Beschaffung durch SBB Cargo

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Seit 2000 war es in der Schweiz nicht mehr üblich massgeschneiderte Modelle bei der Industrie zu bestellen. Bei einfachen Lösungen, wie dies neue Lokomotiven sind, gab der Hersteller das Modell vor. Vorbei waren auch die Zeiten, wo klar war, dass die neuen Triebfahrzeuge aus der Schweiz geliefert würden. Die dafür benötigen Firmen waren verschwunden. Bahnen in der Schweiz mussten sich daher umsehen.

Um dem in der Schweiz geltenden Recht zu entsprechen, musste für jedes Fahrzeug eine umfangreiche internationale Ausschreibung erfolgen. Wie der eigentliche Konzern Schwei-zerische Bundesbahnen SBB musste sich auch dessen Tochter SBB Cargo an diese Vorgaben halten.

Gerade bei den hier vorgestellten Lokomotiven war die damit verbundene Verzögerung sehr hinderlich. Eine kleine Serie schnell geliefert musste her.

Die Zusammenarbeit mit Trenitalia war aufgekündigt worden und nun musste das Unternehmen eigene Lokomotiven be-schaffen, die für die Strecken in Italien und in der Schweiz zugelassen waren. Als die Ausschreibung kam, hätten die Lokomotiven bereits geliefert sein sollen. Das wurde auch so erwähnt und so war für die Firmen eigentlich klar, dass man sich nicht die Zeit für neue massgeschneiderte Maschinen nehmen konnte.

Wir hingegen nehmen uns die Zeit. Eine bei den Bahnen übliche Ausschreibung umfasste rechtliche Belehrungen und technische Hinweise. Auch wenn es so nicht mehr vorhanden war, es wurde ein Pflichtenheft erstellt. So wussten die Hersteller, was der Kunde erwartet. Ein Angebot kann so abgegeben werden. Wir bleiben nun kurz beim Pflichtenheft, denn noch müssen wir erfahren, was sich SBB Cargo denn wünschte.

Wenn wir einige Punkte aus dem Pflichtenheft, das ein wichtiger Bestandteil der Ausschreibung war, ansehen, dann wird es spannend. Die Angaben zur installierten Leistung wurden nicht ausgeführt. Vielmehr erwähnte man das Traktionsprogramm. Bei der Anfahrzugkraft sollten 300 kN vorhanden sein. Auf flacheren Abschnitten sollte mit den damals auf 1 600 Tonnen beschränkten internationalen Güterzügen 100 km/h gefahren werden.

Solche Angaben waren mittlerweile überall üblich, denn die perfekt abgestimmte Lokomotive war schlicht nicht mehr zu bekommen. Es waren Modelle, die in einem Katalog der Hersteller vorhanden waren.

Auch wenn sie damals noch nicht so ausgeprägt waren, der Baukasten war vorhanden. In diesem konnte man sich dann ein so gut wie möglich passendes Modell zusammen bauen. Ähnlich wie beim Auto, wo man auch zurüsten kann.

Aufgeführt wurden die Hinweise zu den verwendeten Spannungen. Da das heimische Netz befahren werden soll-te, war Wechselstrom mit 15 000 Volt und 16.7 Hertz klar. Hinzu kam, dass auch in Italien mit 3 000 Volt Gleichstrom gefahren werden sollte.

Weitere Spannungen waren jedoch nicht erwähnt worden. Das in Italien neu verbaute Netz mit 25 000 Volt und 50 Hertz, sollte nicht mit den Lokomotiven befahren werden.

Viele der aufgeführten Punkte können wir getrost weglas-sen, denn diese erwähnten Punkte, die auf die Strecken abgestimmt waren. Insbesondere die für starke Gefälle verlangte Nutzstrombremse gehörte dazu.

Es war somit klar, dass man mit den neuen Lokomotiven auch die Alpen durchqueren wollte. In Zukunft sah man einen Wechsel der Triebfahrzeuge im Bahnhof Arth-Goldau vor, wo auch Personal vorhanden war.

Wichtiger Punkt war, dass die Lokomotiven mit den erforderlichen Zulassungen für beide Länder geliefert werden müssen. SBB Cargo wollte sich nicht mehr mit den erforderlichen Versuchsfahrten befassen. Sie machen das ja bei Ihrem neuen Wagen auch so, denn wenn Sie diesen beim Händler abholen, sind die Zulassungen vorhanden. Bei Triebfahrzeugen für die Bahnen war das auch so, auch wenn man Hilfe anbot.

Die Hilfe bestand darin, dass man dem Hersteller die Strecken, die Messwagen und das Personal zur Ver-fügung stellte. Die Nachweise und die verlangten Dokumente an die Zulassungsbehörde waren jedoch Angelegenheit der Hersteller.

Noch ahnte man nicht, dass für diese in jedem Land ein LKW für den Transport benötigt werden würde. Was in der Schweiz gefordert wurde, war in ande-ren Ländern verboten. Dazu gehörten die Rückspiegel, die es in der Schweiz gab.

Wichtig ist in jedem Fall auch die Lieferfrist und daher wurde diese auch in dem Dokument vermerkt. Da die Zusammenarbeit bereits aufgekündigt worden war, gestand man den angeschriebenen Herstellern nach der Unterzeichnung des Vertrages lediglich eine Lieferfrist von einem Jahr zu. Alleine für die Zulassungen war der grösste Teil dieser Zeitspanne vorzusehen und so konnte keine neue Konstruktion vorgesehen werden.

All diese Punkte und die extrem kurze Lieferfrist machten es den Herstellern nicht sehr leicht. Daher wurde schon bei der Ausschreibung berücksichtigt, dass es auch mehrere Modelle geben könnte, denn die erforderliche Anzahl war auch ohne die zeitraubende Entwicklung nicht zu schaffen. Wie gesagt, die Lokomotiven sollte ja bereits verkehren, als man den Erbauer dafür noch am suchen war. Die Kündigung war überstürzt ausgesprochen worden.

Da man auch bei den Bahnen sehr aufmerksam die vielen Veränderungen bei den Lieferanten und deren Eigenentwicklungen ansah, wusste SBB Cargo eigentlich sehr genau, was bei der Ausschreibung herauskommen könnte. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass man sich im Bereich der Viersystemlokomotiven bewegte. Der Grund waren ausgerechnet die erforderlichen Systeme in Wechsel- und Gleichstrom, die benötigt wurden.

Wenn wir nun berücksichtigen, dass mehrere Hersteller berück-sichtigt werden sollten, dann lohnt sich ein Blick in die Kataloge der Firmen.

Bei Bombardier und damit beim Lieferanten für die Baureihe Re 482 war das Modell mit vier Systemen erst gerade in der Entwicklung. Die hier nicht weiter verfolgte Re 484 war ein Teil dieser Entwicklung. Merkmale der späteren TRAXX 2 waren bereits vorhanden, aber nicht alle.

Anders sah es bei Siemens aus. Dort hatte man für den Markt in Deutschland mit der Reihe BR 189 bereits eine Viersystemlokomotive. Alleinig die Zulassungen für Italien und die Schweiz waren nicht vorhanden. Mit geringen Anpassungen hatte der Hersteller das Muster und daher stand Siemens mit der ES64F4 wirklich sehr gut da. Den Vorteil sollte man nutzen können, denn es war ein lukrativer Auftrag mit sehr viel Ruhm.

Andere Hersteller von Lokomotiven hatten entweder kein passendes Modell, oder auch keinen entsprechenden Katalog. Gerade in Frankreich, wo man schon lange mit zwei Stromsystemen arbeitete, waren die Hersteller nicht bereit. Man hatte sich zu sehr auf den heimischen Markt beschränkt und mit der Reihe 437 sollte auch die Schweiz erreicht werden. Es fehlte eigentlich nur die verlangte Leistung, denn da lag man zurück.

Von den auf die Ausschreibung eingegangenen Offerten kamen nur jene der Firmen Bombardier und Siemens in die engere Auswahl. Beide hatten Modelle angeboten, die auch über Merkmale verfügten, die eine Zulassung in Deutschland ermöglicht hätten. Auch wenn das von SBB Cargo nicht gefordert wurde, denn hier sah man das Problem mit den Stromabnehmern. Jeweils ein Ersatzbügel, erlaubte nur zwei Schleifleisten.

So kam es, dass die Firma Siemens erstmals Lokomotiven an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB liefern durfte. Zwar musste man sich den Auftrag mit dem kanadischen Konzern Bombardier teilen, aber die Lieferung als solches war schon Grund genug um an den Erfolg zu glauben. Da zwei vergleichbare Maschinen in den Bestand kommen sollten, wurden diese von SBB Cargo anhand der Bezeichnungen unterschieden.

Bei den Modellen von Bombardier wurde die Bezeichnung Re 484 vergeben. Das war eine direkte Folge davon, dass es sich hier um eine reine Weiterentwicklung der Reihe Re 482 handelte. Das Schema der Schweizer Bahnen sah mit dem neuen Gerüst genau eine solche Trennung vor. Mit der zwei und der vier wurden die vorhandenen Stromsysteme angezeigt. Auch die Re 484 war daher für vier Systeme ausgelegt worden.

Anders war es bei den Modellen von Siemens. Vergleichbare Modelle gab es noch nicht und man nutzt für diese Lokomotiven eine entstandene Lücke. Daher bekamen diese Maschinen die Bezeichnung Re 474. Diese müssen wir uns nun etwas genauer ansehen, denn auch für den Hersteller mit der Viersystemlokomotive war es nicht so leicht, wie man meinen könnte, denn auf die Bedingungen von SBB Cargo passte keine Variante.

Daher wurden die Lokomotiven Re 474 von SBB Cargo als neue Version F der Baureihe ES64F4 geführt. Speziell war, dass von der Firma Siemens ebenfalls Elemente für Deutschland vorhanden waren. Dies betraf jedoch nur die benötigte Zugsicherung. Andere Merkmale fehlten jedoch, da ja in jedem System ein zweiter Stromabnehmer als Ersatz vorgesehen war. Der Einsatz in Deutschland war daher nicht möglich.

Ein Problem gab es noch bei den Bezeichnungen. Die in der Schweiz geläufigen Lösungen konnten in Italien nicht be-nutzt werden. Von den Behörden wurde ein nach den eigenen Normen aufgebautes System für die Bezeichnung verlangt.

Aus diesem Grund sollte es für diese Lokomotiven neben dem Namen Re 474 auch noch die Baureihe E 474 geben. Auch wenn es scheinbar zwei Baureihen waren, es waren die gleichen Maschinen.

Obwohl die neuen Lokomotive nur unter zwei Systemen ein-gesetzt werden sollten, wurden die Maschinen mit vier Systemen ausgerüstet. Das galt sowohl für die Reihe Re 484, als auch für die Baureihe Re 474.

Der Grund dafür war bei den neuen Baukasten der Hersteller zu suchen, denn dort gab es bei der Kombination von Gleich- und Wechselstrom nur Lösungen mit allen vier gängi-gen Stromsystemen der europäischen Bahnen.

Bei den Kosten für eine Lokomotive gab es keine Unter-schiede zu einer Variante mit zwei Systemen mehr, so dass man alles eingebaut hatte.

Für die Ausführung von SBB Cargo wurden einfach nur zwei Systeme freigeschaltet. Die Zugsicherung nach den Normen der Deutschen Bahn DB war nur als Mitgift vorhanden, da Teile davon auch in der Schweiz genutzt wurden. Welche das waren werden wir noch erfahren.

SBB Cargo bestellte in einem ersten Los bei der Firma Siemens zwölf Lokomotiven vom Typ ES64F4 in der Konfiguration VF. Dabei wurde jedoch auch eine Option von weiteren sechs Lokomotiven vorgesehen. Diese wurde kurze Zeit später von SBB Cargo eingelöst. Somit sollten letztlich 18 Lokomotiven der Baureihe Re 474 ausgeliefert werden. Zu einer weiteren Beschaffung kam es nicht mehr, weil auch der Hersteller das Modell weiter entwickelte.

Neben den 18 Lokomotiven in der Version VF baute man bei der Firma Siemens viele Lokomotiven in den anderen Versionen, die in der Schweiz ver-kehren sollten. Aus diesem Grund habe ich auch diese in der Tabelle speziell markiert.

Keine davon sollte aber nach dem Bezeichnungs-schema der Schweiz benannt werden und die Re 474 waren nur in der Version F vorhanden. Dabei wurden diese Mietlokomotiven sogar noch wichtig.

Bei der Firma Dispolok wurden schnell passende ES64F4 geschaffen und mit diesen konnte schon vor dem eigentlich Auftrag die Zulassungen für die Schweiz und für Italien erlangt werden.

Dieser spezielle Umstand wurde nun genutzt, denn von diesen Versionen kamen ebenfalls Maschinen zu SBB Cargo. Auch wenn später die Firma MCRE den Markt übernahm, es waren immer gemietete Lokomotiven und daher nie von SBB Cargo.

Zu erkennen waren die Mietlokomotiven am Anstrich. Bei der Dispolok wurden dazu die eigenen Farben für die Bereiche der Führerstände benutzt. Auch wenn an der Seite SBB Cargo zu erkennen war, die beiden Führerstände waren gelb und somit war die Mietlokomotive leicht zu erkennen. Später bei MRCE wurden sie dann schwarz eingefärbt. Weiter auf diese Farbgebungen werde ich jedoch nicht mehr eingehen.

Der folgende Artikel behandelt daher die Reihe Re 474. Wo nichts anderes erwähnt wird gelten die gemachten Hinweise auch für die Konfigurationen VD und VE, die bei den erwähnten Mitlokomotiven gewählt wurden. Somit lernen wir indirekt auch die Baureihe BR 189 kennen. Es war wirklich nur noch eine Frage der vom EVU gewünschten Konfiguration, die bei bestehenden Lokomotiven nachträglich noch geändert werden konnte.

 

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