Entwicklung, Finanzierung und Beschaffung

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Eigentlich war alles klar geregelt. Die BLS entwirft das Pflichtenheft für die neue Lokomotive und der Kanton Bern sorgt für die Finanzierung. So schön das klingt, es war in etwa der einzige Punkt, in dem es so kommen sollte, wie geplant. Dabei begann alles in einer damals üblichen Art und Weise. Die verantwortlichen Stellen suchten in Europa nach einem passenden Modell. Danach wird dieses angesehen und eventuell verwendet.

Eine Idee war die Beschaffung von Motorwagen. Jedoch bewährten sich die Modelle der Reihe Ce 2/4 nicht besonders. Aus diesem Grund wurden 1919 auf den bereits mit Fahrleitung versehenen Abschnitten Versuche ausgeführt. Es handelte sich dabei um ein von den Firmen Dyle et Bacalan und Westinghouse erbautes Fahrzeug. Geliefert wurde dieses als Triebwagen bezeichnete Modell an die Compagnie des chemines de fer du Midi.

Das Fahrzeug, das von der Gesellschaft für Versuche in die Schweiz geschickt wurde, war vom Typ E ABD. Dabei müssen wir wissen, dass die Midi, wie man die Gesellschaft nannte, damals mit einer Fahrleitung für 12 000 Volt und 16 2/3 Hertz Wechselstrom versehen war. Das Versuchsfahrzeug passte daher nicht zur BLS, was aber mit einem Transformator korrigiert werden konnte. Den Fahrten mit den Triebwagen aus Frankreich stand damit nichts mehr im Weg.

Die Ergebnisse aus den Versuchsfahrten mit dem Modell aus Frankreich waren aber nicht befriedigend. Es zeigte sich, dass die Laufeigenschaften nicht viel besser waren, als das bei den Motorwagen Ce 2/4 der Fall war. Durch die bei solchen Fahrzeugen in den Drehgestellen verbauten Motoren und den Tatzlagerantrieb erhöhte sich die ungefederte Masse. Diese verschlechterten die Laufeigenschaften und schüttelte den Triebwagen durch.

Um die Episode mit diesem Triebwagen aus Frankreich abzuschliessen, muss noch erwähnt werden, dass von diesen Modellen zwei auf Gleichstrom umgebaute Exemplare später bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB eingesetzt wurden. Dabei verkehrten diese auf der mit diesem System elektrifizierten Strecke zwischen Genève und La Plaine. Doch nun wollen wir uns wieder der BLS zuwenden und deren Lösung ansehen.

Daher wurde die Entwicklung von neuen Trieb-wagen gestoppt. Für die Dekretsbahnen sollten da-her Lokomotiven beschafft werden. Auch dort suchte man nach passenden Modellen.

Jedoch war die Ausbeute an passenden Modellen noch bescheidener, denn alle bisher vorhandenen Maschinen war zu schwer, oder aber sie funk^-tionierten nicht wunschgemäss.

Eigentlich passten von den Achslasten nur die bei-den Maschinen aus dem Versuchsbetrieb im Raum Zürich.

Mit anderen Worten, die BLS hatte nichts anderes zu machen, als eine Lokomotive für Nebenbahnen zu entwickeln.

Wie stark das so entstandene Modell mit den Bah-nen verbunden wurde, zeigt nur schon, dass das neue Triebfahrzeug der BLS-Gruppe schlicht als «Dekretsmühle» bezeichnet wurde. Daher lohnt es sich, wenn wir einen etwas genaueren Blick in das Pflichtenheft werfen. Dabei müssen wir nicht einmal in die Details gehen.

Da auch wir dazu neigen eine Neuerung mit etwas Bekanntem zu vergleichen, müssen wir ein Muster finden. Bei der BLS bietet sich in diesem Punkt eigentlich nur die Baureihe Fb 5/7 an. Dabei besteht jedoch nun das Problem, dass wir eine komplett andere Anforderung haben. Daher müssen wir das Pflichtenheft so ansehen, als gäbe es keine vergleichbaren Modelle. Nicht weil ich zu faul bin, sondern weil es diese damals auch nicht gab.

Mit dem allgemeinen Beschrieb im Pflichtenheft bekommt man einen guten Einblick. Die BLS wünschte eine Lokomotive, die für Nebenbahnen geeignet war. Damals sah man eigentlich nur die Transitstrecke als Vollbahn an. Jedoch ist damit auch bereits klar, dass die Achslasten geringer ausfallen würden und somit gewisse Punkte der Bergstrecke nicht berücksichtigt würden. Was das genau bedeutete, zeigen ein paar ausgewählte Punkte.

Die neue Lokomotive sollte sowohl für Reise-, als auch für leichte Güterzüge, auf Nebenstrecken geeignet sein. Dabei sollten in Steigungen von bis zu 15‰ Anhängelasten von bis zu 310 Tonnen mit 35 km/h befördert werden. Das entsprach den Werten, wie es sie auf den meisten Strecken der BLS-Gruppe zu berücksichtigen gab. Das galt auch für den Abschnitt zwischen Spiez und Bönigen, wo die Werte für die anderen Bahnen galten.

Es gab jedoch noch eine Strecke, die nicht berücksichtigt wurde. Auf der mit 25‰ starken Steigungen versehenen Strecke der Bern – Schwarzenburg - Bahn BSB musste von der neuen Lokomotive jedoch eine Anhängelast von 180 Tonnen mit der gleichen Geschwindigkeit mitgenommen werden können. Wegen den im Pflichtenheft fehlenden Angaben zu den grösseren Steigungen der Lötschbergstrecke, war erkennbar, dass die neue Maschine dort nicht verkehren sollte.

Der Grund war eigentlich simpel, denn die Reihe Fb 5/7 konnte grössere Lasten bei höherer Geschwindigkeit befördern. Genau deshalb können wir keinen direkten Vergleich anstellen. Auch bei den weiteren Punkten gab es deutliche Unterschiede. Das umfasste auch die auf der Bergstrecke neu verlangte elektrische Bremse, denn auf diese wurde im Pflichtenheft ausdrücklich verzichtet und so ein einfacher Aufbau verlangt wurde.

Die geforderte Leistung lag bei ungefähr 1000 PS. Diese Leistung sollte in einer Lokomotive eingebaut werden, die maximal nur 12.5 Tonnen Achslast haben durfte. Damit konnte man darauf verzichten, den Oberbau der Nebenbahnen auf einen Wert der Vollbahnen zu verstärken. Ein Punkt, der gewählt werden musste, weil die verfügbaren finanziellen Mittel einen grossen Umbau der Nebenstrecken nicht erlaubte.

Bei der Höchstgeschwindigkeit kam man den Her-stellern etwas entgegen. Dabei waren jedoch die befahrenen Strecken massgebend. Auf den meisten Bahnen waren damals die Werte bei 60 km/h angelegt worden.

Daher legte man den Wert der Lokomotive ent-sprechend fest. Da jedoch bei der BN höhere Ge-schwindigkeiten zugelassen waren, musste bei der Konstruktion darauf geachtet werden, dass auch eine Erhöhung auf 70 km/h möglich war.

Man ging bei der Lokomotive von vier Triebachsen aus. Die sollten mit zwei führenden Laufachsen er-gänzt werden. Die Achsfolge der Lokomotive war somit definiert worden.

Bei der Bezeichnung ging man daher davon aus, dass diese als Fc 4/6 erfolgen könnte. Wobei die Lo-komotiven der Schweizerischen Bundesbahnen zeigten, dass Drehgestelle in engen Kurven besser waren. So war effektiv die Bezeichnung Fc 2x2/3 zu erwarten.

Dazu sollte es jedoch nicht kommen, denn während sich die ersten Maschinen im Bau befanden, wurden die Bezeichnungen in der Schweiz geändert. Aus der Lokomotive wurde daher die Baureihe Ce 4/6. Bei der Steigerung der Geschwindigkeit auf 70 km/h änderte sich diese auf Be 4/6. Es waren die ersten Lokomotiven der BLS, die von Beginn an die neue Bezeichnung hatten. Daher wird auf dieser Seite auch mit diesen gearbeitet.

Das Pflichtenheft wurde anschliessend an die entsprechenden Hersteller abgegeben. Wobei damals die Auswahl nicht besonders hoch war, da es noch nicht so viele Hersteller gab, die sich auf Wechselstrom verstanden. Das war in der Schweiz sicherlich die führende MFO, aber auch die neu auch mit diesem System arbeitende BBC war eine Option. Selbst die Möglichkeit von im Ausland gebauten Maschinen bestand.

Von den eingereichten Vorschlägen entschied sich die BLS schliesslich für ein Modell, das von der Maschinenfabrik Oerlikon MFO angeboten wurde. Der mechanische Teil sollte jedoch von der Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik SLM in Winterthur stammen. Dabei sollte Maschine eine Leistung von 760 kW, oder 1035 PS besitzen. Selbst bei der Höchstgeschwindigkeit lag der Hersteller mit 65 km/h über dem Wunsch.

Das wichtigste bei der angebotenen Lokomotive war jedoch die Achslast. Diese sollte gemäss dem Hersteller sowohl für die Lauf- als auch für die Triebachsen eingehalten werden. Damit war man nun bei der BLS bereit für die Bestellung der neuen Baureihe. Diese sollte insgesamt 14 Lokomotiven nach dem Baumuster Ce 4/6 umfassen. Diese Maschinen sollten die Betriebsnummern 301 bis 314 erhalten und so sollten verteilt werden.

Knackpunkt war dabei die geforderte kurze Lieferzeit, da die Lokomotiven bestellt wurden, als die Fahrleitung auf den Strecken schon bald fertig war. Die MFO sah sich auch wegen der grossen Serie von Lokomotiven der Baureihe Ce 6/8 II für die Schweizerischen Bundesbahnen SBB ausser stande diese Fristen einzuhalten. Doch gerade in diesem Punkt konnte die BLS nicht warten und daher musste eine Lösung gefunden werden.

Die BLS musste daher die Bestellung der Lokomotiven aufteilen. Die MFO sollte daher lediglich die Nummern 301 bis 307 bauen. Bei den restlichen Maschinen sollte jedoch die Brown Boveri und Companie BBC in Münchenstein berücksichtigt werden. Eine Aufteilung, die der MFO nicht passte und so gab es im elektrischen Teil zwischen den Maschinen Unterschiede. Da die SLM für alle Modelle den mechanischen Teil lieferte, gab es dort jedoch keine Unterschiede.

 

Typ Nummer Bahngesellschaft
Ce 4/6 301 – 303 Bern – Lötschberg – Simplon
Ce 4/6 304 – 305 Spiez – Erlenbach – Bahn
Ce 4/6 306 – 307 Erlenbach – Zweisimmen – Bahn
Ce 4/6 308 – 312 Gürbetalbahn
Ce 4/6 313 – 314 Bern – Schwarzenburg – Bahn
                       

In der oben eingefügten Tabelle mit der Verteilung der 14 Lokomotiven erkennt man, dass die in Oerlikon gebauten Modelle im Raum Spiez eingesetzt werden sollten. Die aus Münchenstein angelieferten Maschinen kamen jedoch im Raum Bern in den Einsatz. Das ändert sich auch nicht, wenn die die später bestellten drei Maschinen für die BN dazu nehmen würden. Betrieblich sollte es jedoch nie so klar aufgeteilt bleiben.

Soweit war die Welt in Ordnung, wäre da nicht die Finanzierung gewesen. Diese konnte von den Bahnen nicht gestemmt werden. Es musste daher eine andere Form für die Finanzierung gefunden werden.

Daher kam es dazu, dass die Lokomotiven durch die Berner Kan-tonalbahn gekauft wurden. Erst mit deren Zusage konnten die Verträge endlich unterschrieben werden. Der Beschaffung von 14 neuen Lokomotiven stand nichts mehr im Weg.

Die Kantonalbank übergab schliesslich die Maschinen den ein-zelnen Bahnen gegen eine Mietgebühr. Später konnten diese je-doch von den Gesellschaften auch käuflich übernommen werden.

Heute kennen wir solche Lösungen und sie werden als Leasing bezeichnet. Damals gab es diese Regelungen jedoch noch nicht und so gab es im Vorfeld der Lieferung Differenzen zu den an den Lokomotiven anzubringenden Anschriften.

Als rechtmässigen Besitzer sah sich die Berner Kantonalbank und diese verlangte die entsprechenden Anschriften. Jedoch sahen das die einzelnen Bahnen ganz anders.

Letztlich führte das jedoch dazu, dass die auffälligen An-schriften, wie es sie bei der Reihe Be 5/7 gab, bei der Reihe Ce 4/6 nicht mehr vorhanden waren. Zur Klärung der Zuteilung durf-te schliesslich an den Stossbalken ein einfacher Hinweis ange-bracht werden.

Diese erste Bestellung, die dank der Bank doch noch getätigt werden konnte, wurde später noch um drei weitere Maschinen erweitert. Diese besassen die geforderte höhere Höchstgeschwindigkeit und sie wurden als Be 4/6 bezeichnet. Gebaut wurden auch diese Lokomotiven bei der BBC in Münchenstein. Mit anderen Worten, die von der MFO entwickelte Baureihe, wurde zum grössten Teil von der Firma geliefert, in im Wettbewerb stand.

Somit gelangten insgesamt 17 Lokomotiven dieser Baureihe zur BLS-Gruppe und wurden dort unter den Bahnen der neuen BLS-Gruppe verteilt. So konnte die vom Besteller verlangte kurze Lieferzeit eingehalten werden. Trotzdem dauerte die Lieferung aller 17 Lokomotiven über vier Jahre, wobei eigentlich nur die drei später bestellten Modelle der Baureihe Be 4/6 im Jahre 1924 ausgeliefert wurden. Es gab daher eine Lücke.

 

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