Tour 599: Goldau - Singen

Der Wecker holt mich aus dem tiefsten Schlaf. Die Zeit an der Uhr, die ich nach ein paar Sekunden auch gefunden habe, zeigt gerade 23:30. Welcher Idiot hat denn diesen dämlichen Wecker um diese blöde Zeit gestellt? Aha, das war ja ich vor nicht ganz sechs Stunden. Es ist wohl Zeit aufzustehen. Der zweite zur Sicherheit gestellte Wecker meldet sich nur kurze Zeit später und nervt, weil er sich nicht so leicht abstellen lässt.

Etwas benommen bin ich schon, denn so früh aus dem Bett will niemand und schon gar nicht ich, denn normalerweise werde ich jetzt erst etwas müde. Wie, Sie meinen es sei spät? Ja stimmt eigentlich, es ist spät, aber für die heutige Tour muss ich so früh oder spät aus dem Bett. Nun verstehe ich es auch nicht mehr ganz. Ist denn jetzt Montag oder Dienstag? Der Kalender hilft auch nicht weiter, denn er meint, es sei Montag.

Ich fahre heute beziehungsweise morgen Dienstag die frühste Tour vom Standort Arth-Goldau. Dabei kann ich wirklich für den ganzen Standort sprechen, denn bei den anderen Bahnen beginnt um diese Zeit langsam die Nachtruhe. Es geht so früh los, dass ich schon am Tag davor aus dem Bett steigen muss. Freiwillig würde ich das nie tun. Klar, ich hätte etwas warten können, aber ich muss den Wagen nehmen und es wurde Schnee gemeldet. Da plane ich etwas mehr Zeit ein.

Ein Kaffee der Marke "hallo wach", soll den letzten Schlaf aus den Gliedern vertreiben. Dazu muss ich aber die Maschine zum Leben erwecken, denn auch die geniesst die Ruhezeit und ist daher im Standby geschaltet.

Etwas braucht auch sie, bis sie erwacht ist und ich den Kaffee zubereiten kann. Die Zeit kann ich mit anderem, als mit Maschine anstarren, verbringen. Ich verlasse die Küche.

Der Besuch im Bad beschert meinem Gesicht eine kühle Dusche. Gut, eine sehr kühle Dusche will ich meinen. Das sollte auch helfen um die müden Augen zu wecken und etwas klarer zu denken.

Schliesslich sollte ich schon einen klaren Blick haben, wenn ich mit dem Auto durch die Nacht zur Arbeit fahre. Aber bis es so weit ist, habe ich noch etwas Zeit, denn zu knapp stehe ich nicht gerne auf. So kann ich in Ruhe erwachen und muss nicht losstressen.

Es ist nicht so, dass ich viel zu wenig Schlaf gefunden hätte, aber um diese Zeit aus dem Bett und das an einem Dienstag äh Montag, das schafft mich wirklich. Bis vor wenigen Tagen hatte ich noch Urlaub und genoss es lange zu schlafen. Kaum einmal stand ich vor neun auf. Wer richtet im Urlaub schon einen Wecker? Schon gar nicht jemand, der nicht gerne früh aufsteht. Beim arbeiten habe ich diese Freiheit halt nicht, denn es gehört zum Beruf, sich aus dem Bett zu zwingen. Das auch, wenn es schwer fällt.

Jetzt hat mich der Arbeitsalltag wieder. Wer Schicht arbeitet, weiss, dass das auch bedeuten kann, dass man nach dem Urlaub früh raus muss. Die kühlen Temperaturen des Novembers helfen, denn so kann man früh ins Bett, das Schlafzimmer kühl halten und so gut schlafen. Leider ist das nicht immer der Fall, denn im Sommer hätte ich das Bett bei der grössten Hitze aufsuchen müssen. Ohne klimatisierte Räume, ist es dann zu heiss im Bett, auch wenn man dieses kühlen könnte.

Gestern, nein es war ja heute, hatte ich die frühe SOB-Tour. Obwohl in wenigen Wochen Fahrplanwechsel ist, konnte ich die Frage des Kollegen der SOB nicht beantworten. Er wollte von mir wissen, ob das Gerücht wahr sei, dass wir nicht mehr auf der SOB fahren werden. Etwas erstaunt war ich schon, denn davon scheint wirklich niemand etwas zu wissen. Wissen kann auch ich noch nichts, denn mein Zugriff auf die neuen Touren ist noch nicht aktuell und so herrscht bei mir Ratlosigkeit. So oder so ist egal, denn ab dem Fahrplanwechsel arbeite ich wieder in Erstfeld.

Wahrlich nicht der Start, den man nach dem Urlaub erwarten würde. Nur, scheinbar brodelt es in der Gerüchteküche mächtig. Die Kollegen bei der SOB haben ihr Programm für den nächsten Fahrplan erhalten und dabei wohl gesehen, dass die Touren, die wir normalerweise hätten, bei ihnen eingeteilt wurden. Die Einlauftour von Goldau weg, bedeutet gar nichts Gutes. Denn passende Alternativen wird es wohl nicht geben.

Mit dem Kaffee in der Hand begebe ich mich zum Computer, der ja nicht in der Küche steht. Dank einer sehr gut gefüllten Tasse wird das nicht einfach werden. Eine etwas zittrige Hand und die Tasse mit dem Kaffee schwappt über. Nur geistig erwacht man so sehr schnell und das kleine Teil im Kopf arbeitet auf Hochtouren. Letztlich schaffte ich den Weg ohne etwas zu verschütten. Ich kann mich setzen.

Die E-Mails vom Abend will ich noch abrufen, denn oft schreiben die Leute am Abend ihre Mail und erwarten schnell eine Antwort. Neue Informationen werden nicht gewünscht nur ein paar Firmen meinen, sie könnten mich von den neusten Produkten überzeugen. Diese gehen gleich in den Papierkorb und werden nicht gelesen. So ist es halt, das Internet wird immer mehr für Werbung, die niemand wünscht, missbraucht.

Wenn ich schon am PC bin, kann ich ja auch gleich nachsehen, ob mein Zug verkehrt. Das Programm ist mit Passwort geschützt, aber ich habe, seit ich am Fahrplanwechsel mitarbeite, den Zugriff dazu und so kann ich mich zu Hause auf meine Arbeit vorbereiten. Der Zug verkehrt und ist sogar ein paar Minuten vorzeitig unterwegs. So weit ist das Programm gut, aber andere Züge scheinen sich einen Wettbewerb zu liefern. Der Rekord liegt aktuell bei 489 Minuten Verspätung.

Die Zeit für mich ist auch gekommen, denn ich muss los. Der Wetterbericht hat Schnee angekündigt und dann ist es nicht mehr so einfach, als in den Tagen, wo ich in Erstfeld war. Ich muss mit dem Wagen zur Arbeit. Dabei passiere ich Abschnitte, wo hinter der Leitplanke der sichere Tod lauert und die viele Kurven hat. Schnell gerät man da ins Rutschen und schon ist alles vorbei. So plane ich mehr Zeit ein.

So früh am Morgen ist die Schneeräumung nicht immer top, da die Fahrzeuge für die steilen Strassen benötigt werden. So ist es ratsam, wenn man etwas früher losfährt. Ich schnappe mein Handy, stecke es in die Tasche und ziehe die Arbeitschuhe an. Fertig, es kann losgehen! Zur Sicherheit kontrolliere ich die wichtigsten Sachen nochmals. Handy, Agenda und Geldbeutel sind da, ich kann wirklich das Haus beruhigt verlassen.

Ich lösche das Licht in der Wohnung, öffne die Türe und verlasse die dunkle Wohnung. Durch das Treppenhaus gelange ich ins Freie und beginne zu frösteln. Ohne Jacke schon recht kalt, aber trocken und klar. Schnee ist hier eine Fehlanzeige. Die Jacke liegt im Auto, denn für den kurzen Weg dorthin benötige ich keine Jacke. Die frische Luft weckt zudem auch noch und der letzte Teil Schlaf verschwindet aus dem Körper.

Vor dem Haus ist es kalt, aber vom angekündigten Schnee ist hier in Erstfeld nichts zu erkennen. Auch so glaube ich nicht daran, denn oft stimmt die Vorhersage nicht immer genau. Die feuchte Luft kommt, aber nicht immer so schnell wie geplant. Wenn es heisst, dass in der Nacht Schneefälle erwartet werden, muss das nicht unbedingt Mitternacht heissen. Auch um vier ist noch Nacht und die Wetterprognosen richten sich nach den normal arbeitenden Leuten, die um diese Zeit friedlich schlafen und dann vom Schnee, der in der Nacht gefallen ist, überrascht werden.

Nur, ich weiss, wie es hier ist. In Flüelen kann das Wetter schon komplett anders sein und in Arth-Goldau liegt Neuschnee. Dann bin ich plötzlich zu spät. Auf schneebedeckten Strassen kann man nicht einfach normal zufahren. Schnell wird aus Schnee Eis und schon landet man mit dem Wagen im nahen See. Ist nicht gerade angenehmes Wetter um schwimmen zu gehen. Zudem ein Kaffee will ich auch in Goldau noch geniessen können. Eine Angewohnheit, die ich nicht so schnell aufgebe, denn Kaffee gehört im Frühdienst zum Überleben dazu.

Ich öffne die Garage, wo mein Auto sicher vor dem Wetter geschützt, abgestellt ist. Ist schon praktisch, denn Eis kratzen oder Schnee wegwischen muss man so nicht. Kühl ist es aber im Wagen trotzdem. Eine Standheizung habe ich nicht einbauen lassen. Kühle Luft soll ja auch für helle Köpfe sorgen. Das weiss ich, aber die Heizung wird schnell für ein angenehmeres Klima sorgen. Noch ruht aber der Motor, denn ich habe ja erst gerade das Tor geöffnet und begebe mich zum Wagen.

 

Erstfeld - Goldau

Der Motor startet auf den ersten Versuch und ich kann den Wagen ins Freie fahren. Das Tor schliesse ich, denn ich komme erst in ein paar Stunden wieder zurück, da muss das Tor nicht offen stehen und die ganze Gemeinde wissen, dass ich mit dem Wagen weg gefahren bin. Sie glauben kaum, wie genau man in einer ländlichen Gegend solche Beobachtungen macht und wie kurz die Zeit ist, bis man dann danach gefragt wird.

Nur kurz verlasse ich dazu den Wagen, daher lasse ich den Motor laufen. Die Heizung kann in der Zeit schon arbeiten und ein wenig Wärme erzeugen. Es ist natürlich nur so viel, dass man es nicht merkt, aber das wird noch kommen. Zwei Starts mit einer kalten Batterie in so kurzer Zeit sind nicht unbedingt gut für das arme Teil. Etwas schonen sollte ich die Batterie schon, denn die Neuste ist es auch nicht mehr.

Die Strassen sind trocken, da passiert nicht viel mit Glatteis. Das kann aber noch ändern, denn mein Weg ist lange. Die Sterne kann ich nicht erkennen, also muss es bedeckt sein. Scheinbar hatte ich mich vorher geirrt. Die Temperatur in meinem Wagen wird mit acht Grad angezeigt. Stimmen kann dieser Wert aber nicht, denn gefühlt hatte ich tiefere Temperaturen. Ich vertraue hier eher meinem Körper. Wind hatte es keinen, der das Gefühl verfälscht hätte.

Nur, das ist ja der Wert in der Garage und nicht auf dem Platz davor. Ich biege daher ohne Probleme auf die Strasse ein und erkenne, wie die Aussentemperatur bereits auf vier Grad gefallen ist. Bei Schnee ist das oft nicht so leicht möglich, denn die Zufahrt ist steil und dann kann der Schnee schon dafür sorgen, dass man schon beim losfahren Probleme kriegt. Null Grad wird nun angezeigt. Das scheint zu stimmen.

Auf der Strasse ist wenig Verkehr, denn die meisten Leute schlafen jetzt und so kann ich ungehindert losfahren. Die ersten Meter erfolgen auf der Hauptstrasse, die zugleich die ehemalige Passzufahrt ist. Bei der Baustelle zur NEAT wird auch jetzt gearbeitet. Seit der Durchstich erfolgt ist, sind die Arbeiten anders, denn nun wird der Bereich um das Portal fertig erstellt. Zeit, mich um das neue Portal zu kümmern, habe ich nicht, denn ich muss mich auf die Strasse konzentrieren.

So erreiche ich ohne Probleme die Autobahn. Die ist auch sehr leer, denn in der Nacht dürfen die LKW in der Schweiz nicht fahren.

Die Fernfahrer fordern immer wieder, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Die wissen jedoch nicht, wie schön es sein kann, wenn man in der Nacht schlafen darf.

Lokführer kennen dieses Verbot nicht und so müssen sie zu den unmöglichsten Zeiten raus. Klar, die Nacht hat ihren Reiz, aber damit gewinnt man keine Lebensqualität. Nachtarbeit zehrt an den Kräften, mit den Jahren merkt man das.

Die Fahrt auf der Autobahn ist ruhig, bis vor mir eine Verkehrssignalisation die Anwesenheit der Polizei ankündigt. Ob eine allgemeine Kontrolle durchgeführt wird?

Sorgen machen muss ich mir nicht, denn ich hielt mich an die Geschwindigkeit, habe seit längerem keinen Alkohol getrunken und meinen Wagen habe ich korrekt gewartet.

Nervös werden sollte ich nicht. Klar, als rechtschaffender Bürger hat man immer wieder die Sorge, dass etwas nicht stimmen könnte. Die Angst vor Fehlern fährt halt mit.

Aha, es ist gar keine Kontrolle, der gesamte Verkehr wird über die Axenstrasse geführt. Die Polizei kontrolliert nur, dass niemand in Richtung Selisbergtunnel fährt. Was wohl das Problem ist? Im Radio ertönt die Meldung in dem Moment, als ich die Wagen der Polizei passiert habe. Eine technische Störung gibt es im Tunnel. Das wird dort auf jeden Fall gemeldet. Ob es stimmt, weiss ich nicht, denn kontrollieren will und wollte ich es nicht, denn ich muss so oder so diesen Weg nehmen, um an mein Ziel zu gelangen.

Gut, dass diese Störung nicht an der Axenstrasse aufgetreten ist. Die Fahrt kann für mich somit ganz normal weiter gehen. Erneut wird im Radio vor Schneeglätte und den damit verbundenen Gefahren gewarnt. Besonders während des Pendlerverkehrs, am frühen Morgen, soll der Schnee kommen. Aha, bis dahin dauert es noch lange und ich habe mein Ziel erreicht. Für mich besteht somit wohl noch keine zu grosse Gefahr. Ich sollte Arth-Goldau ohne grosse Probleme erreichen können.

Auch die Axenstrasse ist trocken und so sind die Kurven leicht zu fahren. Bei Schnee muss man hier schon aufpassen, denn schnell taucht eine Ecke auf, die Glatteis hat. Besonders im ersten Teil lauert hinter der Leitplanke der sichere Tod, denn dort geht es mehrere Meter senkrecht nach unten. Das hält kein Auto aus. Aber Angst habe ist deswegen keine, ich fahre schon lange Auto, hatte Kurse besucht, in denen ich gelernt habe, ein schleuderndes Auto abzufangen und die Strasse ist ja trocken und daher einfacher zu befahren.

Sisikon ist die Gemeinde, die die Strecke entlang dem Urnersee halbiert. Auch hier ist alles ruhig und die Leute schlafen friedlich in ihren Betten. Die Wagen die hier durchfahren machen nicht viel mehr Lärm, als die Bahnlinie, die daneben liegt. So habe ich auch das Dorf am Urnersee schnell passiert. Die wenigen Minuten, die eine Fahrt entlang dem See dauert empfindet man noch kürzer, wenn im Radio gute Musik zu hören ist. Wobei das mit dem Radio hören etwas übertrieben ist, denn diese Wellen kommen hier nicht immer an.

Die Störungen eliminiere ich mit einer CD. Dort gibt es auch gute Musik zu hören und dank den codierten Signalen kommen auch die Meldungen des Radios an. Zumindest dann, wenn sie nicht gestört werden. Aber die Berieselung mit Musik hilft und ich fahre auf der Strasse konzentrierter, weil ich das Gefühl habe, jemanden schützen zu müssen. Ich weiss, viele belächeln mich deswegen, aber ich fühle das so. Könnte auch am Beruf liegen, aber um diese Zeit bin ich nur froh, dass ich wach bleibe.

So erreiche ich meinen Zielort, den Parkplatz beim Stellwerk des Bahnhofes Arth-Goldau, ohne besondere Probleme. Ich entnehme dem Wagen meine Mappe, die Jacke mit der Warnweste und verschliesse den Wagen mit der Fernsteuerung am Schlüsselbund. Ich habe meinen Arbeitsort erreicht und benötige meinen Wagen in den nächsten Stunden nicht mehr. Er kann sich bereits wieder von der getanen Arbeit erholen und darf hier auf mich warten.

Das wird in einigen Stunden der Fall sein. Bis dahin vertraue ich den anderen Verkehrsteilnehmern, dass ihm nichts passieren wird und dass sie genügend Abstand halten. Ich will mich nach Feierabend nicht um einen Schaden kümmern und dann einfach nur noch nach Hause fahren.

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, es ist gerade 0.30 Uhr. In knapp 20 Minuten geht es los. Das reicht für einen Kaffee aus dem Automaten. Zeit, die ich nutze um mich auch zu fassen und um mich auf die bevorstehende Arbeit vorzubereiten. Besonders die Fahrt mit dem Auto gilt es zu vergessen und mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ablenkung ist gefährlich bei meinem Beruf.

Leute sind auch nicht viele in den Räumlichkeiten von SBB Cargo. Ein Lokführer, der gerade Feierabend machte, begegnet mir. Er ist am Zähneputzen und wird dann in den bereitstehenden Betten seinen Schlaf finden. So umgeht er die Fahrt mit dem Auto. Sonst ist es ruhig hier in den Personalräumen. Man bemüht sich auch, keinen Lärm zu machen, denn immer wieder schlafen Kollegen hier und die will niemand wecken.

 

Arth-Goldau - RBL

Ich melde mich mit dem Telefon in den Aufenthaltsräumen beim Fahrdienstleiter. Dadurch weiss er, dass ich bereit bin um mit dem Zug, den ich ihm natürlich genannt habe, abzufahren. Er kann so das Gleis, das der Zug befahren wird, anders wählen, da die Info vorhanden ist, dass der Zug gleich wieder losfährt. Der Zug, den ich übernehmen werde, fährt in Schwyz durch und so bleibt noch Zeit um das Gleis zu wählen.

Nun, mit Fahrdienstleiter stimmte das nicht so ganz. Die gute Frau, die für einen reibungslosen Verkehr sorgt, meint ich könne den Zug gleich im Gleis 6 übernehmen, es folge kein weiterer Zug. Der Zug fährt damit im direkten Durchfahrgleis ein. Das wäre sicher nicht der Fall, wenn ich mich nicht gemeldet hätte, denn diese Geleise belegen Fahrdienstleiter nur ungern für längere Zeit, da sonst durchfahrende Züge verlangsamen müssen.

Ich kann mich nun auf den Weg an den Halteort des Zuges machen. Als ich die Aufenthaltsräume verlasse, begegnet mir noch der Kollege, der nach Offenburg fahren will. Auch er kam mit dem Wagen aus Erstfeld und stellte diesen vermutlich neben meinen ab. Er wird einige Zeit später Feierabend haben als ich, denn er fährt die längste Tour im Frühdienst und kommt erst knapp vor Mittag zurück. Sie kennen sie, als Tour 518.

Der Weg zum Gleis 6 ist in Arth-Goldau nicht weit. Ich wähle den Weg über die Geleise. Dabei ist eines davon äusserst ungewohnt, denn es besitzt in der Mitte eine Zahnstange des Systems Riggenbach. Die Rigibahn benötigte wegen den Bauarbeiten Platz und bekam ihn in diesem Gleis, die Triebwagen fahren nun bis fast vor das Stellwerk der SBB. Neben den Lokomotiven der SBB erscheinen sie klein und unbedeutend. Eigentlich schade, denn mit dem blauweissen Anstrich fallen sie auf.

Auch die Fahrt von Schwyz nach Arth-Goldau dauert nicht lange. So kommt der Zug an, als ich gerade meine Mappe auf die Bank für wartende Reisende stelle. Lange musste ich daher nicht in der kalten Nacht warten, denn es geht nun daran, den Kollegen abzulösen.

Er hatte eine lange Fahrt hinter sich, hat er doch den Zug in Chiasso übernommen. So ist er sicher froh, wenn er endlich absteigen kann. Ich bin froh, dass ich wieder in die Wärme kann, denn es ist wirklich recht kalt geworden. Schnee fällt wohl nicht, weil es einfach trocken ist.

Die Übergabe ist schnell erledigt, denn alles sei in Ordnung und meiner Fahrt stehe nichts im Weg. Doch, ich, denn noch bin ich nicht in der Lokomotive. Auf den Re 620 hat es, seit die Klimaanlagen eingebaut wurden, nicht genug Platz für zwei Lokführer.

Durch den breiten Führertisch steht der Stuhl des Heizers immer im Weg. In Anbetracht der Tatsache, dass wir ja kaum noch Heizer sehen, etwas übertrieben, denn der Stuhl könnte auch gestrichen werden. 

Wie, das sei unmenschlich? Gut, als Heizer würde ich auch gerne sitzen. Die meisten, die aber auf diesem Stuhl absitzen sind die Chefs. Schon schön, wenn wir uns angenehme Sitzgelegenheiten wünschen meinen diese, dass wir ja froh sein können, dass wir nicht stehen müssen. Wenn sie dann selber stehen müssten, hat man erbarmen. So kam es, dass der Heizerstuhl besser aussieht und bequemer ist, als jener des Lokführers.

Dann warten wir halt neben der Lokomotive, bis der Kollege aufgeräumt hat und ausgestiegen ist. Den Stuhl einfach rausschmeissen geht ja auch nicht, was sollen am Morgen die Leute denken. Da wir das nicht im Gleisfeld machen sollten, warte ich auf dem Bahnsteig, bis mein Kollege ebenfalls dort eingetroffen ist und wir die Übernahme machen können. Natürlich schreib ich das nur, falls der Chef mitlesen sollte, denn wir verrichten unsere Arbeit immer korrekt, auch wenn es nicht viel Sinn macht.

Als ich mich auf der Lokomotive einrichte, erkenne ich, dass das Signal bereits freie Fahrt zeigt. Wie lange das der Fall ist, weiss ich nicht. Die LEA ist schnell im Halter platziert und geöffnet. Einstellen musste ich nur noch die vorhandene Zugreihe. Schon kann die Fahrt losgehen! Eine Fahrt, die mich über kaum bekannte Strecken führen wird und die letztlich in der Nähe des grössten Wasserfalles der Schweiz enden wird. Dazwischen verlasse ich kurz die Schweiz um Deutschland zu besuchen.

Nachdem ich die erste Fahrstufe geschaltet habe, kontrolliere ich, ob sich der Zug bereits bewegt. Das tut er sogar schon mit der zweiten Stufe. Nach einem Blick in die Belastung erkenne ich zudem, dass ich 120 km/h fahren kann. Der Zug ist nicht besonders schwer, jedoch lange und ein Teil der Wagen wird im RBL abgehängt werden. Ich muss mit meinem Zug somit das nächste Mal im RBL anhalten. Damit ich das wirklich nicht vergesse, schreie ich es in den Führerstand. Zusätzlich steht es ja auch in der LEA.

Nun bin ich so weit wie nötig informiert und kann das Licht im Führerstand wieder löschen und den Zug beschleunigen. Die Nacht umgibt mich wieder. So kann ich die Strecke vor mir im schwachen Licht der Scheinwerfer erkennen. Nur, in der Dunkelheit will der Körper eigentlich schlafen. So wird die innere Uhr immer wieder mit Gewalt überlistet. Ob das gesund ist, weiss ich nicht, aber ich glaube eher nicht.

Die Fahrt durch die Nacht kann beginnen. Kurz nachdem ich den Bahnhof verlassen habe, bremse ich den Zug mit der Luft. Die Bremsen scheinen so zu funktionieren, wie ich das erwartet habe. Genaueres kann ich erst sagen, wenn ich gegen ein rotes Signal bremsen muss. Diese sind aber nicht in Sicht und so kann ich beruhigt wieder lösen. Der Zug rollt wieder und wird schneller. Die Bremsen haben auch wieder korrekt gelöst. Die Bremsprobe auf Wirkung ist somit gemacht und ich habe die letzte Information, die ich für die Fahrt benötige.

Die Strecke entlang der Rigi hat viele Kurven und so habe ich nie den ganzen Zug im Blickfeld der Rückspiegel. Macht nichts, denn viel hätte ich so oder so nicht gesehen, denn in der Nacht fallen nur bremsende Achsen auf, da diese rot aufleuchten. Da aber alles ruhig und dunkel ist, lasse ich die Spiegel wieder schliessen. Es wird schon noch die Möglichkeit kommen, wo ich den ganzen Zug überblicken kann, fürs erste muss das aber reichen.

Ohne nennenswerte Vorkommnisse erreiche ich Immensee und somit den Kilometer null der Gotthardbahn. Jetzt im Licht der Beleuchtung der Bahnsteige kann ich etwas mehr von den Wagen erkennen. Gut beladen ist der Zug schon nicht, aber das ist nicht weiter überraschend, denn das Angebot ist neu und die Kunden müssen es erst für sich entdecken. Das dauert halt eine gewisse Zeit. Besonders dann, wenn man dafür keine Werbung macht.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Zug überhaupt lange im Angebot bleibt, denn oft werden solche Zügen gestrichen, weil sie nicht rentieren. Wie auch, wenn sie niemand kennt. Die Gerüchte meinen jedenfalls, dass dieser Zug mit dem Fahrplanwechsel gestrichen würde. Die Nachfrage sei einfach zu gering. Hm, die Nachfrage oder die Hoffnung, dass Kunden einfach auf gut Glück einen Zug auf dieser Verbindung suchen? Wenn der Kunde nicht weiss, dass es den Zug gibt, gibt es auch keine Ladeeinheiten die befördert werden könnten.

Nach Immensee wird die Fahrt erstmals etwas schneller, denn jetzt darf 90 km/h gefahren werden. Die Schwerkraft lässt den Zug langsam beschleunigen. Mehr muss ich nicht tun, denn ich bin ein paar Minuten zu früh unterwegs und so kann ich etwas Energie sparen. So wird die Eisenbahn noch wirtschaftlicher und die Ausbauten der Kraftwerke können etwas auf sich warten lassen. Die Lokführer haben gelernt, dass man mit der Energie sparsam umgehen muss. Wer faul ist, gewinnt hier meistens recht viel.

Das Gelände sorgt zudem dafür, dass ich schnell wieder ziehen muss, denn sonst schaffe ich die Steigung auf die Kuppe nicht. Danach geht es gleich wieder hinunter. Heute würde man hier vermutlich einfach einen Tunnel bauen. Da die Strecke aber schon älter ist, befahren wird diese Abwechslung. Ja, noch bewege ich mich auf einer Strecke, die seinerzeit von der Gotthardbahn gebaut wurde. Aber damit wird es bald ein Ende haben und die ehemalige SCB beginnt.

Eine Angewohnheit, die sich mit dem Beitritt zum Team Historic ergeben hat. Man denkt immer wieder nostalgisch und so kommen längst vergessene Bezeichnungen, wie Gotthardbahn und SCB in den Gedanken vor. Hier in Rotkreuz war seinerzeit für die Lokführer aus Erstfeld fertig, denn hier endete die Gotthardbahn und somit mussten die Kollegen 1882 wenden. Heute habe ich hier nur einen Bruchteil meiner Arbeit erledigt.

In Rotkreuz ist es auch ruhiger geworden. Seit hier keine Züge mehr formiert werden, ist der Bahnhof leer. Auch hier hat die Firma Stellen gestrichen. In der Zentralschweiz gibt es immer weniger Bahnstellen, die neu besetzt werden. Das Depot in Erstfeld soll geschlossen werden. Aber auch der Standort Goldau steht auf wackligen Beinen. Die Entscheidung die Lokomotivwechsel von Arth-Goldau nach Basel zu verlegen, hat der Zentralschweiz selbst diese Hoffnung genommen. Eine rosige Zukunft sieht hier wohl niemand mehr.

Mein Weg führt jetzt über die Aargauer Südbahn. Eine Strecke, die durch ländliche Gebiete führt und die bei uns Lokführern immer wieder durch den oft vorhandenen Nebel in Erinnerung bleibt. Vor allem dann, wenn er sehr dicht ist und wir nicht einmal die Schienen sehen, auf denen wir fahren. Ob ich bei solchem Wetter den Zug auch bis auf die maximale Geschwindigkeit beschleunigt hätte? Ich weiss es nicht, denn im Nebel verliert man schnell die Orientierung und die Signale fliegen schnell am Führerstand vorbei. Längere Zeit so konzentriert fahren, ermüdet den Körper und den Kopf.

Eines habe ich aber nun erkannt, hier regnet es leicht. Ist das der Vorgeschmack auf das was noch kommen soll? Mit der Eisenbahn muss ich mich nicht so sehr um Glatteis und Schnee sorgen. Die häufigen Bügelsprünge lassen aber erkennen, dass es draussen durchaus eisig geworden ist. Die Heizung des Führerstandes und die gut abgedichtete Re 620 sorgen dafür, dass ich es angenehm warm habe. So merkt man nicht, dass es draussen kälter geworden ist.

Nur diese paar Kilometer und schon ändert sich das Wetter grundlegend. Es wird auch Zeit, dass ich die Heizung im Führerstand neu einstelle, denn es wird draussen merklich kühler und die Frontscheiben verlieren ihre Festigkeit.

Fliegt etwas in die Scheibe, könnte diese brechen. Damit das nicht der Fall ist, schalte ich die Fensterheizung ein und sorge dafür, dass die Scheibe wieder die notwendige Festigkeit erhält.

Da die Strecke nicht überall die gleichen Geschwindigkeiten zulässt, muss ich immer wieder in die LEA sehen und kontrollieren, ob ich die richtigen Werte im Kopf habe.

Klar, ich kenne die Strecke, da aber die meisten Züge entweder 80 km/h oder 100 km/h fahren, sind nicht alle Geschwindigkeitswechsel nötig, denn mit solchen Zügen muss nicht von 120 auf 110 km/h reduziert werden. Die meisten Geschwindig-keitswechsel kenne ich schon, aber zur Sicherheit schaue ich immer wieder in den Fahrplan.

Die Steigungen nach dem Bahnhof Sins, haben es in sich. Die Lokomotive, die ich bediene, bekommt dank dem leichten Zug keine Probleme. Wäre der Zug schwerer, könnten die Räder bei diesem Wetter schon durchdrehen. Dann hilft nur noch Sand oder beten. Aber heute habe ich es leicht, denn die Lokomotive fährt friedlich vor sich hin und der Stromabnehmer blitzt auch nicht mehr so oft, es ist vermutlich draussen etwas wärmer geworden.

Gerade dann, wenn die Temperaturen um den Gefrierpunkt sind, kann man das am Stromabnehmer erkennen. Wasser lässt sich leichter wegschieben, als Raureif, der sich an der Fahrleitung gebildet hat. Daher springen die Bügel bei Reif und so entstehen die Lichtbogen, die die Nacht zum Tag machen. Da ich in einer Waldpartie bin, kann meine Vermutung schon stimmen, denn durch die Bäume kann es hier durchaus etwas wärmer sein.

Die Tiere suchen deshalb im Winter in den Wäldern Schutz. Bei einer Bahnlinie, die durch den Wald führt, endet das immer wieder schlecht für das Tier. So auch für diesen Dachs, der hier im Gleis lag. Jetzt fällt es mir ein, ich werde heute ja noch durch Dachsen fahren. Etwas schmunzeln muss bei dem Gedanken schon. Schade dabei ist nur, dass es für das Tier nicht so glimpflich geendet hat. Ich sah schon gelähmte Füchse im Gleis liegen, das schmerzt einen normalen Menschen.

Aber bis ich in Dachsen bin, dauert es noch etwas, denn ich erreiche erst Muri und somit das Ende des Waldes. Die Bügelsprünge beginnen wieder. Es muss also so um 0 Grad sein. Im Wald etwas wärmer als auf dem freien Feld. Noch regnet es aber, denn Schneeflocken könnte ich im Licht der Scheinwerfer erkennen. Sicher ist es jetzt nicht einfach auf den Strassen, denn so entstehen schnell Eisplatten, die dann für schlimme Unfälle sorgen können.

Jetzt kann ich den Zug rollen lassen. Ich verkehre 10 Minuten vor der geplanten Zeit und das Gelände lässt diese Fahrweise zu. Das Gefälle nach Muri wird den Zug beschleunigen, das kann problemlos geschehen, denn ich darf nun wieder schneller fahren. So steigt die Geschwindigkeit bis gegen 115 km/h an. Erlaubt wäre wenig mehr. Da es nun flacher wird, bleibt der Wert und beginnt langsam zu sinken. So wird es in den nächsten Minuten bleiben.

Nach der Haltestelle Boswil-Bünzen erkenne ich auf der nahen Strasse einen Wagen, der gerade meine Gedanken bestätigt. Die Scheinwerfer leuchten in eine etwas komische Richtung und die orangen Lichter des gerufenen Abschleppers wirken gespenstisch. So wird der Wagen wieder geborgen werden. Ich kann beruhigt den Schienen folgen und die kleine Szene mit ihren Problemen alleine lassen. Meine Probleme beschränken sich wirklich nur auf die Bügelsprünge, denn werden diese zu stark, schaltet die Lokomotive aus.

Nach der Haltestelle folgt wieder ein Gefälle, das Tempo nimmt zu und ich nähere mich schon Wohlen. Hier, wie könnte es auch anders sein, liegt etwas Nebel. Genau dort wo er am dichtesten ist, liegt die Fahrleitungsschutzstrecke. Diese kann ich mit gehobenem Stromabnehmer befahren. Schliesslich habe ich nur einen gehoben, da ich ja nur eine Lokomotive bediene. Bei mehr Lokomotiven können solche Situationen schon hektisch werden.

Der Teufel hatte hier wohl seine Hand im Spiel, denn nach der Schutzstrecke wird der Nebel dünner und die Sicht wieder besser. Die Farbe der Signale bleibt grün, daran ändert auch Wohlen nichts. So kann ich mich ungehindert Dottikon-Dintikon nähern. Früher hiess dieser Bahnhof noch Umspannanlage, aber der ist verschwunden und zu einem Teil von Dottikon-Dintikon geworden. So befinde ich mich in einem langen Bahnhof.

Nun fällt die Geschwindigkeit in sich zusammen, denn die Steigung im Bahnhof ist steiler und länger, als jene davor. Da ich aber so oder so gleich tiefere Geschwindigkeiten erwarte, kann ich die Steigung zur Verzögerung des Zuges nutzen. Hilfe soll man akzeptieren, vor allem jene der Natur. Die feine elektronische Nadel am MMI sinkt ab. Die Zahlen in der Mitte lassen mich erkennen, dass ich gleich nur noch 100 km/h fahre.

Da ich aber dank der besseren Sicht erkenne, dass das Signal vor mir nur noch 90 km/h erlauben wird, kann ich den Zug weiter rollen lassen. Auch so musste ich etwas mit der elektrischen Bremse nachhelfen. Normalerweise können wir hier noch etwas schneller fahren, aber ich wechsle auf das rechte Gleis und so muss ich die Weichen in ablenkender Stellung befahren. Das bedeutet hier, dass ich nur 90 km/h fahren darf.

Daran ändert sich auch in Othmarsingen nichts, denn ich muss noch mehr nach rechts, damit ich in der richtigen Position bin. Ich habe soeben die Nord-Süd-Achse verlassen und mich in der West-Ost-Achse eingefädelt. Dank dem GSM-R-Funk kann ich es ruhig angehen lassen. Vor einigen Jahren mussten wir hier noch den Kanal wechseln. Das ist aber nun vorbei, denn bei der modernen Bahn gelten andere Regeln, als das vor 20 Jahren der Fall war.

Nach dem Bahnhof trennen sich die Wege nun endgültig. Mein Gleis dreht nach rechts weg, während das andere nach links dreht. Mein Weg führt nun klar gegen Osten und in Richtung Mägenwil. Die Zeit ist immer noch gut, denn ich habe sogar noch ein paar Minuten gewonnen. Wenn man schnell fahren kann, holt man viel Zeit ein. In Mägenwil sind es genau 13 Minuten. Aber an der Farbe der Signale hat sich nicht viel geändert und ich kann meine Fahrt fortsetzen.

Nach der Station Mellingen und der Haltestelle Mellingen-Heitersberg hat mich der Tunnel, der der Haltestelle den Zusatz gab, aufgenommen. Ich bin kurz vor meinem ersten Ziel. Das Ziel kündigt sich schon im Tunnel mit signalisierten Geschwindigkeiten an. Nach dem Tunnel zweigt mein Weg dann noch links ab und ich fahre dann Richtung RBL. Aber nun folgt eine dunkle, weil nicht aktive Schutzstrecke, bis in den RBL sind es noch ein paar Minuten im Tunnel.

Die Signale zeigen aber schon sehr früh reduzierte Geschwindigkeiten an. Ich bin doch nicht einem Zug aufgelaufen? Nein, es geht im Tunnel auf die rechte Seite. Moment, dann komme ich aber nicht links weg und so auch nicht in die U-Gruppe, so wie es mein Fahrplan vorsieht. Hm, bis ich stehe und wegen der Fehlleitung Kontakt aufgenommen habe, bin ich auch schon in Killwangen, wo ich dann wohl erfahre, dass das so gewünscht ist und ich im RBL eine andere Gleisgruppe benutzen werde.

Der RBL wird ja wohl wissen, wo er mich haben will. In Killwangen sind nun 40 km/h erlaubt und ich zweige nach rechts weg. Somit verlasse ich nun die Stammstrecke und erreiche definitiv den Rangierbahnhof.

Dank der angekündigten Geschwindigkeit weiss ich, dass ich einfahren darf. So kann man auch in den Rangierbahnhof fahren, aber nicht mehr in die geplante Gruppe, die auf der anderen Seite der Anlagen zu finden wäre.

Ich folge den Schienen, anderes bleibt mir ja nicht übrig. So kommt es, dass ich vor dem roten Signal der Einfahrgruppe zum stehen komme. Ein gutes Signal, denn es kann nicht grün leuchten, da es nur die rote Lampe hat.

Hier endet wohl meine Zugfahrt. Weiter komme ich nur als Rangierfahrt. In meiner LEA befindet sich ein Hinweispfeil. Was dort wohl stehen wird? Ich scrolle zum entsprechenden Punkt und der Hinweis wird unten angezeigt.

Ich habe scheinbar mein Ziel erreicht, das obwohl ich den Zug weiter führen werde. In meinem Fahrplan heisst es zudem, dass ich nun als Rangierfahrt verkehren werde.

Aha, da haben wir es, es geht mit den Zwergsignalen weiter. Das ist erlaubt, denn ich darf von einer Zugfahrt in eine Rangierfahrt wechseln. Dazu muss ich aber zwingend anhalten, was ich jetzt auch getan habe. Nun muss ich warten, bis die Zwergsignale auf fahrt gehen.

 

Rangieren im RBL für Profis

Kurz nach dem Halt meldet sich das Stellwerk am Funk. Ich nehme den Hörer ab und melde mich mit der Zugnummer. Die Information, die ich nun erhalte, hilft mir auf den nächsten Metern weiter. Wichtig dabei war hauptsächlich die Information, dass ich ab dem vor mir stehenden Signal als unbegleitete Rangierfahrt weiter kann und dass mich später ein Rangierarbeiter erwartet. Ich weiss, ich darf fahren und weiss, dass ich erwartet werde.

Nur, das ist bisher lediglich in der Theorie so, denn neben dem Zwergsignal, das Halt zeigt, hindert mich eine ganze Reihe Wagen, die nur darauf wartet, endlich über den Ablaufberg geschoben zu werden, an der Fahrt. Weit hinten ist noch die Diesellokomotive, die nur darauf wartet, dass der Rechner den Befehl vorwärts erteilt. Hier führt im Ablaufbetrieb das Stellwerk die Lokomotive. Der Lokführer kann es sich gemütlich machen und ist nur da um im Notfall die Lokomotive zu stoppen.

Das Signal scheint bei der Lokomotive angekommen zu sein, denn die Wagen beginnen langsam gegen den Ablaufberg zu rollen. Jetzt zeigt sich der Vorteil des rechnergesteuerten Ablaufbetriebs, denn die Komposition hält nie an und so dauert es nicht lange, bis neben mir die knurrende Diesellokomotive Am 843 mit dem lesenden Lokführer auftaucht. Doch auch sie verzieht sich schnell gegen den Ablaufberg.

Nun ist mein Weg frei von Wagen. Auf der anderen Seite schiebt eine andere Lokomotive ihre Wagengruppe gegen den Ablaufberg. Diesmal ist es eine Am 6/6. Normalerweise fährt die erste Lokomotive nun zurück um sich an die nächste Wagengruppe zu setzen.

Doch das macht sie jetzt hoffentlich nicht, denn vor mir ging das Zwergsignal auf Fahrt. Ich kann mit meinem Zug vorziehen und mich auf die Suche nach dem Rangierarbeiter begeben.

Mein Weg führt unmittelbar neben dem Ablaufberg mit der wartenden Lokomotive vorbei. Da auch mein Gleis den Höhenunterschied, der durch den Ablaufberg nötig geworden ist, überwinden muss, befahre ich nun ein Gefälle.

Ich muss den Zug bremsen, damit ich nicht zu schnell werde. Die Schranken vor mir sind geschlossen und das Zwergsignal zeigt freie Fahrt. Ich kann also ungehindert in den flachen Abschnitt fahren.

Weit entfernt sehe ich den Rangierarbeiter, der mich in Empfang nehmen wird. Noch muss ich ein paar Meter bis zu ihm fahren. Sein Schirm hat er geöffnet, da es ja regnet und er nicht nass werden will. Ich frage mich, wie er nun das Manöver mit mir durchführen will. In einer Hand den Schirm in der anderen der Funk. Klar, den trägt er auf dem Bauch, aber eine Hand wird er ja benötigen um ihn zu bedienen und mit der anderen Hand sollte er sich festhalten.

Ich halte beim Rangierarbeiter an und öffne das Fenster. Er streckt mir ein Funkgerät entgegen und erkundigt sich nach der Zugnummer. Diese benötigt er, damit er weiss, wie er mich ansprechen muss. Bei Zügen geht halt alles irgendwie über die Nummer des Zuges. Als ich ihm diese mitgeteilt habe, erklärt er mir kurz den Ablauf des nun folgenden Manövers. Die Spitze muss weggestellt werden, dazu geht es vor, dann zurück und das war es mit den Wagen. Danach wieder hierher.

Mehr interessiert mich eigentlich nicht, denn mit den Gleisbezeichnungen hier kann ich nicht sehr viel anfangen. Klar, die uns geläufigen Gleise kenne ich, aber wenn es dann andere Geleise sind, ist das schon schwerer. Zudem, mehr als den Schienen entlang fahren kann ich nicht. Geregelt wird diese Fahrt durch die Zwergsignale. Das ist in modernen Bahnhöfen so. In anderen Anlagen ist man dann schon froh, wenn man weiss, wo es hingeht. Solche Bahnhöfe dürfen aber längst nicht mehr von allen Lokführern befahren werden.

Der Rangierarbeiter geht nach hinten. Den Schirm hat er immer noch aufgespannt. Ich beobachte, wie er weit nach hinten geht. Für mich ist diese Beobachtung fast wichtiger, denn ich kann nun etwas abschätzen, wie schwer die Wagengruppe, die ich angehängt habe, etwa ist. Diese Info hilft mir bei der Wahl der Geschwindigkeit. Anhand der Papiere weiss ich, dass es ein grosser Teil ist, aber nicht immer stimmen diese Unterlagen in diesen belangen.

Am kurzen Druckverlust in der Hauptleitung bemerke ich, dass hinten wohl abgehängt wurde. Schon höre ich, wie der Rangierarbeiter das Funkgerät bedient und dem Stellwerk ruft. Er verlangt die Rangierfahrstrasse für das anstehende Manöver. Die Anfrage wird vom Stellwerk bestätigt und schon öffnet sich vor mir das Zwergsignal. Auch der Funk ertönt von neuem, es ist der Rangierarbeiter, der mich ruft.

Ich antworte und bekomme den Befehl, bei Fahrt zeigendem Zwergsignal vorwärts zu fahren. Ich bestätige die Information. Das „Richtig“, ist letztlich der Auftrag, den Fahrschalter zu bewegen. Diese Vorgehensweise ist geläufig und man muss schon aufpassen, dass man nicht schon fährt, bevor die Richtigkeit bestätigt wurde. Die Lokomotive reagiert auf meine Befehle und wir beginnen uns zu bewegen. Zu gerne sähe ich jetzt hinten den Schirm, aber ich muss mich nach vorne konzentrieren.

Die Anlagen sind hier sehr unübersichtlich. Schnell taucht plötzlich ein Zwergsignal auf, oder aber ein Arbeiter läuft vor meine Lokomotive. Dann kann eine Unachtsamkeit von mir schon zu spät sein. Die Fahrt führt neben dem Depot vorbei und endet schliesslich vor einem Zwergsignal. Der Rangierarbeiter meldet sich. Nein, ich kann nicht weiter, ich habe ein Halt zeigendes Signal vor mir. Erneut erklingt der Rufton.

Gleichzeitig öffnet sich das Zwergsignal. Die Antwort von Stellwerk ist klar, „erledigt“. Der Rangierarbeiter meint, dass ich noch einen Wagen vorziehen müsse. Das mache ich. Nach dem ich angehalten habe, meldet sich der Rangierer erneut und gibt mir den Auftrag rückwärts zu fahren. Auch diesen Auftrag bestätige ich. Diesmal kommt kein „richtig“, sondern der Kontrollton wird eingeschaltet. Das ist zugleich Bestätigung, als auch Kontrolle der vorhandenen Verbindung.

Ich lege den Griff für die Wendeschalter in die Stellung, die dazu vorgesehen ist, dass die Lokomotive rückwärts fährt. Dann schalte ich gewohnt die Stufen hoch. Die Wagen werden nun von meiner Lokomotive geschoben. Da nun alles an den Puffern hängt, lasse ich die Finger von den hohen Strömen. Gerade die Re 620 hat so eine grosse Kraft, dass sie die Wagen allenfalls aus den Gleisen drücken könnte. Das will ich nicht riskieren.

Mit dem Kontrollton im Ohr geht es zurück um neue Ecken und über andere Weichen. Plötzlich höre ich die Stimme meines Rangierarbeiters, der „wagenlang“ meldet. Diese Meldung bestätige ich auf zwei weisen. Erstens nehme ich den Funk und bestätige „wagenlang“, dazu verzögere ich die Fahrt leicht. Wenig später ertönt die Meldung „halbe“ und ich verzögere erneut, am Funk melde ich mich nicht mehr, da wir das nicht mehr müssen. Die Bestätigung für den Empfang erfolgt ausschliesslich mit der Bremse.

Es folgten dann noch die Meldungen „vier“, „zwo“ und „eins“, dann kam der Haltauftrag, die Wagen stehen nun dort, wo sie hin mussten. Ich sehe nun den Rangierarbeiter, der ohne Schirm unterwegs ist. Die Lokomotive wird nun abgehängt. Die Zufuhr für den RBL ist weggestellt und kann an einen anderen Zug übergeben werden. Wo die Wagen letztlich enden sah ich an den Papieren, die ich dem Rangierarbeiter vor dem Manöver gegeben habe. Es ist Niederglatt, ein Bahnhof, den ich kenne, aber mit diesem Zug nicht erreichen werde.

Es geht nun mit der Lokomotive zurück zu den Wagen, die wir vorhin stehen gelassen haben. Diese Fahrt könnte ich alleine machen, doch auch jetzt bleibt der Rangierarbeiter bei mir, denn er muss ja wieder zu seinem Schirm. Diese Wagen nehme ich dann auf meiner weiteren Fahrt mit. Das dauert aber noch ein paar Minuten, denn zuerst müssen wir den vorhin zurück gelegten Weg erneut abfahren.

Mit der Lokomotive alleine fährt es sich auch leichter den Zwergsignalen entlang. Die Bremsen wirken besser und die Lokomotive hat eine gute Verzögerung. Die Fahrt rückwärts zu den Wagen endete vor diesen und die Bremsprobe kann durchgeführt werden. Die Zeit, die benötigt wird um die Bremsapparate zu füllen nutze ich um die ZUB-Daten und die Angaben für ETCS einzugeben und so die Bereitschaft des Zuges herzustellen.

Mit dem Signal "Bremse gut" ist die Vorbereitung des Zuges abgeschlossen und der Zug kann seine Reise nach Singen am Hohentwiel fortsetzen. Doch bevor das soweit ist, muss auch der Fahrdienstleiter darüber informiert werden. Die Info ist aber noch nicht erfolgt, denn der Besitzer des Schirms kommt zu meiner Lokomotive. Er will schliesslich sein Funkgerät zurück erhalten. Erst dann meldet er sich beim Fahrdienst und ich kann meine Fahrt fortsetzen.

 

RBL - Singen am Hohentwiel

Mit dem Abfahren des Zuges könnte es hier ein kleines Problem geben, denn vor mir sehe ich kein Hauptsignal. Ohne Sicht auf dieses kann ich die Fahrt jedoch nur mit der Hilfe des Fahrdienstleiters beginnen. Daher bin ich auch nicht überrascht, dass die Meldung des Fahrdienstleiters am Funk erscheint. Ich nehme den Hörer und melde mich. So, zumindest das erste Problem dieser Fahrt wurde gelöst, denn ich darf als unbegleitete Rangierbewegung bis zum Hauptsignal vorziehen.

Ich kann meinen Zug langsam strecken und die Fahrt beginnen. Mit den paar hundert Tonnen, die jetzt noch angehängt sind, beschleunigt eine Lokomotive wie die Re 620 schnell. Mit knapp 30 km/h schlängle ich mich durch den Rangierbahnhof und erkenne das Hauptsignal. Es zeigt fahrt und ich kann die Fahrt beginnen. Anhalten muss ich nicht mehr, denn von einer Rangierfahrt aus darf ich ohne Halt in eine Zugfahrt wechseln. Umgekehrt geht das jedoch nicht.

Ich kann jetzt beschleunigen, denn als Zug gelten die Geschwindigkeiten an den Signalen und nicht mehr entsprechend der Sicht. Die Lokomotive mit den Wagen rollt durch den verwirrenden Weichenkopf des Bahnhofes RBL um dann sofort im Bahnhof Dietikon anzukommen. Danach kann ich dann richtig schnell werden. Doch in der LEA erkenne ich, dass das nur von kurzer Dauer sein wird. Die Strecke wird mich sehr bald einbremsen.

Das ist so, denn nach Zürich Altstätten befahre ich nicht mehr den gewohnten Weg nach Singen. Dieser hätte mich über eine der längsten Brücken der Schweiz nach Oerlikon und weiter nach Bülach geführt.

Dabei hätte ich sogar den Bahnhof Niederglatt passiert. Nur besteht in der Nacht eine Sperre, die für mich diesen Weg nicht mehr passierbar macht. Ich muss einen alternativen Weg wählen und da gibt es nur noch einen.

In Zürich wird wieder einmal eine neue unterirdische Bahnlinie gebaut und so ist der Bahnhof in Oerlikon für meinen Zug gesperrt worden. Ich kann also nur über die Strecken der S-Bahn fahren und die führen zum Hauptbahnhof von Zürich.

Da diese jedoch für den dichten Verkehr der S-Bahn abgestimmt wurde, wird mein Güterzug dort langsam unterwegs sein. Dabei werde ich den Teil des Bahnhofes benutzen, der verhindert, dass Zürich ein Kopfbahnhof ist.

Nach Zürich Hardbrücke beginnt es, die Rampe in den unterirdischen Teil des Bahnhofes Zürich drückt die Geschwindigkeit meines Zuges in die Höhe und ich muss den Zug mit der elektrischen Bremse zurückhalten. Nur so wird er nicht zu schnell. Das Gefälle hier kann sich durchaus mit dem Gotthard messen. Eine Strecke, die jedoch im Normalfall von leichten gut motorisierten S-Bahnen befahren wird. Ein Güterzug mit Container hier ist schon exotisch.

Dann geht alles sehr schnell, denn ich verschwinde mit meinem Zug im Untergrund von Zürich. Doch dann kommen schon die Bahnsteige des Hauptbahnhofes. Jetzt am Morgen um 3 Uhr ist auch hier kein Mensch zu sehen. Zürich schläft um diese Zeit friedlich. Gut zumindest fast keiner, denn Leute hat es hier wohl immer. Jetzt ist die Zeit, wo der Bahnhof gereinigt wird, damit er in ein paar Stunden von den Fahrgästen wieder verschmutzt werden kann.

Nach dem Bahnhof kommt nun der schwerste Abschnitt der Strecke. Es gibt viele sich schnell folgende Signale, die Strecke fällt steil ab um dann gleich wieder stark zu steigen. Das war nötig, damit die Strecke unter der Limmat durch konnte. Beim Bau dachte man dabei wohl nicht an Güterzüge, denn Güterzüge lieben solche Abschnitte mit sich schnell folgenden Gefällsbrüchen nicht besonders.

Ich muss die Fahrt hier mit meinem Kopf absolvieren. Die Kenntnis der Strecke lässt mich wissen, dass das Gefälle nur kurz ist. Ich bremse daher den Zug im Bahnhof mit der Luftbremse unter die Geschwindigkeit und rolle etwas langsamer aus dem Bahnhof Zürich. Damit sollte ich die schlimmsten Druckverhältnisse auf den Puffern und die stärksten Belastungen in der Kupplung vermeiden können.

Mit gelöstem Zug beschleunigt das kurze Gefälle meinen Zug gegen die erlaubte Geschwindigkeit und die Steigung hoch nach Zürich Stadelhofen beginnt. Der Zug würde jetzt wieder verzögern. Jetzt muss ich Zugkraft aufbauen um zumindest einen Teil der Geschwindigkeit zu halten. Das wird nicht gelingen, aber Stadelhofen kommt bald und ab dort geht es dann wieder steil nach unten.

Ich darf dann zudem nicht mehr so schnell fahren. Ich nutze daher die Steigung auch um zu verzögern. Bisher hatte ich die auftretenden Kräfte recht gut im Griff, nur war ich etwas zu langsam unterwegs. Um diese Zeit wird das wohl kein zu grosses Problem sein. Aber etwas genervt habe ich mich schon, denn ich wollte die Fahrt doch perfekt absolvieren. Gelungen ist mir das jedoch nicht.

Stadelhofen wird so auch passiert und ich kann nun mit der elektrischen Bremse den Zug zurückhalten. Hier liegen die kurzen Steigungen im Bereich des Gotthards und das wird bei schweren Güterzügen auf dieser Achterbahn immer wieder zum Verhängnis. Jetzt wo ich wieder in einem Tunnel bin und es doch etwas ruhiger geworden ist, kann ich mich um solche Gedanken kümmern. Lange Zeit habe ich nicht, denn es kommt eine Steigung und eine Schutzstrecke.

Alles in allem ist die erste Fahrt mit diesem Zug durch den Zürcher Untergrund bisher recht gut und dadurch doch noch recht flott verlaufen. Wenn man selber fährt, kommen einem die Distanzen noch kürzer vor und man ist immer am Handlungen ausführen. Hier abgelenkt zu sein, ist recht schwer, denn noch mit voller Konzentration müssen solche eher unbekannte Abschnitte befahren werden.

Bei Stettbach verlasse ich den Tunnel und es wird danach wieder flacher, denn ich befinde mich dann wieder auf einer üblichen Strecke mit Güterverkehr und dort sind die Steigungen im Flachland nicht so hoch. Doch bis es so weit ist, befahre ich eine Brücke und einen weiteren Tunnel. Die Einfahrsignale von Dietlikon lassen mich erkennen, ich habe die Achterbahn geschafft. In wenigen Minuten fuhr ich von Dietikon nach Dietlikon. Damit wurde auch klar, dass es zwei Gemeinden mit ähnlichen Namen sind.

Nach Dietlikon folgte dann die Fahrt über Effretikon und Kempttal nach Winterthur. Den schwersten Teil meiner heutigen Reise habe ich nun geschafft, denn diese Strecke befahre ich nicht zum ersten Mal selber mit einem Güterzug. Im Gegensatz zur Rola von früher, ist hier die Fahrt mit den paar Wagen wesentlich einfacher und entspannter. Die regnerische Nacht lässt zudem nicht viel erkennen und so wurde es eine einfache Fahrt durch die Schweiz.

Bisher kümmerte ich mich nicht sonderlich um den Fahrplan. Die Geschwindigkeiten reichten mir und ich konzentrierte mich auf die wesentlichsten Punkte meiner Fahrt. Die Fahrzeit ist mir bei einem Güterzug dann so ziemlich egal. Jetzt in Winterthur, wo es gemütlicher wird, weil ich vor einem roten Signal stehe, kann ich die Zeit kontrollieren.

Ich bin recht gut in der Zeit und ein paar Minuten Vorsprung können nicht schaden. Ja, seit dem RBL habe ich sogar ein paar Minuten gewonnen. Dann war meine Fahrt über Zürich Stadelhofen wohl doch nicht so schlecht, wie ich das vermutet habe. Meinen Berufsstolz tut das natürlich gut, wenn ich auch nicht besonders zufrieden bin. Ich setze mir halt hohe Massstäbe.

Das Signal geht auf Fahrt, ich kann nun auch Winterthur verlassen und mich durch das Weinland in Richtung Schaffhausen bewegen. Die ersten paar Kilometer führt die Fahrt durch die Quartiere von Winterthur und über viele Bahnübergänge. Doch auch das endete einmal und die dunkle Natur hat mich wieder eingenommen. Ich kann mich über Andelfingen bis nach Dachsen frei entfalten, doch dort ist die Ausfahrt geschlossen und ich muss bremsen.

Reisezüge können es kaum sein und viele Güterzüge sind um diese Zeit auch nicht unterwegs. Ich komme auch nicht zum stehen, denn ich kann weiterfahren, da das Signal fahrt zeigt. Nun folgen die Haltestelle beim Rheinfall und die Brücke, die oberhalb des Rheinfalls über den gleichnamigen Fluss führt. Jedes Mal frage ich mich, wie die seinerzeit die Brücke im reissenden Fluss gebaut haben.

So erreiche ich schliesslich über Neuhausen am Rheinfall den Bahnhof Schaffhausen, wo das Ausfahrsignal aus dem Personenbahnhof halt zeigt. Ich komme zum stehen und bin gut 20 Minuten vor der Zeit. Die Uhr am Funkgerät zeigt noch nicht einmal 4 Uhr. In Schaffhausen arbeitet der Fahrdienstleiter noch nicht, denn bis hier stellte Winterthur die Fahrstrasse für meine Fahrt.

Der Zug der BLS, der neben mir steht war wohl vor mir, daher auch die Verzögerung in Dachsen. Jetzt aber kann ich mir in den Aufenthaltsräumen einen Becher Kaffee holen, denn so lange der Bahnhof nicht besetzt ist, geht es nicht weiter und die Strecke nach Singen am Hohentwiel wird auch noch nicht bereit sein. Zeit für einen Kaffee ist immer gut. Ich ziehe die Handbremse der Lokomotive an, der Zug bleibt mit der Luft gebremst. Nun hole mir einen Kaffee am Automaten.

Die Aufenthaltsräume sind in der Nähe, so dass der Weg kurz ist. Zum Mitnehmen möchte ich dem Automaten fast sagen, aber dem ist das egal, denn er gibt einfach einen Becher mit Kaffee aus. Mit dem duftenden Kaffe mache ich mich wieder auf den Weg zur Lokomotive. Ich hätte auch zu den Aufenthaltsräumen gehen können, aber dazu hatte ich keine Lust, denn offiziell habe ich hier ja keine Pause, ich bin einfach abgehauen um einen Kaffee zu holen.

Kurz nach vier Uhr öffnet sich das Signal für den Kollegen der DB-Lokomotive. Mit dem notwendigen Gekreische der Räder geht seine Fahrt weiter. Die BR 185 hat mit dem schweren Zug auf den nassen Schienen scheinbar grosse Mühe. Das meldet sie dann mit der notwendigen Geräuschkulisse. Keine leichte Aufgabe für den Kollegen, denn nach den Weichen steigt die Strecke für deutsche Verhältnisse stark an und dort sollte der Zug beschleunigen.

Ich kann meine Fahrt auf den letzten Abschnitten wohl gemütlich gestalten, denn den Zug vor mir werde ich nicht überholen. Die LEA habe ich eingepackt, denn ab jetzt gelten die Vorschriften der DB und diese kennen keine LEA. Ebula, die elektronische Version der DB habe ich auf der Re 620 jedoch nicht, so dass ich mit Papier fahren muss. Papierfahrpläne früher üblich, sind heute eine Seltenheit geworden. Die Elektronik hat auch hier obsiegt, denn sie vereinfacht die Arbeit schon sehr. Auch Ebula funktioniert mit ein paar Macken recht gut.

Beim Studium der deutschen Fahrpläne fiel mir auf, dass mein Zug jetzt nur noch 100 km/h fahren darf. In der Schweiz fahren die Züge die Geschwindigkeiten, die sie können. In Deutschland ist einem Zug eine gewisse Geschwindigkeit vorgeschrieben und so lange er diese auch fahren kann, gibt es keine Probleme. Das ist bei mir der Fall, denn bisher konnte ich ja 120 km/h fahren. Bis nach Singen reichen auch 100 km/h durchaus aus.

Die Fahrt geht nun auch für mich los. Im anschliessenden Weichenbereich muss ich mit 40 km/h fahren. Das ist mir jetzt im Buchfahrplan vorgeschrieben und wird zusätzlich am Signal nach schweizer Norm angezeigt. Der anschliessende Weichenbereich endet auch dort, wo der Buchfahrplan eine neue Streckengeschwindigkeit vorsieht. Mit den Rückspiegeln kann ich gut erkennen, wann das der Fall sein wird. Nur stark beschleunigen muss ich nicht, denn der Zug vor mir wird kaum weit gekommen sein.

So ist es auch, das letzte Signal der SBB zeigte noch halt, wechselte jedoch nach kurzer Zeit die Farbe. Der neue Block verkürzt hier die Zugfolge deutlich. Nur das ist nur bis Thayngen so, danach gibt nur noch in den Bahnhöfen Signale und die Distanzen werden länger. Das wird sich auch bei den Signalen bemerkbar machen. Eilig habe ich es deshalb nicht mehr.

Letztlich konnte ich den Bahnhof Schaffhausen verlassen und den Funk auf die deutsche Version umschalten. So bin ich jetzt für die Fahrdienstleiter der deutschen Strecke erreichbar. Schaffhausen hat jedoch keine Möglichkeit mehr um mich zu ereichen. Daher wechseln wir erst, wenn wir den Bahnhof verlassen haben. Die Fahrt kann also nun auch funktechnisch fortgesetzt werden. Bis auf die Stromversorgung ist nun alles nach deutschen Normen vorgeschrieben. Ach ja, die Zugsicherung der Schweiz bleibt letztlich sogar bis Singen.

Lange ist die Schrecke nach Singen nicht und ich konnte gegen den Schluss auch schneller fahren, denn die Distanzen wurden grösser und ich bekam auf den Zug vor mir Luft. Selbst die Einfahrt von Singen ist jetzt kurz vor halb fünf Uhr offen. Auch hier fahren jetzt noch keine Reisezüge, aber die Nacht der Güterzüge wird sehr bald enden. Doch bis dann bin ich eingefahren und kam zum Stillstand. Singen ist erreicht.

 

Singen, Grenzbahnhof

Der Zug wird abgehängt und ich muss mit meiner Lokomotive auswechseln, damit ich wieder nach Schaffhausen fahren kann. Normalerweise machen wir Lokführer die Kuppelarbeiten immer öfters selber, da das notwendige Personal einfach nicht mehr vorhanden ist. Heute kommt hier jedoch ein Rangierarbeiter und erledigt diese Aufgabe für mich. Eine Aktion, die in der Schweiz damit beendet ist, aber die in Deutschland weiter Erkundigungen erfordert.

Er meldet mir, dass er abgehängt hat und erkundigt sich nach den Papieren. Diese gebe ich ihm. Danach erkundige ich mich, ob er denn den Zug festgelegt hat. Diese Aufgabe müsste ich übernehmen. Er meint, dass das nicht nötig sei, da die abgehende Lokomotive bereits darauf warte, dass ich mit meiner Lokomotive wegfahren werde. Der Zug ende nämlich nicht hier in Singen und werde weiter geführt bis nach Ulm.

Ich melde mich über GSM-R-Funk beim Weichenwärter SO, der für diese Seite des Bahnhofes zuständig ist. Nachdem die Verbindung steht erkläre ich ihm, dass ich auswechseln will und danach eine kurze Pause mache. Erst danach würde ich dann LZ nach Schaffhausen fahren. Die Pause muss ich machen, damit ich das Schweizer Gesetz, das auch jetzt für mich gilt, eingehalten wird. Ich darf nicht länger als fünf Stunden ohne Pause arbeiten.

Da ich nicht der erste Lokführer bin, der mit diesem Zug hier ankommt, bestätigt er mit den Worten, "alles, klar, wie immer. Ich beleuchte, dann kannst Du vorziehen, bis ich es Dir sage und dann zurück in den Westen.“ Ich bestätige und blicke nach vorne. Dort leuchtet bereits Sh 1 auf. Ich habe die Erlaubnis bekommen um mich vom Zug zu entfernen. Die Re 620 reagiert schnell und rollt dann los.

Die Verbindung am Funk belassen wir, denn er will mir nach nur einigen Metern den Befehl zum Anhalten geben. Genau das macht er und er teilt mir auch gleich mit, dass die Fahrstrasse steht und ich nach dem Wechsel des Führerstandes losfahren kann. Ich bestätige erneut und verabschiede mich von ihm. Das war heute das letzte Mal, dass wir miteinander gesprochen haben. Die restlichen Gespräche laufen über den Fahrdienst und der ist auf der anderen Seite des Bahnhofes zu Hause.

Ich beleuchte an der Lokomotive den Zugschluss für die Fahrt als Lokzug und verlasse nun den Führerstand in Richtung andere Seite. Der Weg durch den Maschinenraum ist klar und das nachziehen des Streifens kann ich mir bei der ETCS-Ausrüstung der Lokomotive ersparen. Der Grund ist simpel, die Daten werden elektronisch aufgezeichnet und so braucht es keinen Streifen mehr, der nachgezogen werden müsste. Auch hier sorgte die Elektronik für Erleichterungen.

Im anderen Führerstand ist das jedoch anders, denn bis hier alle Daten eingegeben sind dauert es, ich wende daher nur die Version zum Rangieren an. Das geht schneller und reicht aus, um schnell in ein Gleis zu kommen. Dort habe ich dann genug Zeit um meine Daten der Lokomotiven einzugeben. Jetzt muss ich aber hier weg, denn die Lokomotive, die den Zug übernehmen will, wartet schliesslich auch schon irgendwo und will pünktlich abfahren.

Klar, für mich bedeutet das, dass ich einige Schritte doppelt machen muss, aber der Betrieb soll ja nicht unnötig behindert werden. Danach habe ich genug Zeit um die korrekten Daten einzugeben. Jetzt ist wichtig, dass ich von hier wegkomme und so nicht länger den Bahnhof blockiere. Das geht auch mit ETCS dank einem speziellen Modus sehr schnell und ohne Probleme.

Ich kann ins Gleis fahren und halte so an, dass ich nach der Pause, die nur kurz sein wird, das Signal korrekt erkennen kann. Den Fehler, dass man anders anhält, macht man auch nur einmal. Ich machte auch schon meine Erfahrungen, denn wenn ich das Signal nicht eindeutig zuordnen kann, muss ich mich erkundigen und nerve dann einen Fahrdienstleiter zusätzlich mit einer Sache, die ich elegant hätte vermeiden können.

Jetzt gebe ich die korrekten Daten für das ETCS ein. Diese benötigen viel mehr Schritte, als das bei den noch nicht damit ausgerüsteten Maschinen der Fall ist. Die Schritte sind aber längst zur Routine geworden und gehen daher auch etwas schneller von der Hand. Es soll Kollegen geben, die die Schritte gezählt hatten. Mir bringt das nicht viel, denn machen muss ich sie und daran führt nun kein Weg vorbei. Dabei benötige ich diese Daten schlicht nicht, da ich nach Vorschriften der DB verkehren werde.

Fertig, ich gehe in die Pause und komme dann in einer halben Stunde wieder. Bevor ich die Lokomotive jedoch verlasse, ziehe ich die Handbremse an. Den Lappen lege ich auf die Kurbel und zusätzlich eine Tafel mit der Aufschrift „Handbremse“ vor die Monitore. Eine Sicherheit, falls, die viel befürchtete Krise erbarmungslos zuschlägt. Schliesslich bin ich schon lange auf den Beinen. Besser doppelt gesichert, als eine vergessene Handbremse.

Genau genommen dauert meine Pause etwas mehr als eine halbe Stunde, denn ich habe eine so genannte offene Kurzpause. Ein Konstrukt, das dem Gesetz Geltung verschafft, jedoch an den Dienstplänen nichts wesentlich ändert. Aber damit muss man leben, denn neue Vorschriften gibt es immer wieder und die Umsetzung muss schnell erfolgen. Daher eine offene Kurzpause, die trotzdem mit der normalen Arbeitszeit angerechnet wird, da sie kürzer als 40 Minuten ist.

Daher bin ich bemüht, dass ich erst nach 32 Minuten das Ende der Pause melde. Getrunken hatte ich meinen Kaffee etwas schneller. Zurück war ich so schon etwas früher. Ich wartete nicht noch unnötig in einem Café um auch ja meine korrekte Pause zu machen. Habe ich den Kaffee getrunken, begebe ich mich gemütlich zur Lokomotive. Erst dort achte ich mich, ob diese auch korrekt war.

Die Lokomotive wird noch vom Eingriff der Handbremse befreit und dann kann ich meine Fahrbereitschaft beim Fahrdienstleiter melden. Die vorgeschriebene Pause ist gemacht, ich hatte die Möglichkeit ein WC zu besuchen und dank dem Kaffee merke ich die langsam aufkommende Müdigkeit doch nicht mehr so sehr. Für die Fahrt nach Schaffhausen muss es reichen, denn lange wird diese nicht dauern.

Ich rufe am Funk den Fahrdienst und melde meine Fahrbereitschaft. Die Antwort ist verblüffend. Der Fahrdienstleiter meinte, „schaue nach vorne“. Dort sehe ich, dass das Signal schon Fahrt zeigt. Ich kann also sofort losfahren. Scheinbar hatte er mich beobachtet, als ich zur Lokomotive ging und hat dann gleich gewusst, wer ihn ruft. So tat er die Arbeit und meldete sich erst danach am Funk. Egal wie, ich kann losfahren und das war ja auch die Idee des Funkspruches.

 

Singen - Schaffhausen

Mit dem Fahrschalter gebe ich der Lokomotive den Befehl um die Fahrt zu beginnen. Sie reagiert richtig und setzt sich in Bewegung. Es geht wieder als LZ zurück nach Schaffhausen. Natürlich hat auch dieser Zug eine Nummer zur klaren Identifikation, aber oft spricht man einfach von LZ, was für Lokzug steht. Andere Länder ergeben auch andere Begriffe, an die wir uns gewöhnen mussten.

Früher, als ich noch nicht über die volle DB-Ausbildung verfügte, durfte ich mit der Lokomotive nur 100 km/h fahren. jetzt sind aber alle Einschränkungen aufgehoben und ich fahre nach dem vorhandenen Bremsverhältnis. Hier also mit 125 Bremshundertstel. Das ist eine direkte Folge der Vollausbildung, auch wenn die nicht immer bestehen bleiben sollte, heute gilt sie und ich kann schneller fahren.

Das bedeutet somit, dass ich jetzt die Lokomotive sogar auf bis zu 120 km/h beschleunige. Das ist schnell genug. Es wäre zwar etwas mehr erlaubt, aber ich bin auch so schnell genug in Schaffhausen. Noch ist es dunkel und im Regen tummeln sich auch ein paar Schneeflocken. Es ist Winter und die Schneefallgrenze ist gerade so auf meiner Höhe. Im Flachland eher selten, in den Bergen oft der Fall.

In solchen Situationen kann es schnell auch auf den Schienen Eis geben. Zum Bremsen habe ich nun aber nur die Lokomotive. Ich kann nicht auf Wagen, die etwas bessere Schienen haben zurückgreifen, die Bremskraft der Lokomotive muss ausreichen um vor einem Hauptsignal anzuhalten. Da wird man automatisch etwas vorsichtiger. Die jungen wilden Jahre sind bei mir vorbei, ich denke etwas vorsichtiger.

Einige Kurven sind meiner Meinung nach mit 120 km/h recht eng. Die Re 620 wird auf jeden fall von der Fliehkraft stark nach aussen gezogen. Das bin ich mir so stark nicht gewohnt. Aber der Buchfahrplan lässt es zu. Scheinbar sind wir Schweizer da etwas weniger waghalsig und nehmen es um die Ecken etwas gemütlicher. So oder so, die Kurve ist geschafft und ich kann wieder auf dem geraden Abschnitt zur Grenze fahren.

Die Grenze, ein Konstrukt, das Länder trennte, als es diese Trennung noch brauchte. Auch die Bahnen waren getrennt und hier nur Lokomotiven der DB im Einsatz. Später kamen die Lokomotiven der SBB und die Lokführer der DB bedienten sie ab Schaffhausen. Dazu wurden die Kollegen in Singen speziell auf den Lokomotiven der SBB geschult und konnten diese zuverlässig bedienen. Wir wussten nicht einmal, wie weit es bis Singen wirklich war.

Jetzt operieren hier die Züge fliessend über die Grenzen hinweg. Die Grenze ist gefallen, hier sogar der Grenzzaun, denn ich weiss immer noch nicht genau, wann ich die Grenze effektiv passiere. Irgendwann gehe ich einfach davon aus, wieder in der Schweiz zu fahren. Der Zug, der mir dabei begegnet ist mit einer Lokomotive der SBB bespannt und wird wohl auch von einem entsprechend geschulten Lokführer der SBB bedient werden. Beide arbeiten jedoch nach Vorschriften der DB.

Für die Fahrt spielt das keine Rolle, denn es gelten die Vorschriften nach den Vorgaben der DB. Nach den Schweizer Vorschriften werde ich keinen Zug mehr führen, denn die Lokomotive wird in Schaffhausen abgestellt werden. Das erfolgt dann noch als Rangierfahrt und so ist das hier auch meine letzte Zugfahrt an diesem Tag. Doch noch ist es nicht soweit, denn ich muss bremsen, da das Einfahrsignal von Thayngen geschlossen ist.

Ja, der Bahnhof entspricht längst nicht mehr den geltenden Normen. Die Leute, die zur S-Bahn nach Zürich wollen, müssen die Geleise überqueren. Während die das machen, kann ich ja nicht mit 100 km/h durch den Bahnhof brettern. So muss ich abbremsen. So veraltet das erscheinen mag, so sicher ist es auch, dass wir solche Bahnhöfe in der Schweiz auch noch haben. Altdorf ist noch so, aber der Bahnsteig wurde bereits gebaut.

Pünktlich verlasse ich den Bahnhof und kann mich Schaffhausen und so dem schweizerischen Bahnnetz nähern. Die erst Handlung, die ich dazu vornehme, ist das Ausschalten des Hauptschalters. Das ist nötig um die Schutzstrecke zu passieren, die das Netz der DB von jenem der SBB trennt. Trotz aller Verbindungen gibt es noch klare Schnittstellen, denn mit dem einschalten der Lokomotive beziehe ich schweizerischen Strom und bin daher schon etwas mehr in der Heimat.

Kurz vor Schaffhausen stelle ich auf den GSM-R-Funk für die Schweiz um und kann so auch wieder mit meiner Heimat funken. Die Fahrt wird immer schweizerischer, denn auch das Einfahrsignal von Schaffhausen ist nach Schweizer Vorschrift. Ich fahre aber immer noch nach Normen der DB und komme an einem Vr 1 vorbei. Gezeigt wird das nur an einem etwas komischen Signal. Einfahren werde ich mit der Lokomotive zudem in den Bahnhofsteil Schaffhausen PB und nicht in den Personenbahnhof.

Kurz vor dem Ausfahrsignal in Schaffhausen halte ich mit der Re 620 an und beende meine Zugfahrt nach Normen der DB. Damit auch die Vorschriften der DB. Rangiert wird in Schaffhausen nach den Vorgaben der Schweiz. Das bedeutet, dass ich etwas schneller fahren darf. Nur die Anlagen sind hier unübersichtlich, so dass das keine Rolle spielten dürfte. Entscheidend ist aber, dass das Zwergsignal nicht Sh 1 zeigen kann.

Mit meiner Lokomotive kann ich von hier aus direkt zum Parkplatz fahren. Das Zwergsignal leuchtet bereits auf und ich kann losfahren. Die Zugsicherung wird überbrückt und dann geht es in die D-Gruppe. Eine Abstellgruppe, die dazu genutzt wird, um diese Lokomotive den Tag über abzustellen. Kurz vor dem Prellbock halte ich an und habe somit die letzte Fahrt mit dieser Lokomotive abgeschlossen.

Nach einer neuen Regelung dürfen wir nicht mehr ganz bis zum Prellbock fahren. Das ist nicht vorgesehen, denn er dient als Gleisabschluss und nicht zum Aufhalten von Fahrzeugen. Wenn wir trotzdem, weil es der Fahrdienstleiter so wünscht, an den Prellbock fahren müssen, müssen wir das dem rechtmässigen Prellbockbesitzer melden. Wer das hier in Schaffhausen sein wird, weiss ich nicht. Daher lasse ich mich nicht auf Experimente ein.

 

Schaffhausen am Morgen

Nachdem ich die Arbeiten, die ich nach einer Fahrt machen muss, erledigt habe, kann ich mich zur Pause begeben. Das ist hier jedoch nicht ganz so leicht, denn den bisherigen Weg entlang den Gleisen, sollen wir nicht mehr benutzen. Das sei zu gefährlich. Scheinbar kam schon mancher Lokführer dabei ums Leben. Warum diese Art des Personalabbaus plötzlich nicht mehr gewünscht wird, weiss ich nicht. Ein Lokführer mehr oder weniger spielt doch keine Rolle, es gibt scheinbar genug davon.

Es gäbe eine Möglichkeit durch den Parkbereich des nahen Hotels und dann den Strassen entlang. Zumindest das wurde uns in der entsprechenden Weisung erklärt. Eine Anleitung war auch vorhanden, nur so richtig schlau daraus konnte man nicht werden. Gut, kennen wir Schaffhausen, wie unsere Westentasche, denn schliesslich sind wir ja jeden Tag hier. Na gut, fast jeden Tag oder vielleicht doch nur ab und zu?

Bevor wir einmal in den Parkbereich des Hotels kommen, müssen wir eine Mauer überwinden. Hoch ist sie nicht, aber es gibt sie und dann steht man mitten auf der Fahrbahn. Mit der Mappe ist das doch schon eine gewagte Aktion. Kommt da einer der Gäste mit etwas Schwung, heisst es tschüss Lokführer. Gut, dass ich meine Warnweste noch trage. Denn gegen die Nobelkarosse, die gerade gefahren kommt, hätte ich keine Chance gehabt. So meinte der Fahrer wohl ich sei von der Polizei und bremste ab.

Nach wenigen Minuten bin ich wieder in einer Gegend, die ich auskenne. Gut, dass es überall Wegweiser zum Bahnhof gibt. Schwer war der Weg nicht, nur hatte ich nicht damit gerechnet, dass in Schaffhausen andere Verkehrsregeln gelten. So hätte mich beinahe ein Kleinwagen mit deutschen Kontrollschildern auf dem Fussgängerstreifen abgeschossen. Entschuldigung, es heisst ja jetzt neu Zebrastreifen, denn Fussgängerstreifen sei zu sexistisch und entspreche nicht dem Gleichheitsgebot. Das Land meiner Heimat hat wirklich keine ernsten Sorgen mehr.

Auf dem Bahnhof ist jetzt kurz vor 7 Uhr die Hölle los. Wenn ein Zug kommt, wird der belagert und schliesslich gestürmt.

Um diese Zeit will wohl halb Schaffhausen nach Zürich reisen. Ein kleiner Lokführer geht in dem Getümmel schnell mal unter.

Zum Glück bin ich kein Leichtgewicht, sonst hätte mich der Sog womöglich in den Wagen gezogen.

Nun, der Zug in einer Stunde ist besser, ich habe Hunger und nun meine offizielle Pause.

Die Personalräume sind gut gesichert. Da kommt nun wirklich ausser den Lokführern keiner rein. Ein Banktresor sei dagegen nichts. Hm, wer den Schlüssel hat, dass er durch die Haupttüre rein kommt, kann dann mit dem Schlüssel den Schlüssel zur Türe freigeben. Warum man nicht gleich den ersten Schlüssel genommen hat, wissen die Götter, aber sicher ist da nichts. Ich bin froh, wenn der Tresor bei der Bank etwas besser geschützt wird.

Da aber jene, die es bis hier geschafft haben, nicht unbedingt zur Zunft der Langfinger gehören, kann ich meine Mappe beruhigt deponieren. Das einzige Wertvolle in der Mappe ist meine LEA. Die ist uralt und alle Kollegen, die hier arbeiten, besitzen die LEA II, die neuer aber auch schwerer ist. Mit meinem kleinen niedlichen Gerät falle ich auf. Aber ich denke, dass ich beruhigt in die Pause kann.

Nur, wo gehe ich hin, Möglichkeiten gibt es hier im Bereich des Bahnhofes viele und von der Zeit her, kann ich auch etwas weiter weg essen gehen. Nun, ich bleibe in der Gegend und mache es mir gemütlich. Das Wetter lädt zudem nicht für einen ausgedehnten Spaziergang ein. Eine Gratiszeitung wird mich dann mit den News versorgen. Ein Kaffee, ein Brötchen und etwa Butter füllen dabei das Loch in meinem Magen.

Beim gemütlichen Morgenessen, etwas, was wohl die wenigsten, die auf den Zug hasten, machen konnten, entspanne ich mich. Langsam spüre ich, dass ich ja schon lange auf den Beinen bin. Während die Leute noch mit dem Resten Schlaf in den Augen zum Zug stressen, bin ich bei der Mittagsmüdigkeit angelangt. Aber bei all den Gedanken, der Zeitung und dem Kaffee vergeht die Zeit und meine Pause ist vorbei.

Die Dämmerung setzt nun ein und die macht uns Frühaufstehern wirklich zu schaffen. Da merkt man die Müdigkeit, die erbarmungslos zuschlägt und jeder, der nicht schwindelt, weiss, dass zu dieser Zeit der Kampf gegen den Schlaf beginnt. So ist es auch bei mir, ich bin müde und letztlich froh, dass ich keinen Zug mehr übernehmen musste. Mein Kollege von Goldau hatte nicht so viel Glück er wird wohl jetzt in Offenburg starten und noch eine lange Fahrt nach Hause haben.

Der Weg zum Bahnhof ist nicht lange und im Gegensatz zu einer Stunde vorher sind nun kaum Leute hier. Die meisten sind jetzt an der Arbeit und die Morgenspitze ist vorbei. Die Bahnen stellen die alten Züge weg und gehen wieder zum normalen Betrieb über. Am Abend helfen diese dann wieder aus, um den Ansturm zu bewältigen. Dieses Spiel wiederholt sich Tag für Tag. Wir Lokführer vom Cargo bekommen davon nur wenig mit, denn wir arbeiten zu anderen Zeiten.

Bei der Mappe angelangt, greife ich zu dieser und höre, wie mir gerufen wird. „He, was machst Du denn hier?“ Ein Lokführer der Thurbo. Er war früher in Erstfeld und hatte dann in die Ostschweiz gewechselt. Ja, ich versuchte mein Glück in Arth-Goldau und fahre nun nach Deutschland. Leider seien hier neue Bedingungen ausgehandelt worden. Die kann ich nicht akzeptieren. Daher werde ich noch ein paar Jahre in Erstfeld bleiben. Was dann passiert, wisse ich nicht.

Im schlimmsten Fall werde ich dann auf der Strasse stehen und mir einen neuen Job suchen müssen. Ein Lokführer auf der regionalen Arbeitsvermittlung wäre sicher auch etwas Neues. Bis dahin sind es ja noch vier Jahre und eventuell, bleibe ich nicht mehr so lange. Ich wisse wirklich nicht, wie meine Zukunft aussieht. Ich lasse es auf mich zukommen. Mehr, als auf der Strasse stehen kann ich ja nicht.

Nur, bis dahin sollte ich zusehen, dass ich meine Züge erreiche. So verabschiede ich mich und mache mich auf den Weg zum Zug, der noch nicht eingefahren ist. Da ich aber die Wagen mit den Abteilen in erster Klasse benutzen will, muss ich so oder so das andere Ende erreichen. Bis ich dort bin, ist dann auch der Zug hier und ich kann einsteigen. Der Wagen ist noch leer und ich habe alle Sitze zur Verfügung.

Ich richte mich ein. Die Mappe geht auf die Hutablage und die Zeitung auf das kleine Tischchen. Auch in Gratiszeitungen gibt es Rätsel und die kann ich nun lösen. Der Wagen beginnt sich langsam zu füllen. Die Züge sind auch jetzt noch sehr gut besetzt und so müssen sich die Leute ein Abteil teilen, ob es ihnen passt oder nicht. Eine ältere Dame setzt sich gegenüber von mir. Frage, ob der Platz frei sei, ist wohl nicht mehr in Mode.

 

Dienstfahrt nach Hause

Die Türen am Zug werden geschlossen und der Interregio fährt los. In vierzig Minuten wird er in Zürich ankommen und ich kann umsteigen und die letzte Etappe antreten. Unmotiviert starre ich die Rätsel in der Zeitung an und versuche in paar Buchstaben zu schreiben. Eigentlich mag ich nicht Rätsel lösen. Entweder empfinde ich sie als zu schwer oder aber ich kann mich nicht motivieren. Daher lege ich die Zeitung beiseite.

Ich kann ja auch etwas ausruhen, denn ich muss ja noch mit dem Auto nach Hause fahren und die Axenstrasse ist nicht leicht zu befahren. So schliesse ich die Augen und lasse meine Gedanken schweifen. Bei der Fahrt hatte nicht alles wunschgemäss geklappt und die Fahrt durch Zürich war nur bedingt gelungen. Trotzdem kam ich an, die Lokomotive steht ganz am Platz und das soll so sein.

Die Fahrt durch Zürich hätte wirklich etwas optimaler gestaltet werden können, aber auch diese und andere Punkt hätten einer besseren Handhabung genügt. Heute war nicht mein Tag, alles ging irgendwie schwer von der Hand und alles war immer ein wenig ein Gemurkse. Ich hatte schon bessere Tage und da geht einem einfach alles wie von selber von der Hand. Nur heute ist nicht so ein Tag. Halt ein schlechter Arbeitstag, der ja bald zu Ende ist.

Ob die Dame mir gegenüber die Gedanken lesen konnte oder nicht, weiss ich nicht. Aber in dem Moment, wo ich die Worte höre „Sie hätten gestern Abend halt nicht so lange feiern müssen, dann wären sie nun wach“, war es mit der Dame vorbei und es war eine alte Schachtel. Ein dummes Huhn, und was mir sonst noch für Schimpfworte für hochnäsige Frauen durch den Kopf geschossen sind. Die hat ja keine Ahnung.

Nein, ignorieren konnte ich das natürlich nicht. Auf sich beruhen lassen? Auch nicht, dafür war mein Tag zu mies und ich musste zu früh aus dem Bett. Das musste wohl einfach noch sein und gehört wohl zum miesen Tag. Ich öffne die Auge, blicke mit einem vernichtenden Blick auf die andere Seite und lasse den Kommentar „Nicht alle können ausschlafen, es soll auch Leute geben, die in der Nacht arbeiten. Mein Wecker ging um 22.30 los.“ Klar stimmte das nicht genau, aber das muss die ja nicht wissen.

Irgendwie hätte ich mich nun gerne wieder meiner Erholung gewidmet. Doch die Rechnung ging nicht auf. Die alte Schachtel labert etwas von einem vernünftigen Job und ich sei selber schuld. Ja, von einem vernünftigen Job bin ich sicher weit entfernt, aber mir gefällt er und das ist für mich das Wichtigste. Nur, meine Gedanken behalte ich für mich. Ich meine nur, dass ich davon gerne träumen möchte. Zudem bitte ich sie um etwas Ruhe, denn schliesslich sei das ein Ruheabteil.

Irgendwie gibt dieses dumme Huhn nicht auf. Mein Ärger wächst doch langsam an. Der Zugführer kommt und verlangt nach den Ausweisen. Ich greife in meine Westentasche und entnehme ihr die Agenda mit meinem Schwarzfahrerausweis mit Komfortstreifen. Der Zugführer blickt kurz drauf und meint, dann, „so die Arbeit geschafft? Wohl auf dem Weg nach Hause? Ich wünsch Dir noch einen schönen Tag.“ Das tat gut, aber nicht so gut, wie das, was danach kam.

„Gute Frau, das hier ist die erste Klasse, Sie haben nur einen Ausweis zweiter Klasse. Ein schnippischer Kommentar und die Busse für Graufahren wurden der Dame auch noch aufgebrummt. Erst mit der Drohung, dass es letztlich die Polizei übernehmen würde, brachte die Schnepfe dazu, das Abteil zu verlassen und den Weg in die Holzklasse unter die Beine zu nehmen. Normale Leute hätten jetzt wohl einen hochroten Kopf. Nicht so diese dumme Gans, die hochnäsig davon stolziert.

Endlich Ruhe. Denkste! Entschuldigung tönt es von der anderen Seite des Ganges. Ja? Er bewundere mich, wie ich ruhig sein konnte. Er wäre diesem Drachen wohl an die Gurgel gegangen. „Ach wissen Sie, das bin ich mir gewohnt, wenn ich dann nach Hause kommen werde, sei sicher ein Nachbar vorhanden, der meine, dass ich einen schönen Job habe.“ Das gehört wohl zur Schicht dazu und nicht alle Leute würden das verstehen.

Daraus entwickelte sich dann ein angeregtes Gespräch mit dem Herrn, der aus dem medizinischen Sektor kam und sich an der Schichtarbeit sichtlich interessiert zeigte. Die Arbeit ist sicher nicht leicht und daran sei sicherlich die Schicht schuld, denn körperliche Hochleistungen müssen wir ja nicht erbringen.

Die Antwort überraschte. Der Herr meinte, dass wir mit der Schicht eine geistige Höchstleistung vollbringen, die mit einem Leistungssportler zu vergleichen sei. Nur zähle halt die geistige Leistung nicht viel.

So kommt Zürich und unsere Wege trennen sich. Schön, wenn man mit jemandem Reden kann, der sich nicht um den Lokführer, sondern um den Schichtarbeiter sorgte. Keine dämlichen Fragen, sondern sachliche Feststellung, die eigentlich nur von einem Arbeitsmediziner stammen können. Viel Ruhe fand ich nicht, aber müde bin ich auch nicht, die Krise habe ich überwunden und nun muss ich durch das Bienenhaus, das alle als Hauptbahnhof Zürich kennen.

Auch ein geübter Bahnfahrer hat in Zürich zu kämpfen. Es überrascht, wie das Chaos, das sich die Leute die Kreuz und Quer durch den Bahnhof bieten überhaupt funktionieren kann. Selten werden Zusammenstösse festgestellt. Um es dann noch etwas komplizierter zu machen, hält jeder eine Zeitung in der Hand, das Handy am Ohr und sprintet zum Zug. Ein gemütlicher Bergler sieht da schon etwas komisch aus.

An der Abfahrttafel stehen zwei Züge nach Arth-Goldau. Vorgeschrieben ist mir der ICN, der den Vorläufer macht. Zudem erkenne ich, dass der EC nach Italien gar noch nicht bereit steht. Es wird eine Verspätung von 25 Minuten angezeigt. Das schon am Morgen, ob da ein Zug einen Defekt hatte? Egal, mein ICN steht bereit und ich kann einen Sitzplatz suchen. Einen Platz finde ich noch und ich setze mich hin.

Auch jetzt beginnt sich der Zug wieder zu füllen. Die Sitzplätze in der ersten Klasse sind auch schon gut besetzt. Eine junge Dame erkundigt sich, ob der Platz gegenüber von mir noch frei sei. Ja, das ist er, sie könne sich setzen. Und da heisst es immer, dass junge Leute keinen Anstand mehr besässen. Die nette Frage war wohl nicht so schwer, wie man sich das immer wieder vorstellt. Ein paar Worte, die über den Eindruck entscheiden, den man von einer Person hat.

Wirklich kein Vergleich mit der unflätigen Person im vorherigen Zug. Arroganz ist eine hässliche Angewohnheit. Jetzt kann ich vielleicht noch etwas von der erhofften Ruhe finden, denn ich sitze nun im letzten Zug meiner heutigen Tour und dann ist Feierabend, auch wenn das am Morgen sein wird. Ich höre nun, wie die Türen geschlossen werden. Aha, die Fahrt wird gleich beginnen.

Der ICN fährt los und ich versuche mich doch noch an einem Rätsel. Viel Schlaues wird dabei nicht heraus kommen. Die Dame gegenüber scheint sichtlich nervös zu sein. Schaut sich im Zug um, blickt aus dem Fenster und schaut sich den Fahrausweis an. Kaum ist diese Bewegung abgeschlossen, beginnt sie von neuem. Entspanntes Reisen stelle ich mir doch etwas anders vor.

Das alles beobachte ich mit den Augenwinkeln. Ich erkundige mich, ob ich helfen könne. Ach so, die Dame hätte eigentlich im anderen Zug reisen sollen und nun wisse sie nicht, ob sie im richtigen Zug sitze. Ich erkundige mich, wo sie denn hinreisen wolle. Lugano bekomme ich als Antwort. Dieser Zug fährt auch ins Tessin und sogar nach Lugano. Sie könne beruhigt sitzen bleiben. Die Entspannung wollte bei der Person mir gegenüber nicht so richtig einkehren.

Die Fahrt im Neigezug ist hier nicht schneller, als mit dem Interregio. Die Landschaft zieht vorbei und verschwindet, wenn der Zug im Tunnel einfährt. So weiss ich aber auch, wo wir uns in etwa befinden. Dabei helfen meine Streckenkenntnis und die bekannte Landschaft. Gewisse Bahnlinien erkenne ich bereits anhand der Bewegungen des Zuges. Dazu gehört diese jedoch nicht.

Draussen ist es nasskalt und ich denke, dass nicht viel fehlen würde, und es würde Schnee fallen. Der nahe See könnte für die leichte Erhöhung der Temperatur sorgen. Mal sehen, was noch kommt. Ich will ja nicht hier Auto fahren und Arth-Goldau liegt etwas höher, da kann sich im Winter viel ändern. Doch im warmen Zug ist das noch egal.

Nur schon nach dem anderen Tunnel liegt Schnee. Hier war kein See und es ist etwas höher gelegen. Hier konnte der Schnee nicht mehr tauen und es ist eine weisse Schicht vorhanden. Viel ist es nicht, aber es braucht oft nicht viel Schnee um für ein Chaos zu sorgen. Winter sind nie leicht, auch bei der Bahn sorgen Schnee und Eis oft für heisse Köpfe. Aber der Fahrplan wird heute recht gut eingehalten und der Zug kann Zug pünktlich verlassen.

Noch eine Fahrt dem Zugersee entlang und der ICN erreicht Arth-Goldau. Damit wird er auch meinen Dienstort erreichen und ich habe Feierabend. Aber der Weg dorthin dauert noch ein paar Minuten und in dieser Zeit steigt die Strecke leicht an. In Arth-Goldau könne dann der angekündigte Schnee liegen. Ich werde es sehen und das Rätsel lege ich entnervt beiseite, die Fehler, die ich bisher gemacht habe, verhindern, dass ich es noch lösen kann. Man sollte solche Aktionen mit wachem Köpfchen machen.

Schon wird er angekündigt. Der nächste Halt in Arth-Goldau. Dieser Zug sollte zudem ohne Halt bis Bellinzona verkehren und am Schluss Lugano erreichen. Beruhigt rutscht die Frau mir gegenüber in den Sitz. Scheinbar hatte sie mir nicht so ganz geglaubt. Jetzt, wo es auch der Computer sagt, ist es scheinbar sicher. Ich stehe auf, nehme meine schwere Mappe und verabschiede mich freundlich. Ein nettes Lächeln, begleitet mich auf dem Weg. Zumindest etwas Schönes an diesem trostlosen Tag.

Der Zug hält und ich kann aussteigen. Die Unterführung benutzen und dann durch den Schnee zu meinem Wagen gelangen. Arth-Goldau hat Schnee! Nicht viel nur ein paar Zentimeter, aber das reicht um die Strassen rutschig zu machen. Trotz meiner frühen Schicht, ist der Tag noch nicht zu Ende, denn jetzt kommt noch der Weg nach Hause in die geheizten Räume meiner Wohnung.

 

Wo ist der Schnee hin?

Bevor ich aber in meinen Wagen steigen kann, muss ich ihn vom Schnee befreien. Da die Frontscheibe unter Dach war, ist sie klar und so muss ich zumindest nicht kratzen. Aber der Schnee muss so oder so vom Auto runter. Schliesslich will ich sicher sein, dass es auch mein Wagen ist. Das gibt aber kalte Hände und die werden dann recht klamm. Letztlich erkenne ich wieder meinen Wagen und ich kann die Türe für meine Mappe öffnen.

Danach setze ich mich auf meinen Sitz und starte den Motor. Die Heizung beginnt den Innenraum langsam zu erwärmen. Noch ist das nicht spürbar. Ich setze zurück und fahre mit dem Wagen auf den schneebedeckten Zufahrten zur Autobahn. Experimente mit dem Schnee, der auf der Strasse liegt mache ich nicht. Lieber nehme ich etwas Gas weg und komme etwas später zu Hause an. Immer noch besser, als im Krankenhaus oder in der Kiste zu landen.

Die Fahrt wird meine letzten Reserven mobilisieren, denn nun heisst es erneut, volle Konzentration. Auf Schnee ist es nicht leicht und ich bin kein sehr guter Autofahrer, so muss ich etwas langsamer fahren um auf Glatteis meinen Wagen zu beherrschen. Zudem montierte ich an meinem Wagen nur gute Winterreifen und nicht Supermegagripp Modelle aus der Werbung. Das muss ich auf der Fahrt berücksichtigen. Der Radio sollte mich dabei wach halten.

Die Hauptstrassen sind aber geräumt worden und so kann man doch noch recht zügig fahren. Am Autoradio erklingen die Verkehrsmeldungen. Die Strassen in der Schweiz seien stellenweise Schneebedeckt, man sollte vorsichtig fahren, da die Gefahr von Eisglätte bestehe. Das mache ich ja, nur die anderen Fahrer nicht, denn soeben setzte ein Lastwagen zum Überholen an. Ein Profi, der weiss, wie er sein Gefährt bedienen muss. Ich bin beeindruckt.

Ich habe heute nur noch ein Ziel und das ist heil zu Hause ankommen. Wenn das auch ein paar Minuten später sein wird, ist es nicht so schlimm. So fahre ich mit 90 – 100 km/h über die salznasse Autobahn und bin der Meinung schnell genug zu sein. Das sehen jedoch die wenigsten so und so mache ich mir sorgen um mein Heck. Letztlich endete die Autobahn und die Leute müssen nun mir folgen. Scheinbar war ich mit 70 km/h zu langsam, denn im Überholverbot werde ich überholt.

Die Axenstrasse kenne ich recht gut, denn schliesslich bin ich schon oft hier durchgefahren. Schlimme Stellen gibt es im Winter immer wieder. Nur, spielt das keine so grosse Rolle, denn Schnee gibt es hier nicht mehr und ab Sisikon waren die Strassen sogar wieder trocken. Der normalen Fahrt mit müdem Kopf stand nicht mehr viel im Weg. Aber auf trockenen Strassen fährt es sich sicherlich leichter. Nur der Weg ist doch noch recht lange.

Schliesslich erreiche ich die Umfahrung von Flüelen und weiss, dass ich bald zu Hause sein werde. Noch der Tunnel, dann die Autobahn bis Erstfeld und dann sind es nur noch wenige Meter bis zu meiner Wohnung. Nur nehmen es jetzt jene im Tunnel gemütlich, die vorher auf den nassen Strassen schneller waren. Ein Tunnel zu befahren ist scheinbar nicht leicht und schneller als 50 km/h werde ich nie. Mein Heimweg verzögert sich dadurch um die Zeit, die mich der fehlende Schnee nicht gekostet hatte.

Als ich letztlich auf den Hausplatz fuhr, fehlte jeglicher Hinweis auf Schnee. Sogar die Sonne schien leicht durch die Wolken. Die Betonmauer kam wieder einmal meinem Auto sehr nahe. Es war auch mal im Frühdienst, als es nicht ganz reichte. Zurück in der Garage kann ich den Motor abstellen, und den Wagen verlassen. Ich habe meine Wege abgeschlossen und bin dort, wo ich hin wollte zu Hause. Das Auto ist ganz und ich gesund, das ist gut so. Die benötigte Zeit ist nebensächlich.

Am Briefkasten entnehme ich die Zeitung, grüsse meinen Nachbarn und erfahre, was ich für einen schönen Job habe. Denn wer sonst könne um 10.30 zu Hause ankommen. Ich mag einfach nicht mehr und lächle nur noch verlegen. Meine Zeit ist nun durch und die Sonne hat sich bereits wieder hinter dicken Wolken versteckt. Es scheint, als möchte sie mir eine gute Nacht wünschen. Viel werde ich nicht mehr machen. Schön ist nur, dass ich jetzt zwei Tage frei habe.

Meine Tage in Arth-Goldau sind gezählt, das weiss ich, nur sicher bin ich mir da halt doch noch nicht. Irgendwann muss ich mich entscheiden. Die Tour heute lies mich erkennen, dass es in Erstfeld halt schon einfacher war, denn den Ärger mit der Schnepfe in Schaffhausen, habe ich immer noch bei mir. Im Auto konnte ich diese Erlebnisse einfach nicht abarbeiten. Das fehlt mir wirklich und genau das wird wohl dafür sorgen, dass ich Erstfeld vorziehe. Was mit mir passieren wird, lasse ich auf mich zukommen.

Doch damit ist der heutige Tag auch gelaufen. Ich bin müde und erschöpft. Wenn ich müde bin, lege ich mich hin und schlafe etwas. So geht auch dieser Tag zu Ende und wieder bin ich um eine Erfahrung reicher. Ich weiss jetzt auch, dass nicht alle Leute nett sein können und dass ich scheinbar keinen vernünftigen Beruf habe. Nur, das lasse ich so stehen und schlafe erst einmal darüber. Das ist wohl das Beste, was man daraus machen kann.

Diese Leistung fuhr ich schliesslich zum letzten Mal. Vor dem nahen Fahrplanwechsel im Dezember hatte ich sie nicht mehr und mit dem Wechsel des Fahrplanes wurde der Zug gestrichen. Auch die Touren der SOB fehlten und die Gerüchte bewahrheiteten sich. Mir sollte das egal sein, denn ich fuhr ab dem Dezember keine einzige Tour mehr für das Depot Arth-Goldau und es gefiel mir so.

 

Home Lokomotivführer Touren Erstfeld
Typenbezeichnungen SBB Signale Lukmanierbahn
Die Gotthardbahn Die Lötschbergbahn Links
SBB - Lokomotiven BLS - Lokomotiven Kontakt

Copyright 2009 by Bruno Lämmli Erstfeld: Alle Rechte vorbehalten