Betriebseinsatz Teil 2

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Nach den beiden Vorfällen der Startphase wird es Zeit, dass wir uns den Dienstplänen zuwenden. Reisezüge sind für gewöhnlich selten von grossen Veränderungen betroffen. Da machten auch die Neigezüge keine Ausnahme. Die ICN blieben daher ihren Strecken treu und es gab kaum Veränderungen in den Plänen. Sie verkehrten nahezu ausschliesslich auf Strecken, die für bogenschnelle Fahrten hergerichtet wurden und machten sich dort gut.

Jedoch gab es in den Plänen grosse Lücken. Diese führten bei den Neigezügen zu längeren Stilllagern. Bei Lokomotiven konnten diese mit einem Güterzug gefüllt werden. Das ging hier nicht mehr und auch der Einsatz mit anderen Kategorien war nicht so leicht möglich. Es handelte sich bei den Neigezügen um so spezielle Fahrzeuge, dass diese kaum auf anderen Leistungen verwendet werden konnten und so oft nutzlos pausieren mussten.

Wenn nun aber ein Triebzug in einem Bahnhof pausiert, wird er gesehen und das kann dann zu sonderbaren Situationen kommen. Einer dieser Vorfälle er-eignete sich am 29. Oktober 2004.

In Basel kam es zum Problem, dass ein Triebzug für den Regionalzug nach Stein-Säckingen ausgefallen war. Die Betriebsleitung suchte daher verzweifelt nach einem Ersatz und fand diesen schliesslich im Gleisfeld. In der Not geht auch der!

Der RABDe 500 sollte deshalb den ausgefallen Regionalzug ersetzen und schnell nach Stein-Säckingen fahren um dort Pendler abzuholen. Das klappte sogar mit dem Personal und so kam es dazu, dass in Stein-Säckingen ein Neigezug auf die Pendler in Richtung Basel wartete.

Wer nun aber auf einen frischen Kaffee am Morgen hoffte, wurde enttäuscht, der Regionalzug führte zwar einen Speisewagen, dieser war jedoch in der Eile nicht mit Personal besetzt worden.

Für solche Einsätze im Regionalverkehr wurde der RABDe 500, der übrigens die Nummer 500 009-6 trug, jedoch nie gebaut. Seine Dienstpläne waren auch nicht mit solchen Zügen gefüllt worden.

Der ICN sollte als «Kurvenschletzer» zwischen St. Gallen und Genève verwen-det werden und dazu wurde er auch gebaut. Ein Regionalzug mit Neigetechnik und Speisewagen abzudecken ist dann schon etwas übertrieben.

Jedoch zeigte dieser Einsatz, dass Triebzüge nicht ohne weiteres in anderen Diensten verwendet werden können. Das galt natürlich auch umgekehrt, wenn ein Triebzug des Regionalverkehrs in den Leistungen eines Neigezuges auftaucht. Trotz dem spurtstarken Fahrzeug, kann die Fahrzeit nicht gehalten werden. Zu speziell waren da die für die ICN geplanten Züge und so wurden blieben sie in den Dienstplänen dauerhaft enthalten.

Nachdem auch die letzten Probleme beseitigt wurden, kam auch die Lieferung der zweiten Serie langsam in Schwung, diese Neigezüge benötigten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB nicht nur für neue Verbindungen, sondern auch um die bisherigen Züge zu verstärken. Die Nachfrage war gestiegen und so sollten die Züge häufiger fahren und erst noch doppelt geführt werden. Dazu benötigte man jedoch mehr Fahrzeuge.

Im Jahre 2005 sollte jedoch der lange gefürchtete Tag kommen. Mit dem Neigezug 500 043-5 wurde im Ran-gierbahnhof Muttenz der letzte Trieb-zug RABDe 500 komplettiert.

Mir der formellen Übergabe an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB endete die Lieferung von Neigezügen.

Gleichzeitig sollte es auch das letzte in der Schweiz gebaute Fahrzeug sein, denn die geldgierigen Manager hatten die Fertigung ins Ausland verlegt.

Gerade mit den Neigezügen RABDe 500 hatten die Leute jedoch gezeigt, wie gut sie wirklich waren. Die Trieb-züge hatten zwar einen schweren Start, als sie aber in Schwung kamen, funktionierten sie sehr zuverlässig.

Die sich im Bestand befindlichen Ein-heiten zeigten kaum Störungen und wenn, dann waren sie auf einzelne Züge beschränkt.

Ein sehr gutes Zeugnis für eine Indu-strie, die mutwillig zerschlagen wer-den musste.

Da nun alle Züge vorhanden waren, konnten die Dienstpläne auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2005 bereinigt werden. So galt es nun auch, die Stilllager der Neigezüge besser auszufüllen. Neben den bisherigen Einsätzen auf der West-Ost-Achse kam nun auch ein Einsatz als Interregio von Basel nach Zofingen in den Plan der ICN. Auf dieser Leistung blieb jedoch der Speisewagen geschlossen und die Leute, konnten sich nur daran erfreuen, dass die alten Pendelzüge verschwunden waren.

Jedoch blieb es bei vereinzelten Zusatzleistungen. Der Bestand war knapp, denn die Neigezüge wurden auf der Strecke zwischen St. Gallen und Genève benötigt. So fuhr einer über die NBS/ABS nach Solothurn, während ein weiterer ICN den Weg über Oensingen nahm. Dabei legte er sich zwischen Wangen an der Aare und Niederbipp kräftig in die Kurven und war daher schneller, als konventionelle Züge mit hoher Leistung.

Da der Betriebseinsatz keine Lobhudelei sein soll, müssen auch die Schattenseiten aufgeführt werden. Diese gab es bei den Neigezügen auch und dabei war eigentlich das Fahrzeug nur indirekt schuld.

Das Thema, was die Leute jedoch immer wieder herumtrieb war die Frage nach dem Speisewagen. Zwar nutzten die Fahrgäste den Wagen nur zaghaft, wenn er aber nicht da war, wurde um so lauter nach einem Speisewagen geschrien.

So lange ein Neigezug alleine verkehrte, war die Welt noch in Ordnung. Wurden dann zwei Triebzüge zu einem Zug formiert, hatte der Zug zwei Speise-wagen erhalten. Dabei wurde jedoch nur einer der beiden Speisewagen auch bedient.

Das gab dann immer wieder unfreundliche Worte von jenen Leuten, die im falschen Zug sassen und die nicht in den Speisewagen konnten, weil der im anderen Teil geöffnet war. Eine neue Situation, die es bisher nur einmal gab.

Wir erinnern uns noch an die RAe TEE II, welche auch zu zweit eingesetzt wurden und so auch zwei Speisewagen hatten. Dort spielte Geld jedoch keine Rolle und der Luxus stand hoch im Kurs.

Daher besetzte man dort beide Einheiten mit Personal. Beim ICN lag die Situation etwas anders, denn hier wurde kommerziell gearbeitet und da lohnten sich zwei Speisewagen schlicht nicht mehr. Die Leute mussten sich daran noch gewöhnen.

Eine Neuerung betraf die Strecken. Auf der Neubaustrecke zwischen Rothrist und Mattstetten konnte endlich auch ETCS Level 2 in Betrieb genommen werden. Die RABDe 500 befuhren diese Strecke bis Wanzwil, wo sie dann über die Ausbaustrecke nach Solothurn verkehrten. Beide Abschnitte konnten nun mit der betrieblichen Höchstgeschwindigkeit befahren werden und die lag bei 200 km/h. Die Stunde der Wahrheit war gekommen.

Wir erinnern uns an den Bau. Neigezüge waren vom Laufwerk her nicht besonders gut, wenn es darum ging schnell zu fahren. Die Erfahrungen mit den ETR 470 bestätigten das und bei den ICN wurde daher viel Geld in gesteuerte Laufwerke gelegt.

Der Neigezug konnte nun zeigen, ob sich die Investitionen gelohnt haben und ob er auch schnell eine gute Figur machte. Gefordert waren 200 km/h und technisch waren sogar 220 km/h möglich.

Die nun komplett mit ETCS Level 2 ausgerüsteten ICN konnten erstmals so richtig auf die Tube drücken und den kurzen Abschnitt, denn sie zwi-schen Olten und Solothurn auf der Neubaustrecke absolvierten, mit 200 km/h befahren.

Erstmals erreichte so der Neigezug fahrplanmässig seine damals im Pflichtenheft geforderte und bisher nie gefahrene Höchstgeschwindig-keit. Dabei zeigte sich, dass die Fahrwerke auch diese Situation im Griff hatten.

Wenn in der Presse Kritik an den Neigezügen geübt wurde, war man sich schnell einig, man meinte damit nicht den ICN. Vielmehr war es die Firma Cisalpino AG mit ihren missratenen Triebzügen der Baureihe ETR 470.

Gerade die Verspätungen wurden dem Zug zugeschrieben, auch wenn er nicht immer dafür verantwortlich war, es war der Cisalpino und der war zu spät. Beim ICN gab es eigentlich nur Probleme, wenn sich jemand mit empfindlichen Magen in den Zug verirrte.

Im Jahre 2006 kamen dann erste Gerüchte auf, dass die guten ICN auch am Gotthard eingesetzt werden könnten. Der Zeitpunkt, wann das geschehen sollte, hing jedoch ganz klar von der Ablieferung der neuen Pendolino vom Typ ETR 610 für die Cisalpino AG ab. Nur der neue Triebzug der Superlative liess auf sich warten und beim Hersteller sah man die Züge für die Schweiz nicht als so dringlich an. Das grosse Warten ging los.

Dieser neue Neigezug sollte den älteren ICN auf der Strecke das Fürchten lernen, denn er war schnell, schnittig und er fuhr gar noch nicht, denn beim Bau gab es immer mehr Verzögerungen. Um es vorweg zu nehmen, auch der ETR 610 war den RABDe 500 nicht gewachsen. Jedoch hatten die Neigezüge ihre Strecken und so richtig an einen ICN am Gotthard wollte eigentlich niemand glauben, dieser gehörte den ETR.

2007 wurden die Züge erstmals im Personenverkehr am Gotthard einge-setzt. Dabei handelte es sich aber um Sonderzüge, die im Rahmen des Jubi-läums 125 Jahre Gotthardbahn ver-kehrten.

Wie bei solchen Anlässen üblich, zeig-ten die Bahnen ihr Flaggschiff und das war bei den Schweizerischen Bundes-bahnen SBB nun mal der Neigezug ICN. Besonders jener, der neu auf den Namen «Louis Favre» hörte und so an den Bau erinnerte.

Gleichzeitig nutze man diese Einsätze aber um die Werte bei den Fahrmo-toren zu überprüfen, denn man traute der Eigenventilation einfach immer noch nicht über den Weg.

Sie müssen bedenken, die Sonderzüge waren sehr gut besetzt und sie muss-ten bei der Abfahrt in Erstfeld in die Steigung beschleunigen.

Werte, die mit eigenventilierten Fahr-motoren durchaus für Probleme sor-gen konnten. Die Fahrten sollten es letztlich zeigen.

Das Jahr 2007 sollte das letzte Jahr sein, mit den bestehenden Dienstplänen, denn im Dezember dieses Jahres wurden die Züge 591 und 592 aus den Plänen entfernt. So wurden ICN freigestellt und man konnte die Dienstpläne endlich etwas säubern. Ein Vorgang, der immer wieder durchgeführt wurde und der den Fahrzeugen neue Einsatzgebiete öffnete. Diese gab es nun auch für den ICN, auch wenn es nicht der Gotthard sein sollte.

Der ICN befuhr nun auch die Strecke von Basel zum Flughafen von Zürich. Dabei wurde seine Neigetechnik jedoch nicht benötigt. Man ahnte jedoch, dass diese Pläne nicht lange bestehen bleiben sollten, denn immer mehr Ärger hörte man vom Gotthard und von den dort eingesetzten ETR. Lauthals wurden die Neigezüge der Schweizerischen Bundesbahnen SBB gefordert, auch wenn diese nicht nach Italien fahren konnten.

Die ETR 470 kamen nie aus den Kinderkrankheiten heraus, und die grösste Sensation war, wenn einer dieser Züge Zürich ein-mal pünktlich erreichte. Die ETR 610, die schon lange auch vom Gotthard her nach Basel fahren sollten, machten erste Gehversuche.

Dabei war klar, der Speisewagen war zu schwer geraten. Der ETR 610 überschritt die zulässige Achslast um 500 Kg. An einen Einsatz von diesen Zügen war jedoch nicht zu denken, denn zu gross waren die Probleme damit.

Unter Druck geriet dabei nicht nur die Firma Cisalpino AG, sondern auch die Schweizerischen Bundesbahnen SBB. In der Schweiz war man sich gut funktionierende und pünktliche Züge gewöhnt. Das Teil aus Italien funktionierte nicht und kam dabei immer zu spät.

Natürlich sah man das in Italien und damit bei der FS, ganz an-ders und die ETR funktionierten zuverlässig genug. Zumindest so lange, bis Wechselstrom mit 16.7 Hz eingespeist werde.

Schliesslich tauchten im Sommer 2008 die ersten ICN am Gotthard auf. Die Neigezüge deckten dabei Interregio nach Locarno ab. Die Fahrten fanden jedoch nicht täglich statt und dienten in erster Linie dem Lokomotivpersonal, um Erfahrungen mit dem Zug zu sammeln. Dabei kamen auch einige Lokführer des Depots Luzern zum Einsatz, welche dazu speziell geschult wurden. Die Dienstpläne waren dazu so bereinigt worden, dass der betreffende Lokführer auf dem Zug blieben konnte.

Definitiv am Gotthard eingesetzt werden sollten die ICN ab Dezember 2008. Dabei verkehrten die Neigezüge der Schweizerischen Bundesbahnen SBB als Ersatz für die immer noch fehlenden ETR 610. Am Gotthard wurden daher nun sämtliche Intercitys mit Neigezügen geführt.

Die Kunden konnten daher im Fernverkehr ab sofort wählen, ob sie mit dem ETR 470 oder mit dem ICN ins Tessin fahren wollten. Die Wahl fiel dabei nicht immer auf den international einsetzbaren ETR 470.

Besonders masochistisch veranlagte Leute mit empfindlichem Magen, suchten die Herausforderung. Am Gotthard wo sich die beiden vorhandenen Kurven regelmässig abwechseln, war der Kasten eigent-lich nie so richtig still.

Die ETR 470 kämpften seit Beginn damit. Dem ICN war das jedoch egal. Auch die Kotztüten blieben beim RABDe 500 öfters leer. Der schweizerische Neigezug hatte daher auch bei diesen Personen gute Noten bekommen.

Die Dienste waren klar aufgeteilt. Lange sollte das aber am Gotthard nicht so bleiben. Die Cisalpino AG konnte ihre ETR 470 einfach nicht pünktlicher verkehren lassen, zu gross waren da die geschaffenen Probleme mit dem Fahrplan in Italien und die Störungen.

Da die Reserve fehlte, konnte man in der Schweiz froh sein, wenn überhaupt ein Zug die Grenze passierte. Wann das der Fall war, wusste man oft erst, wenn der Zug in Chiasso stand.

Bei den ICN gab es diese Probleme nicht und die Fahrmotoren hielten den grösseren Belastungen am Gotthard, sehr zur Überraschung vieler Pessimisten, stand. Was nicht für das Lokomotivpersonal galt, denn beim Richtungswechsel in Luzern lief es immer wieder bei der Bremsprobe schief und der Zug rollte, im nicht ganz ebenen Bahnhof Luzern, rückwärts gegen den Prellbock. Die Folgen waren nicht schlimm nur die Front sah ein wenig lädiert aus und der Lokführer lief rot an.

Kleine Missgeschicke, die bei der Front gut zu erkennen waren. Jedoch waren nicht immer die Lokführer dafür verantwortlich und ab und zu zeichnete sich in der Mitte die automatische Kupplung ab. Auch die Kundschaft, die keine Bahn will, erkannte, dass der ICN etwas schneller um die Ecke kam. Der kann nicht mehr rechtzeitig bremsen. Die Folge davon war, dass der Zug wieder eine verbogene Nase erhalten hat.

Letztlich wurden die Kritiken an den ETR 470 so laut, dass man nicht mehr länger zusehen konnte. Die Firma Cisalpino AG wurde aufgelöst und die Züge den Bahnen übergeben. Zusätzlich kam ein Notfahrplan zur Anwendung.

Es sollte einer der zahlreichen Notfahrpläne sein. Notnagel dabei waren jedoch immer die Neigezüge der Baureihe RABDe 500, die sich am Gotthard nun als Retter in der Not zeigten und die den Leuten auf dieser Strecke gefielen.

Schliesslich funktionierten diese Neigezüge und sie waren meistens pünktlich. Man war sich einig, mit der Liquidation der Firma sei das Problem aus der Welt geschafft.

Nur, die anfälligen ETR 470 und die etwas Besseren, aber auch nicht zweifelsfreien ETR 610 waren die Ursache.

Vor beiden Triebzügen musste sich der ICN jedoch nicht verstecken, denn der Zug der Schweizer-ischen Bundesbahnen SBB war wirklich gut gelun-gen.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass mit den zusätzlichen Zügen die Flotte ausgesprochen gut ausgelastet war. Die Erfahrung mit der Cisalpino AG hatten gezeigt, dass Reserven für den Unterhalt erforderlichen waren. Insbesondere notwendigen ersten Revisionen waren wichtig. Bei den ICN wurden diese in Yverdon ausgeführt. Zwar lag der Bahnhof an einer entsprechenden Linie, aber er musste zugeführt werden.

Nach dem Einsatz am Gotthard konnte den Neigezügen der Baureihe RABDe 500 eine sehr gutes Zeugnis ausgestellt werden. Es gab kaum grössere Störungen und wenn diese entstanden, waren sie auf einzelne Züge beschränkt. So lange der Zug mit dem Defekt am Ziel ankam, waren die Leute zu frieden und die Störungen waren wirklich sehr selten. Ein Punkt, den man gerne hervorzuheben versuchte. Zumindest bis zum 15. Februar 2010.

 

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