Fahrwerk, Neigetechnik und Antrieb

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Wenn wir uns nun dem Fahrwerk des Neigezuges zuwenden, kommen wir auch zu dem Punkt, der dem Triebzug seine Bezeichnung gab. Dabei gab es bei einem Neigezug zwei Probleme, die gelöst werden mussten. Das war die Neigetechnik, die zusätzlichen Platz benötigte und die geringen bei diesen Fahrzeugen zugelassenen Achslasten. Letztere lagen bei maximal 15 Tonnen.

Wie man das Problem mit den Achslasten löste, erkennen wir, wenn wir einen Blick auf die Achsfolge werfen. Diese wurde hier mit (1A) (A1) + (1A) (A1) + 2‘ 2‘ + 2‘ 2‘ + 2‘ 2‘ + (1A) (A1) + (1A) (A1) angegeben. Es fällt auf, dass die benötigten acht Antriebe auf vier Fahrzeuge verteilt werden mussten. Zudem gab es in diesem Zug keine ausschliesslich angetriebenen Drehgestelle.

Die Drehgestelle stammten aus dem Hause SIG. Sie wurden dem Baukastenprogramm des Herstellers entnommen und nur mit den spezifischen Merk-malen des Zuges versehen.

Der Vorteil dieser Lösung war, dass bereits ander-weitig verwendete Komponenten ohne grosse Pro-bleme eingebaut werden konnten. Es war damit auch möglich, die Kosten pro Drehgestell zu sen-ken.

Zu den neuen Komponenten gehörte zum Beispiel die Neigetechnik, welche wir später genauer an-sehen werden. Wichtig zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass diese im Drehgestelle untergebracht werden musste. Die Bauart der Drehgestelle erlaubte diesen Einbau. Dies führte dazu, dass viele Komponenten bei den im Zug verbauten Drehgestellen, gleich gebaut werden konnten.

Grundsätzlich wurden im ganzen Zug identische Drehgestelle eingebaut. Diese besassen einen Rahmen aus Stahl, der aus den Einzelteilen elektrisch verschweisst wurde. Es entstand so ein H, das jedoch über gekröpfte Schenkel verfügte und so einen tiefen Angriffspunkt für die Kräfte bei den angetriebenen Ausführungen ermöglichte. Lediglich die beiden Enddrehgestelle erhielten einen Stirnträger.

Dieser Stirnträger wurde benötigt, weil hier die Bauteile der Zugsicherung montiert werden mussten. Das waren der Sender und Empfänger für Integra-Signum und die Koppelspule für ZUB 121. Nicht vorhanden waren jedoch die benötigten Bauteile für eine Führerstandssignalisation, denn diese waren zum Zeitpunkt der Bestellung noch nicht vorhanden.

Dieser zusätzliche Träger wurde zudem nach aussen ausgerichtet, so dass diese Bauteile sehr nahe bei der Front montiert werden konnten. Ein Umstand, der jedoch in der Schweiz nicht so wichtig war, der dem Zug jedoch in diesem Punkt eine gute Absicherung erlaubte. Problematisch war eigentlich nur das in diesem Punkt beim Drehgestelle entstandene zusätzliche Gewicht.

In jedem Drehgestell wurden zwei Achsen eingebaut, die sich jedoch nur bei den ange-triebenen Modellen unterschieden. Diese geschmiedeten und hochfesten Stahlwellen wur-den an den Enden mit den für die beiden Räder und die Lager benötigten Aufnahmen und Anschlägen versehen. Unterschiede zu anderen damals verwendeten Achsen gab es bisher jedoch nicht, so dass mit Ausnahme der Räder ein üblicher Radsatz entstand.

Die einzelnen Räder waren als Monoblocräder ausgeführt worden und sie wurden auf der Achse aufgeschrumpft. Eine gängige Methode, die sich bisher bewährt hatte und die keine Probleme erwarten liess. Auch bei den angetriebenen Achsen verzichtete man auf eine Bandage. Der Grund mag überraschen, aber diese Lösung hätte mehr Gewicht bedeutet und hier musste jedes Gramm eingespart werden.

Wegen der benötigten Neigetechnik musste jedoch der Durchmesser der Räder deutlich reduziert werden. So hatten diese Monoblocräder neu lediglich einen Durchmesser von 820 mm erhalten. Im Vergleich dazu, wurden bei den neuen Reisezugwagen der damaligen Zeit Räder mit einem Durchmesser von 940 mm verwendet. Jedoch waren die üblichen Triebachsen deutlich über diesem Wert.

Diese kleineren Räder hatten den Vorteil, dass Platz geschaffen wurde und dass die ungefederte Masse kleiner wurde. Beim fertigen Zug führte das dazu, dass man über die Räder unter dem Kasten durch-sehen konnte.

Ein ungewohnter Anblick für den Betrachter, für die Achse war jedoch die höhere Drehzahl dieser Radsätze ein Problem, das berücksichtigt werden musste.

Diese Räder führten daher dazu, dass die Lager stärker belastet wurden, denn deren Drehzahl wur-de gegenüber anderen Ausführungen deutlich ge-steigert.

Sie müssen bedenken, dass deren Drehzahl bei 200 km/h in etwa gleich gross war, wie wenn der TGV mit 300 km/h über die Strecke fuhr. Ein Punkt, der daher nicht vernachlässigt werden durfte.

Die Achsen lagerten daher in aussenliegenden dop-pelreihigen Rollenlagern, die mit einer dauerhaften Schmierung mit Fett versehen wurden.

Durch die geschlossene Ausführung waren diese Lager wartungsarm. Dabei verwendete man jedoch Modelle, die auch bei Zügen für sehr hohe Ge-schwindigkeiten verwendet wurden. Dadurch konnten diese auch die höheren Drehzahlen der kleineren Räder aufnehmen.

Jede Achse wurde beidseitig gegenüber dem Drehgestellrahmen mit einer Luftfeder abgefedert. Diese Lösung erlaubte eine optimale Abfederung der ungefederten Masse, die hier sehr geringgehalten werden konnte. Ein Vorteil der gerade hier bei hohen Geschwindigkeiten in engeren Kurven ausgesprochen wichtig war und dem Zug zu einer sehr guten Laufruhe verhalf.

Die Vorteile der Laufruhe waren jedoch nicht so wichtig, wie die Möglichkeit diese Federung so einzustellen, dass das Fahrzeug optimal abgestützt wurde. Gerade bei schnellen Fahrten durch enge Kurven, drückt der Schwerpunkt auf die äussere Feder. Mit einem Ausgleichbehälter wurde diesem Umstand Rechnung getragen, so dass der Druck in der Feder erhöht wurde.

Nominell wurde im Drehgestell ein Achsstand von 2 700 mm angegeben. Dieser war für das befahren von engen Bögen ideal und passte so zum Neigezug, jedoch neigten solche Drehgestelle bei hohen Geschwindigkeiten dazu, dass das Drehgestell ins Schlingern geraten konnte. Aus diesem Grund musste der Triebzug mit speziellen Führungen bei den Achslagern versehen werden.

Die Führung der Achse im Drehgestell war, wie das bei Neigezügen nötig ist, nicht starr ausgeführt worden. Das hätte jedoch bei höheren Geschwindigkeiten zu grösseren Problemen mit dem Laufverhalten des Zuges geführt. Neigezüge galten daher nicht als besonders gut geeignete Züge für Hochgeschwindigkeitsstrecken. Beim ICN musste man daher eine spezielle Lösung für das Problem suchen.

Die Achsen wurden mit einer vom Kasten gesteuerten radialen Einstellung versehen und waren daher sehr flexibel eingebaut worden. Diese radiale Einstellung wurde bei den Einheitswagen IV mit dem Programm «Navigator» ausführlich getestet und galt daher als erprobt. Daher kam diese Lösung, welche auch bei der Lokomotive Re 460 verwendet wurde, auch hier zum Einbau. Jetzt wurde sie einfach benötigt.

Auch in engen Bögen standen die Radsätze dank der aktiven Steuerung «Navigator» immer senkrecht zur Gleisachse und wurden so weniger stark abgenützt. Bei schnel-len Fahrten waren die gesteuerten Achsen jedoch stabil und führten den Zug, ohne dass dieser stark ins Schlingern geraten wäre. Der Triebzug hatte damit bei allen Geschwindigkeiten ein gutes Fahrverhalten.

Es waren daher untypisch für Neigezüge keine flexibel gefederten Achsen vorhan-den. Vielmehr waren diese aktiv gesteuert und passten sich daher jederzeit dem Geleise an.

Der Triebzug sollte daher sehr gute Laufeigenschaften erhalten. Aus diesem Grund war die Zulassung zur neuen Zugreihe N dank dieser Steuerung kein grosses Problem für den Neigezug.

Die Abstützung der einzelnen Wagen auf den beiden Drehgestellen konnte nicht so einfach ausgeführt werden, wie das bei herkömmlichen Zügen der Fall war. In diesem Bereich setzen die Mechanismen der Neigetechnik ein und bedingten daher, dass sich der Kasten nicht direkt auf dem Drehgestell abstützen konnte. Daher müs-sen wir uns zuerst die Neigetechnik genauer ansehen.

Als grösster Unterschied zu den bisher eingebauten Neigetechniken verwendete man hier keine Lösung mit Öl. Wegen dem geringen verfügbaren Platz musste eine andere Lösung für das Problem gefunden werden. Man entschied sich für eine mechanische Lösung sowohl für das Drehgestell, als auch für den Stromabnehmer, der die Neigung ausgleichen musste. So benötigte man keine Portale.

Der Wagenkasten stützte sich im Drehgestell über eine zentrale Luftfeder auf einer Rollenwiege ab und wurde über zwei beid-seitig zwischen Kasten und Wiege eingebauten Wankstabili-satoren pro Drehgestell gegen Kippen gesichert.

Diese Stabilisatoren waren so ausgelegt worden, dass sie die Federung nicht behinderten, jedoch keine Kippbewegungen des Kastens gegenüber der Wiege zuliessen.

Damit hatten wir eine Abstützung, die bisher jener von normalen Wagen entsprach und die mit der zentralen Federung einfach etwas ungewöhnlich abgefedert wurde.

Jedoch war die Rollenwiege nicht mit dem Drehgestell direkt verbunden, denn diese wurde für die Neigetechnik des Zuges benötigt. Damit kommen wir nun zu dem speziellen Bereich.

Zwischen der Rollenwiege, welche auf Rollen seitlich beweglich war, und dem Drehgestellrahmen wurde der Stellantrieb einge-baut.

Der Antrieb hatte dabei zwei Aufgaben, denn er musste den Ka-sten stabilisieren und gleichzeitig die Neigung desselben ein-stellen. Die maximal erlaubte Neigung zur Innenseite der Kurve betrug für den Kasten bis zu acht Grad.

Wir haben daher eine aktive Kastenneigung erhalten, die bei Neigezügen wichtig war. Dank dem mechanisch ausgeführten Stellantrieb, der aus der Rüstungsindustrie stammte, reduzierte sich der Platzbedarf für die Neigeantriebe auf den Bereich zwischen dem Kasten und dem Drehgestell. Diese war dank den kleinen Rädern und dem gekröpften Rahmen vorhanden.

Erreicht wurde die Neigung mit Hilfe einer Gewindestange, die hier als Spindel bezeichnet wurde. Diese wurde durch einen Motor in Bewegung versetzt.

Durch die veränderte Länge der Stange wurde der Kasten zur Seite gedrückt. Dank der vom Panzer Leopard stammenden Lös-ung, war diese Veränderung in sehr kurzer Zeit möglich, was bei Einfahrten in Kurven wichtig war.

Der Querträger wurde dabei mit einem Führungszapfen in der Rollenwiege gehalten und so in der Position fixiert. Ein Dreh-zapfen im herkömmlichen Sinn gab es nicht mehr, so dass die Drehgestelle sich um einen virtuellen Punkt drehten.

Dabei war jedoch gesichert, dass diese Bewegungen des Drehgestells gegen die eingebaute Hemmung frei erfolgen konn-te.

Bei Ausfall der Steuerelektronik, oder der Neigeantriebe, fiel jedoch die Kraft der Stellmotoren aus und der Stellantrieb war ohne Funktion. Er konnte so den Kasten nicht mehr bewegen. Nun bewirkte die Rollenwiege, dass sich der Kasten alleine durch seine Schwerkraft und die Massenträgheit automatisch aufstellte und in der Mittellage fixiert wurde.

Wir haben nun die Kasten auf den Drehgestellen abgestellt und können die Höhe des Zuges bestimmen. Diese Höhe lag beim RABDe 500 bei 3 950 mm. Im Vergleich zu anderen Triebwagen (RBDe 4/4) der damaligen Zeit, war der Zug nur unwesentlich höher, aber immer noch tiefer als ältere Modelle (RBe 4/4). So passte er ideal in das Lichtraumprofil der Schweizerischen Bundesbahnen SBB. Wobei seitlich der Kasten leicht eingezogen werden musste.

Uns fehlt damit eigentlich nur noch der Antrieb. Dieser stellte das grösste Problem bei der Einhaltung der erlaubten Achslasten dar. Zudem musste dieser so ausgeführt werden, dass die ungefederte Masse deutlich reduziert werden konnte. Aus diesem Grund war es nicht möglich beide Achsen eines Drehgestells anzutreiben und die angetriebenen Achsen wurde im Zug verteilt.

Die einfachste Lösung für dieses Problem war einfach, die Fahrmotoren durften nicht im Drehgestell montiert werden. Das führte dazu, dass der Motor am Boden des Kastens montiert wurde. Um seine Schwingungen zu dämpfen wurden dabei Silentblöcke verwendet. Zudem war nur gegen die Innenseite jedes Wagens für den Fahrmotor genug Platz vorhanden.

Das führte dazu, dass die Antriebe auf den Zug verteilt werden mussten. Daher wurde in den Wagen eins, zwei, sechs und sieben, also in den Wagen der zweiten Wagenklasse, in jedem Drehgestell immer nur die innere Achse angetrieben. Das ergab für den ganzen Zug acht Triebachsen, die immer nur zu zweit unter einem Wagen vorhanden waren.

Da der Motor nun jedoch die Bewegung des Drehgestells nicht mitmachen konnte, wurde sein Drehmoment mit Hilfe einer Gelenkwelle auf die ange-triebene Achse übertragen.

Dank dieser Gelenkwelle konnten durch deren Veränderung der Länge die Bewegungen des Triebdrehgestells und des Neigeantriebs ausgeglichen wer-den. Zudem erhöhte es die ungefederte Massen nicht so stark.

An der Triebachse selber wurde ein Achsgetriebe montiert. Dieses Achsge-triebe sorgte einerseits für die Lagerung der Gelenkwelle, drehte die Richtung des Drehmoments und übersetzte die Drehzahl des Fahrmotors auf jene der Triebachse.

Somit war auch gleich eine Anpassung der Drehzahlen erfolgt und man konnte ein schweres Getriebe verhindern und so die Achslast der Triebachse erneut senken.

Technisch wäre es jedoch möglich gewesen, die beiden Achsen mit einer weiteren Gelenkwelle zu verbinden. Dies ging hier nicht, weil damit das Gewicht erhöht worden wäre und weil durch die Konstruktion des Triebdrehgestells dafür schlicht der Platz nicht vorhanden war.

Daher konnte man nur die erwähnte Lösung umsetzen, was jedoch kein Problem darstellen sollte. Der Zug sollte auch ausgelastet über eine ausrechend hohe Zugkraft verfügen und daher optiaml beschleunigen können.

So lag die Achslast des Triebradsatzes nur unwesentlich über jener der Laufachse. Sie konnte im gesamten Zug auf einem Wert, der knapp unter 15 Tonnen lag, gehalten werden. Damit waren hier die Vorgaben des Pflichtenheftes eingehalten worden.

Wobei die höchsten Werte ausgerechnet in einem Fahrzeug, das über keinen Antrieb verfügte, erreicht wurden. Wie bei den anderen Neigezügen lag die höchste Belastung auch hier beim Speisewagen.

Das so auf die Triebachse übertragene Drehmoment wurde in den Rädern mit Hilfe der Haftreibung zwischen Lauffläche und Schiene in Zugkraft umgewandelt.

Die hier geltenden physikalischen Grundsätze konnten wegen der geringen Leistung eines Fahrmotors und damit der Triebachse, auch ohne zusätzliche Massnahmen, wie Sandstreuein-richtungen, eingehalten werden.

Die Zugkraft wurde dann über die Führungen der Achslager und die Mitnehmer auf das Drehgestell übertragen. Ab dort erfolgte der Kraftfluss über den Neigeantrieb auf den Kasten.

Somit erfolgte hier wieder die gewohnte Übertragung der Kraft. Auf eine Tiefzugvorrichtung konnte dank dem gekröpften Drehgestell verzichtet werden. Das senkte zusätzlich die Kosten.

Da beim Triebzug jedoch keine zusätzlichen Wagen angehängt wurden, wurde die Zugkraft aller Triebachsen in Beschleunigung umgewandelt. Diese Beschleunigung war mit einem Wert von 0.59 m/s2 angegeben worden und daher nicht besonders hoch.

Da es sich jedoch um einen Zug im Fernverkehr ohne häufige Halte handelte, konnte dieser Wert als Ideal angesehen werden.

Was jedoch bei einem Triebzug wichtiger wird, ist die Steigfähigkeit. Die maximal befahr-baren Steigungen wurden bei diesem Fahrzeug mit 38‰ angegeben. Damit waren nur wenige Strecken im Netz nicht befahrbar. Für den halben Zug sank dieser Wert jedoch auf 21‰. Jetzt war es jedoch nicht mehr möglich die Gotthardstrecke mit dem Zug zu befahren.

 

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