremsventil eine neue Lösung. Erstmals trat an Stelle des bisher verwendeten Westinghouseventil W4 ein Ventil aus dem Hause Knorr auf, das bedienerfreundlicher sein sollte.

Beim Führerbremsventil Bauart Knorr C entsprach jede Stellung des Bedienungshebels einem bestimmten Hauptleitungsdruck. Zur Auslösung eines Füllstosses zum schnellen Lösen der Bremsen des Zuges konnte eine im Bedienungshebel eingebaute Klinke gedrückt werden. Diese Klinke arbeitete abhängig von der Stellung des Bedienhebels. Das Ventil wurde deshalb auch Klinkenventil genannt.

Dass diese von allen anderen Bremsventilen abweichende Bedienungsart Anfänger in Schwierigkeiten bringen konnte, erfuhr mancher Anwärter. War die Bremsung missraten, wurde mit einem festeren Griff versucht, der Bremse noch ein wenig mehr Druck abzuverlangen. Dabei wurde aber nicht mehr gebremst, sondern es erfolgte durch die gedrückte Klinke ein Füllstoss. Die Schnellbremse brachte dann den Zug noch zum stehen, wenn auch nicht dort wo er sollte.

Die Funktionsweise der Bremse konnte mit einem an der Wand montierten Bremsumschalter gewählt werden. Dieser hatte vier Stellungen, die es erlaubten neben der G-Bremse auch die P- und R-Bremse zu aktivieren. Letztere funktionierte jedoch nur, wenn die P-Bremse eingeschaltet war. Deshalb wurde die Stellung „Abschluss“ zwischen der G- und P-Bremse angeordnet. Die eingestellte Stellung war am Hebel zu erkennen.

Über den Bremsventilen war an der linken Wand das Tableau mit diversen Schaltern für die diversen Beleuchtungen vorhanden. Speziell war dabei der doppelte Schalter für die hintere Lampe und das Rücklicht. Dadurch konnte bei der in Vielfachsteuerung verkehrenden Lok, das weisse Rücklicht eingeschaltet werden. Eine Spielerei, die unnötige Adern in der Vielfachsteuerung benötigte und nicht gebraucht wurde, denn der Lokführer konnte ja die Lampe vor dem verlassen des Führerstandes richtig schalten.

Die Schalter für die Stirnbeleuchtung des besetzen Führerstandes waren einzeln vorhanden. Man konnte das Spitzensignal also nur im besetzten Führerraum einschalten. Jeder Schalter steuerte eine der drei in Form eines A angeordneten Stirnlampen. Die Beleuchtung der Ae 4/6 entsprach den üblichen Lokomotiven. Das heisst, es konnte nur die Lampe ein- oder ausgeschaltet werden. Spezielle Farben wurden mit den üblichen Vorsteckgläsern bewirkt.

Einzige Ausnahme bildete die zweite obere Lampe, die für das rote Fahrberechtigungssignal benötigt wurde. Diese war nötig, weil im Dachbereich kein rotes Vorsteckglas angebracht werden konnte. Die rote Lampe wurde im Führerraum mit einem eigenen Schalter aktiviert. Die Schaltung der Schalter verhinderte aber, dass oben beide Lampen gleichzeitig leuchten konnten.

Neben dem Tableau wurde der V-Messer montiert. Diese Position war durch den linken Führerstand entstanden und war für das Lokomotivpersonal, dass sich die rechte Position des V-Messer gewohnt war, nicht immer leicht zu verstehen. Eingebaut wurde ein mechanisch angetriebener Geschwindigkeitsmesser aus dem Hause Hasler. Im Führerstand 1 wurde ein Modell mit Registrierstreifen und Zählwerk für die Kilometerleistung eingebaut. Im Führerstand 2 erfolgte dann die Aufzeichnung auf eine Farbscheibe.

Über dem Lokführer war der Griff für die Lokpfeife vorhanden. Auch hier wurden keine wesentlichen Neuerungen umgesetzt. Die Pfeife konnte bei einem Defekt mit einem Absperrhahn vom Führerstand aus abgetrennt werden. Die Lokpfeife wurde wie bei allen elektrischen Lokomotiven mit Druckluft betrieben und hatte das von den schweizer Lokomotiven her bekannte Klangbild.

Betrachten wir den Bereich oberhalb des Handrades. Hier war eine weitere Neuerung vorhanden, die dann auf den nachfolgenden Fahrzeugen umgesetzt wurde. Denn unmittelbar über dem Handrad befand sich ein neuartiger Verriegelungskasten. Dieser enthielt die Steuerschalter für die Inbetriebsetzung der Lokomotive. Der ganze Schalterkasten wurde mit einem speziellen Schlüssel freigegeben oder eben verriegelt.

Die Schalter in diesem Bauteil steuerten somit den Steuerstrom, hoben den Stromabnehmer und schalteten den Hauptschalter ein. Diese drei Schalter hatten nur zwei mögliche Stellungen. Die vier folgenden Schalter hatten drei Positionen die geschaltet werden konnten. Damit konnten der Kompressor, die Ventilation der Lokomotiven, die Heizleitung und die Beleuchtung von möglichen Wagen gesteuert werden.

Der achte und letzte Schalter schaltete dann die Beleuchtung der Lokomotive. Das heisst, dieser Schalter hatte gegenüber den anderen Schaltern, die in der Mittelposition ausgeschaltet waren immer oben oder unten. Die Beleuchtung wurde also mit Wechselschaltungen beeinflusst. Gerade bei Lokomotiven in Vielfachsteuerung war das noch eine knifflige Angelegenheit. Die Lokführer schafften es aber immer wieder das korrekte Signalbild zu zeigen.

Diese Verriegelungskasten fanden nachher noch bei vielen Fahrzeugen Verwendung. Sie verschwanden erst mit der Ablieferung der Re 450 für die S-Bahn Zürich wieder. Erstmals konnte durch entfernen eines kleinen Schlüssels verhindert werden, dass unbefugte Personen die Lokomotive einschalteten. Da der Schlüssel aber stets auf der Lok blieb, war diese Schutzeinrichtung nur nebensächlicher Natur.

Oberhalb des Verriegelungskastens befanden sich die diversen Anzeigen für die Spannung der Fahrleitung und für die Fahrmotorströme. Ergänzt wurden diese Anzeigen mit der Tabelle der zulässigen Stromwerte. Die Instrumente wurden beleuchtet und waren daher auch bei Dunkelheit gut zu erkennen. So waren die wichtigen Elemente im direkten Blickfeld des Lokführers vorhanden.

Neben den Instrumenten waren dann die Manometer der diversen Bremsen und des Vorratsluftbehälters vorhanden. Auch sie wurden aus dem inneren Bereich beleuchtet und erlaubten es dem Lokführer so, die unterschiedlichen Drücke stets im Auge zu behalten. Gerade die Drücke der Hauptleitung und der Bremsen gehörten dazu. Die Druckluft sollte ja automatisch ergänzt werden und benötigte vom Lokführer nicht so viel Aufmerksamkeit.

Die Kurbel für die Handbremse der Lokomotive war auf Seite des Heizers montiert worden. Das war hier nötig, weil beim Führertisch dazu kein Platz mehr vorhanden war. Diese Handbremse wirkte mechanisch auf das darunter liegende Bremsgestänge und so auf die Achsen. Da jeder Führerstand über eine Handbremse verfügte, hatte die Lokomotive zwei unabhängig zu bedienende Handbremsen. Das war bei allen Lokomotiven so üblich und wurde erst mit den modernsten Lokomotiven aufgegeben.

Bei den Ae 4/6 wurde eine Sicherheitssteuerung eingebaut, die den einmännigen Betrieb ermöglichte. Bedient wurde sie mit einem am Boden montierten Pedal. Wurde dieses nach unten gedrückt, war die Sicherheitssteuerung inaktiv. Wurde das Pedal losgelassen, erfolgten mit einem Summer eine Warnung und anschliessend die Zwangsbremsung. Diese konnte der Lokführer durch erneutes drücken des Pedals zurückgestellt werden. Eine Wachsamkeitskontrolle war wegen der stehenden Bedienung nicht vorgesehen.

Zusätzlich wurde der Lokomotive die automatische Zugsicherung nach dem System Integra-Signum eingebaut. Die entsprechenden Empfänger montierte man neben der Laufachse unter dem Führerstand. Die Lokomotive konnte nur die Impulse für die Warnung empfangen. Eine Kontrolle der Haltstellung von Signalen war nicht vorhanden. Das galt damals sowohl für die Lokomotiven, als auch für die Signale.

Die Ae 4/6 erhielten einen Schleuderschutz eingebaut. In diesem integriert waren auch der Gleitschutz und der Überdrehzahlschutz. Diese Schutzeinrichtungen waren auf den Ae 4/6 nötig geworden, weil der Lokführer eine in Vielfachsteuerung verkehrende Lok nicht hören konnte, und diese so unbemerkt ins schleudern oder gleiten geraten konnte. Der Betrieb zeigte dann, wie wichtig diese Einrichtung war.

Die Steuerung der Lokomotive erlaubte auch die Fern- und Vielfachsteuerung der Lokomotive. Gerade diese Vielfachsteuerung war aber so speziell, dass ich dafür ein eigenes Kapitel vorsehe. Hier soll nur kurz erwähnt werden, dass die Vielfachsteuerung im Grunde ein Teil der Steuerung ist. Nur, die Ae 4/6 setzte auch hier spezielle Massstäbe, denn die Vielfachsteuerung bereitete den Leuten, die damit zu tun hatten viele Kopfschmerzen.

 

Die Vielfachsteuerung

Bis zur Ablieferung der Ae 4/6 waren Vielfachsteuerungen kaum bis gar nicht vorhanden. Zwar hatte man schon früher Versuche mit zwei Lokomotiven der Reihe Be 4/6 angestellt, aber nicht weiter verfolgt. Die Erfahrungen waren dabei jedoch viel versprechend und gaben Anlass zu Hoffnungen. Auch kannte man bei den SBB die Fernsteuerung von Triebfahrzeugen am Schluss von Zügen. Jedoch hatte man bisher eine solche Steuerung noch nicht in eine Lokomotive hoher Leistung eingebaut.

Letztlich war das auch der Grund für die gigantischen Lokomotiven der Reihe Ae 8/14, denn damals fand sich noch niemand, der es wagte solche Lokomotiven mit Vielfachsteuerung zu versehen. Mit den Ae 4/6 sollte nun ein neues Kapitel in den Büchern der Vielfachsteuerung geschrieben werden. Noch ahnte niemand, welch ein umfangreiches Kapitel es geben würde. Selbst hier kommen wir nicht um eine intensivere Betrachtung herum.

Bevor wir aber die Lokomotive ins nahe Blickfeld rücken, müssen wir klären, wo denn das Problem bei Lokomotiven mit hohen Leistungen lag. Grundsätzlich kann man heute sicher sagen, dass es keinen Unterschied gibt. Das war damals sicher nicht anders, nur wusste man das nicht. Man hatte Angst, dass kurzfristige Ausfälle bei der Übertragung zu grosse Sprünge bei der Zugkraft geben könnte und dass dann die Kupplungen überlastet würden. Diese Angst war nicht unbegründet, denn die Erfahrungen mit der Be 4/6 hatten das klar gezeigt, nur passierte dort wegen der relativ bescheidenen Leistung nichts.

Nur, wie ist das Problem denn zu verstehen? Ganz einfach, damals hatten die Lokomotiven, so auch die Ae 4/6 festgelegte Fahrstufen, die am Stufenkontroller eingestellt wurden. Diese festen Stufen waren auf der zweiten Lok folglich identisch. Fehlte nun kurz die Verbindung, schaltete die zweite Lok nicht. Kam nun die Verbindung wieder, bemerkte sie, dass sie ein paar Stufen nachhinkt und schaltete diese in der Folge automatisch nach. Die Zugkraft stieg unkontrolliert an.

Ein Blick ins Pflichtenheft der Ae 4/6 lässt erkennen, dass von den Herstellern gefordert wurde, dass die Lokomotive mit einer weiteren zusammen in Vielfachsteuerung zu verkehren hat. So einfach dieser Satz auch war, er sollte letztlich das grösste aller elektrischen Probleme darstellen. Hier konnte man nicht mit den Erfahrungen von anderen Lokomotiven arbeiten, sondern musste eine komplett neue Lösung suchen.

Das System, das bei den Ae 4/6 letztlich eingebaut wurde bekam bei den SBB die Bezeichnung Vst II. Daraus lässt sich schnell erkennen, dass man nicht auf eine Kombination mit den Triebwagen der ersten Generation setzte. Man glaubte noch nicht, dass die dort verwendeten Lösungen durchaus auch auf Lokomotiven funktionieren könnten. Letztlich ein Entscheid, den man heute nicht mehr nachvollziehen kann.

Gänzlich neu war das System jedoch auch wieder nicht, denn die drei kurz vorher abgelieferten RFe 4/4 hatten dieses schon eingebaut erhalten und es funktionierte dort recht gut. Das stimmte die Verantwortlichen bei der Industrie zuversichtlich. Ein Trugschluss, den man später bitter bereuen sollte. Eine Kombination RFe 4/4 und Ae 4/6 war jedoch nicht vorgesehen und hätte technisch auch nicht funktioniert.

Kernpunkt dieser Vielfachsteuerung war zuerst der Aufbau der Steuerung in der Lokomotive selber. Hier musste man elektrische Ansteuerungen vorsehen, denn nur so konnte eine Vielfachsteuerung überhaupt verwirklicht werden. Man konnte nicht mechanische Signale über ein Kabel übertragen. So mussten viele Aufgaben mit elektropneumatischen Bauteilen gelöst werden. Das war klar eine Folge der Vielfachsteuerung.

Nach diesem ersten Schritt wurde nur noch definiert, was man auf einer zweiten Lokomotive benötigte. Klar gehörten dazu Stufenschalter, Inbetriebsetzung und Beleuchtung. Diese definierten Schnittpunkte ergaben letztlich die Anzahl benötigter Leitungen. Diese mussten dann in einem Kabel gebündelt werden. Diese Grundsätze galten bei der Ae 4/6 ebenso, wie bei allen anderen Lokomotiven in Vielfachsteuerung.

Durch den Aufbau der Lokomotive erkannte man, dass man 52 Leitungen von einer auf die andere Lokomotive führen musste. Das waren einfach zu viele Leitungen, die benötigt wurden. Um Ihnen einen Vergleich aufzuzeigen, erwähne ich hier, dass später durchaus 19 Leitungen ausreichten um einen grösseren Effekt zu erzeugen. Letztlich waren es genau diese vielen Adern, die zum grössten Problem der Ae 4/6 werden sollten. Wobei ich auch hier etwas präziser werden muss. Die sichere Übertragung dieser vielen Leitungen war das Hauptproblem.

In einem Kabel, das durch Arbeiter bewegt werden musste, konnte man nicht 52 Adern einbauen. Das Kabel wäre schlicht zu schwer geworden. Man musste das Kabel also aufteilen. Die Lösung waren zwei Kabel, die gekuppelt werden mussten. Jedes dieser beiden Kabel hatte 26 Adern. So konnte man zwei identische Kabel verwenden. Nur schon so wurden die Kabel recht schwer und waren nicht leicht zu handhaben. Mit den beiden Kabeln war man aber noch lange nicht am Ziel angelangt, denn zu den Kabeln gehören bekanntlich die Steckdosen.

Die Lokomotiven erhielten daher an jedem Stossbalken zwei Steckdosen für die Vielfachsteuerung. Diese wurden sehr nahe zur Mittelachse der Lokomotive montiert und kamen links und rechts der Kupplung zu liegen. Die Beschaltung dieser Steckdosen war nicht identisch, so dass ich diese als Dose 1 und 2 benennen werde. Dabei ist die Dose 1 die in Fahrrichtung gesehen links montierte Dose.

Probleme gab es nun bei der Kombination von zwei Lokomotiven, denn die Kabel mussten zwingend über Kreuz gekuppelt werden. Nur so war die korrekte Funktion überhaupt möglich. Eine parallele Führung war nicht möglich, da die Lokomotiven im Betrieb oft abgedreht wurden, weil sie zum Beispiel ein Dreieck fuhren, dann hätte die Zuordnung nicht mehr gepasst. Man wählte deshalb die Lösung mit den gekreuzten Kabeln.

Das war auch für das Bedienpersonal viel einfacher. So konnten die Kabel einfach prinzipiell gekreuzt gekuppelt werden und die Zuordnung stimmte. Auf spezielle Markierung an den Dosen konnte man verzichten. Diese Markierungen wären zudem im Betrieb schlecht erkennbar gewesen. Daher war die Lösung mit der Kreuzung der Kabel die einzige Lösung.

Technisch gesehen war es theoretisch möglich einen Zug mit zwei Ae 4/6 und dazwischen eingereihten und angepassten Leichtstahlwagen zu bilden. Ein Betrieb mit Steuerwagen wäre technisch ebenfalls möglich gewesen, war jedoch nicht vorgesehen. Das lag jedoch nicht an der Lokomotive oder gar der Steuerung, denn es fehlten schlicht die passenden Steuerwagen. Die Ae 4/6 erhielten deshalb eigentlich eine kombinierte Fern- und Vielfachsteuerung.

Die Vielfachsteuerung war relativ einfach einzurichten. Man kuppelte die ausgeschalteten Lokomotiven in gewohnter Weise. Neben den Schlauchverbindungen der Bremsen und der Kupplung musste aber auch die Speiseleitung verbunden werden. Bis jetzt hatte man jedoch nur die pneumatischen und mechanischen Verbindungen hergestellt. Die zusätzlichen Arbeiten beschränkten sich also bisher auf die Zusätzliche Luftleitung.

Erst jetzt kamen die Verbindungen, die für die Vielfachsteuerung nötig waren. Die Arbeiter mussten nun die immer noch recht schwer geworden Kabel der beiden Lokomotiven miteinander verbinden. Dabei wurden diese gekreuzt und in der Steckdose verdreht um nicht ungewollt aus dieser herauszurutschen. Im beengten Raum zwischen den beiden Lokomotiven keine leichte Aufgabe.

Die Lokomotiven konnten nun in Betrieb gesetzt werden. Dabei nahm der Lokführer die erste Lokomotive ganz normal in Betrieb. Eigentlich merkte er nicht viel, nur dass er auch ein paar Anzeigen der zweiten Lokomotive angezeigt bekam. Die Vielfachsteuerung war eingerichtet. Es mussten also keine speziellen Schalter umgelegt werden. Dieses einfache Prinzip hat die SBB danach nicht mehr aufgegeben. Im Gegenteil, es wurde noch einfacher.

Wollte man die beiden Lokomotiven wieder trennen, befolgte man die oberen Schritte. Dabei war jedoch nur zu beachten, dass die Lokomotiven ausgeschaltet waren. Die Kabel durften also nur gekuppelt werden, wenn die Lokomotiven ausgeschaltet waren und die Steuerungen nicht aktiviert wurden. Danach waren die gleichen Arbeiten durchzuführen und die Lokomotiven verkehrten wieder einzeln.

Soweit zum Aufbau der Vielfachsteuerung, der betrieblich gesehen recht einfach war. Technisch waren aber grosse Herausforderungen zu lösen. Die Stellungen der Stufenschalter mussten angeglichen werden und die Befehle für den Hauptschalter ohne Verzögerung mitgeteilt werden. Dabei war man aber nur beim normalen Betrieb, bei Störungen musste eine Lokomotive automatisch abschalten, diese Abschaltung musste jedoch auch auf der anderen Lokomotive erfolgen.

Wie sich diese Vielfachsteuerung dann im Betrieb bewährte, lasse ich hier weg, denn das ist im Betriebseinsatz besser zu erklären. Bisher betrachteten wird die Lokomotive in Aufbau und sind daher noch gespannt, was die neue Lok zu bieten hat. Dazu gehört auch die Vielfachsteuerung. Sie können sich aber bereits merken, Theorie und Praxis unterschieden sich gewaltig, denn die Vielfachsteuerung funktionierte nur bedingt um nicht zu sagen überhaupt nicht.

 

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