Betriebseinsatz Teil 1

Letzte

Navigation durch das Thema

Nächste

Mit dem Fahrplanwechsel vom 28. Mai 2000, also nur drei Tage nach dem ersten kompletten Zug, kamen die ersten Triebzüge der Baureihe RABDe 500 in den planmässigen Einsatz. Man kann somit mit recht behaupten, dass sie auf den letzten Drücker fertig wurden. Wer an dem Tag mit dem Neigezug auf Reisen ging, konnte vermutlich die frische Farbe noch riechen. Der Speisewagen, sofern vorhanden, war jedoch fabrikneu.

Die Neigezüge wurden, wie geplant auf der Linie von St. Gallen über Zürich und Biel/Bienne nach Lausanne eingesetzt. Dazu waren nun auch die Abschnitte zwischen Winterthur und St. Gallen, so wie von Olten über Biel/Bienne nach Lausanne für Neigezüge ertüchtigt worden.

Es kam zu den damit erhofften Verkürzungen bei den Fahr-zeiten über diese Strecken. Andere Abschnitte sollten jedoch nicht hergerichtet werden.

Anfänglich musste jedoch die Vielfachsteuerung der Züge ver-boten werden, da diese nicht zuverlässig funktionierte und man keine Störungen mit fahrplanmässigen Zügen wollte. Ge-rade die Verbindung über die neue automatische Kupplung war nicht immer optimal.

Die Signale wurden gestört, oder aber sie kamen gar nicht an. Der Neigezug, der ferngesteuert wurde, reagierte entsprech-end und schaltete sich während der Fahrt ab.

Der neue Zug musste nun auch noch vor den Kunden über-zeugen und die waren in der Schweiz immer kritisch. Das war die Krönung der Versuche, sollte hier der Neigezug über-zeugen, war der Entwurf gelungen. Messen musste man sich jedoch lediglich mit dem ETR 470 der Cisalpino AG. Doch das ging nur schwer, weil der Pendolino zu viele Probleme hatte und diese kannte auch das Publikum auf dem Zug zu gut.

Die Fahrgäste nahmen die Neigezüge unterschiedlich gut auf. So waren die Einten vom neuen Fahrzeug begeistert, während den Zug die anderen Leute wörtlich zum «Kotzen» fanden. Nur, allen gerecht werden, konnte man nicht und wird man wohl auch nie können. So gesehen überwiegte die Begeisterung für die neuen Züge. Zumindest so lange man nicht seekrank wurde, war es ein Erlebnis, wenn man sich in die Kurve legte.

Man stellte fest, dass es durchaus viele Leute gab, die mit der Neigetechnik gesundheitlich auf Kriegsfuss standen und die froh waren, wenn sie nicht mit dem ICN fahren mussten.

Machten diese dafür noch den neuen Zug zur Schnecke, war das nicht gut. Die Presse nahm dieses Problem nach den Verzöger-ungen mit sehr viel Freude auf und gerade in der Tagespresse fanden die Reporter nicht nur schöne Worte.

Daher verkehrten die Neigezüge neu unter der Bezeichnung ICN. So konnten diese Leute ihren Fahrplan so gestalten, dass sie nicht mit einem Neigezug fahren mussten.

Denn gegen dieses Problem der Leute, konnte man von Seien der Bahn schlicht nichts machen, denn die Neigetechnik benötigte man und den Fahrplan einzuhalten. Alternative Reiserouten gab es, auch wenn diese nicht besonders attraktiv waren.

Mit dem Einsatz der ICN kam es im Hauptbahnhof von Zürich im-mer wieder zu einer aussergewöhnlichen Situation. Dort trafen die Triebzüge RABDe 500 auf die ETR 470 aus Italien und die Neigezüge ICE-T aus Deutschland.

Bei allen Zügen handelte es sich um elektrische Neigezüge, die das Problem mit dem Stromabnehmer lösen mussten. Jedoch er-laubten sie den Leuten auch einen direkten Vergleich bei weni-ger technischen Bereichen.

Die ICN mussten sich dabei jedoch nicht verstecken, da sie zum Transport von vielen Menschen gebaut wurden, konnten sie nicht mit dem Komfort eines ICE mithalten. Der ETR 470 hatte selber dafür gesorgt, dass sein Ruf zu schlecht war um dem ICN gefährlich zu werden. Alles in allem gesehen, war jedoch nur der RABDe 500 für den inländischen Verkehr mit sehr vielen Fahrgästen ausgelegt worden. Die anderen beiden waren schon mal sehr gut gefüllt.

Der Erfolg des ICN blieb auch im Ausland nicht unbeachtet. Sie müssen wissen, dass immer wieder geschaut wurde, was in der Schweiz gerade neu auf die Schienen kam. Die Industrie war führend und das wusste man auch im Ausland, besonders dort, wo man auch mit Wechselstrom von 15 000 Volt fuhr. Bekannte Beispiele waren die beiden Lokomotiven Re 460 in Norwegen. Aber auch die Reihen Re 4/4 II und Re 6/6 waren begehrte Gäste.

So fuhr der RABDe 500 mit der Nummer 500 000-5 am 29. Au-gust 2000 erstmals mit eigener Kraft ins benachbarte Ausland. Sein Ziel sollte Innsbruck in Österreich sein. Nur um da hin zu kommen, stand die Fahrt über die steile Arlbergstrecke auf dem Programm.

Eine Strecke, die sogar dem Gotthard das Fürchten lernte und für die der Neigezug nie gebaut wurde. Daher waren viele ge-spannt, wie sich der Neigezug auf dieser Strecke halten würde.

Die steile Arlberg-Strecke befuhr der Zug schliesslich in eigener Kraft und man wusste nicht, ob dazu die Kühlung der Fahr-motoren ausreichen würde. Die Fahrt verlief ohne nennens-werte Probleme, so dass der Zug Innsbruck ohne Schaden erreichte.

Dort wurde der Neigezug den interessierten Leuten präsen-tiert. Gleichzeitig nutzte man diesen Ausflug aber auch um die Störstrombeeinflussung zu messen. Die zulässigen Werte in Österreich waren wesentlich tiefer als in der Schweiz.

Allgemein kann daher gesagt werden, dass ausgenommen von der Vielfachsteuerung der Start mit den neuen Neigezügen der Schweizerischen Bundesbahnen SBB geglückt war.

Auch bei der Vielfachsteuerung machte man Fortschritte, so dass die Neigezüge auch zu zweit beobachtet werden konnten. Einzig die Kurve durfte beim kuppeln nicht zu eng sein, denn sonst konnte es passieren, dass sich die beiden Kupplungen nicht fanden.

Die immer grössere Anzahl vorhandener Neigezüge bemerkte man eigentlich nicht. Es sei denn, man reiste damit, denn immer öfters waren zwei Triebzüge vorhanden. Jeder besass nun einen Speisewagen. Wer dort jedoch ein Bier zum Essen wollte, musste wissen, welchen Triebzug er nehmen musste, denn immer wieder war nur ein Speisewagen mit Personal besetzt. Wer Pech hatte, musste den Lunch aus dem Rucksack nehmen.

Als sich das Ende der Lieferung ankündigte, ging die Diskussion um den immer noch vorhandenen Proto-typ los. Eigentlich wäre ja geplant gewesen, den Versuchszug als letzter Zug der Serie zu verwen-den.

Da sich aber bei den Probefahrten gravierende Män-gel gezeigt hatten, konnte diese Idee nicht umge-setzt werden. Der Prototyp, der seit Beginn die Nummer 500 050-0 hatte, wurde schliesslich aus-rangiert und nicht mehr weiterverwendet.

Die Wagen konnten auch nicht nachträglich ver-stärkt werden, so dass man die Wagen hätte ver-wenden können. Sie wurden deshalb der brauch-baren Teile beraubt und der Triebzug der ersten Stunde wurde im Jahr 2001 abgebrochen.

Damit waren nur noch die in Serie gebauten Neige-züge vorhanden und im Einsatz. Die Schweizeri-schen Bundesbahnen SBB hatten ihr Ziel erreicht, denn sie hatten keinen Exoten im Fahrzeugpark.

Da nun alle Züge der ersten Serie ausgeliefert wur-den, lohnt es sich, wenn wir einen etwas ge-naueren Blick auf den Einsatz werfen.

Dabei verkehrten seit dem Fahrplanwechsel die Nei-gezüge der Schweizerischen Bundesbahnen SBB lediglich auf zwei Verbindungen, was bei der Anzahl vorhandener Triebzüge nicht überraschend war und deutlich zeigte, wie speziell die Neigezüge waren. Zudem mussten viele Fahrten mit zwei Einheiten geführt werden.

Es war somit nicht überraschend, als weitere Einheiten des Zuges gewünscht wurden. Die neuen Bosse der Schweizer Lokindustrie sassen im Ausland und sie wollten die Produktion dorthin verlagern. Das wiederum war den Behörden bei den betroffenen Standorten in der Schweiz wieder nicht recht. Die Staatsbahn musste letztlich als Besteller einschreiten und so wurden auch diese ICN in der Schweiz gebaut.

Die erste Verbindung sah Züge mit bis zu zwei Einheiten auf den Strecken von St. Gallen über Winterthur und Zürich, Olten, sowie Biel/Bienne nach Lausanne vor. Dabei wurde in der Ostschweiz und am Jura Südfuss bogen-schnell gefahren.

Die Fahrzeiten konnten so an jene über Bern angepasst werden. Das war der Kerngedanke von Bahn 2000. Jetzt statt mit neuen Strecken, mit modernen Neigezügen, die überraschend gut gestartet waren.

Auf der zweiten Strecke erreichten die Züge aus Basel kommend über Grenchen und Biel/Bienne den Bahnhof von Lausanne. Diese Strecke konnte zum Teil ebenfalls bogen-schnell befahren werden, was die Züge in diese Richtung rechtfertigte.

Jedoch gab es auch Lücken in diesen Einsätzen, so dass über Frauenfeld der deutsche Bahnhof Konstanz ange-fahren wurde. Wobei hier nicht gross von der Neigetech-nik profitiert werden konnte.

Am Gotthard und am Lötschberg wurden jedoch keine Triebzüge RABDe 500 eingesetzt, da dort die aus Italien kommenden ETR 470 verkehrten.

Die restlichen Züge wurden, wegen den Problemen mit den empfindlichen Mägen einiger Leute, mit konventionellem Rollmaterial geführt. Damit waren die Positionen auf den wenigen bogenschnellen Strecken der Schweiz bezogen und die Züge verkehrten dort, wo sie auch sollten.

Lange sollte der Einsatz jedoch nicht gut verlaufen. Als am 29. Juli 2001 der IC 514 den Bahnhof von St. Gallen verliess, waren alle Leute im Zug noch davon überzeugt, dass der ICN mit der Nummer 500 019-5 zusammen mit einem weiteren Zug dieser Baureihe sein Ziel ohne grössere Probleme erreichen würde. Doch der Weg in die Westschweiz war lange und man konnte je nie wissen, denn es ist schnell etwas passiert.

Bei der Durchfahrt in der Haltestelle Räterschen, welche kurz vor Winterthur und damit nach rund einer halben Stunde Fahrt passiert wurde, beschleunigte der Neigezug wieder. Wegen den vorherigen engen Kurven musste langsamer gefahren werden, aber jetzt konnte der Zug wieder beschleunigen. In einem Wagen des benannten Zuges wurden daraufhin starke Vibrationen verspürt. Zudem verzeichnete der betroffene Wagen einen unruhigen Lauf.

Der Zug erreichte so den Bahnhof Winterthur. Beim Halt wurde das Bahnpersonal nicht darüber informiert. Selbst die Notbremse wurde nicht betätigt, was für die ange-brachten Warnungen spricht.

Aber nicht aus den Erfahrungen in Eschede, wo die Not-bremse viele Leute gerettet hätte. Der brave Schweizer schwieg einfach, weil er nichts damit zu tun haben woll-te. Letztlich muss man aber annehmen, dass etwas defekt sein könnte.

So konnte der Zug den Bahnhof wieder verlassen. Je wei-ter der Zug jedoch fuhr, desto schlimmer wurden die Laufeigenschaften im besagten Wagen. Die Situation ver-schärfte sich vor Zürich-Oerlikon zusätzlich.

Die Leute aus dem Wagen suchten das Zugpersonal, wurden jedoch nicht gleich fündig. Die Notbremse wurde hingegen immer noch nicht betätigt. Vermutlich wollte niemand eine Busse kassieren.

Schliesslich stellte der Lokführer bei der regelmässigen Kontrolle des Zuges eine Entgleisung des besagten Wagens fest und hielt den Zug unverzüglich an.

Es musste etwas Gravierendes passiert sein, denn erst jetzt erfuhr das Personal, dass der Wagen schon seit Räterschen unruhig lief, man dies jedoch nicht als gefährlich angesehen hatte. Doch noch wusste man nicht, wo der Wagen entgleist war und wieso dies passierte.

Am Unfallort stellte man fest, dass am hinteren Drehgestell des betroffenen Wagens die Kardanwelle des Zuges nicht mehr mit dem Achsgetriebe verbunden war. Man ging zuerst davon aus, dass dies eine Folge der Entgleisung war.

Jedoch ergaben genauere Untersuchungen, dass bei Räterschen eine Drehmomentstütze gebrochen war und der Wagen daher unruhig lief. In der Folge wurde die Verbindung überlastet und brach, was zur Entgleisung des Drehgestells führte.

Hätten die Reisenden, statt den Zugführer zu suchen, die Notbremse gezogen, hätte der Unfall und somit die Entgleisung verhindert werden können. Selbst beim Halt in Winterthur war das Bahnpersonal zu erkennen, aber scheinbar informierte niemand dieses.

Letztlich aber ging dank der relativ geringen Geschwindigkeit die Entgleisung noch gut über die Bühne, jedoch war der Zug noch sehr neu und das sollte nicht passieren.

Da man bei so einem neuen Fahrzeug automatisch einen Fehler in der Konstruktion dieser Drehmo-mentstütze vermutete, wurde die gesamte Flotte stillgelegt. Damit konnten die Züge genaustens untersucht werden.

Es muss gesagt werden, dass schon viele Vorfälle bei hohen Geschwindigkeiten mehrere Opfer gefor-dert haben. Daher war die vorsorgliche Massnahme gerechtfertigt. Für die Presse war dieser Schritt natürlich willkommen.

Die Untersuchungen ergaben jedoch keine schwerwiegenden Probleme bei der Konstruktion und man vermutete, dass ein Steinschlag zum Problem geführt hatte. Die Züge konnten daher wieder in Betrieb genommen werden.

Einen ähnlichen Vorfall gab es danach nicht mehr. Jedoch wurde hier erstmals davon ausgegangen, dass dafür Schotterflug verantwortlich war. Damals nannte man es einfach noch nicht so.

Lange sollte es nicht dauern, bis erneut ein ICN für ungewollte Schlagzeilen sorgte. Dabei war der Zug zwar betroffen, war aber nur das Opfer. Der Neigezug hatte am 23. Mai 2002 den Bahnhof Genève erreicht und wurde dort auf die nächste Fahrt vorbereitet. Dies erfolgte immer in der Parkstellung. Mit dem besetzen des neuen Führerstandes hob die Steuerung den zweiten Stromabnehmer um anschliessend den bisherigen zu senken.

Dummerweise passierte der Neigezug unbemerkt eine Trenn-stelle in der Fahrleitung. Da dieser Abschnitt jedoch nicht einge-schaltet, sondern geerdet war, entstand über die Dachleitung ein Kurzschluss.

Dieser wirkte sich beim Speisewagen verheerend aus und infolge der grossen Hitze geriet der Wagen des Zuges mit der Nummer 500 004-7 in Brand. Die Feuerlöscher reichten nicht und so muss-te die Feuerwehr aufgeboten werden.

Als die Feuerwehr eintraf um das Feuer zu löschen, war bereits klar, dass der Wagen so schwer beschädigt werden würde, dass der Zug seine nächste Reise nicht mehr antreten konnte.

Als schliesslich auch die letzten Ecken gelöscht waren, konnte man den Zug genauer ansehen. Der Anblick des Speisewagens ergab jedoch besorgte Gesichter, denn man wusste nicht, ob der Wagen noch zu retten war. Dazu war eine weitere Untersuchung nötig.

Der Vorfall zeigte jedoch, dass Kurzschlüsse nicht zu unter-schätzen sind. Da die Flotte der Neigezüge zudem knapp be-messen war, musste dieser Ausfall schlimm enden.

Ein Nachteil von Triebzügen, denn in einem solchen Fall muss der ganze Zug zur Reparatur. Es sei denn man habe findige Köpfe, einen passenden Aufbau des Zuges und erst noch die verrückte Idee. Alles zusammen konnte die Situation entschärfen.

Der Speisewagen wurde aus dem Zug ausgereiht und der Reparatur zugeführt. Damit auch der restliche Zug nicht tatenlos herumstand, wurde er wieder-vereinigt und als sechsteilige Kurzversion mit nur einer Antriebseinheit eingesetzt. Zwar waren damit nicht die normalen Beschleunigungen zu erreichen, aber man konnte mit dem verbliebenen Rest weiterfahren. Eine Notlösung, die dank der strikten Auslegung der Redundanz möglich wurde.

So gesehen kann gesagt werden, dass der Start bei den neuen Neigezügen der Schweizerischen Bundesbahnen SBB geglückt war. Es gab zwar ein paar besondere Vorfälle, die aber nicht direkt dem Zug zugesprochen werden konnten. Gerade der grösste Unfall sollte viele Jahre später zum Thema werden und dann wurde nicht mehr von Steinschlag, sondern von Schotterflug gesprochen, der besonders bei hohen Geschwindigkeiten gefürchtet war.

 

Letzte

Navigation durch das Thema

Nächste
Home SBB - Lokomotiven BLS - Lokomotiven Kontakt

Copyright 2020 by Bruno Lämmli Lupfig: Alle Rechte vorbehalten